Treffen in Ingolstadt
FDP-Landesparteitag: Liberale schicken deutliche Signale an Kanzler, Söder und Aiwanger

24.02.2024 | Stand 25.02.2024, 12:26 Uhr

FDP-Co-Landeschef plädiert für eine einsatzfähige Bundeswehr in Krisenzeiten. „Ohne Wehrhaftigkeit ist alles andere nichts.“ Foto: Alexander Hahn/FDP Bayern

Die bayerische FDP positioniert sich bei ihrem Europa-Parteitag in Ingolstadt nicht nur zur Ukraine. Sie revanchiert sich bei CSU und Freien Wählern für deren notorisches Ampel-Bashing.



Auf den Tischen der 420 Parteitagsdelegierten stehen blau-gelbe Ukraine-Fähnchen. Die bayerische FDP belässt es am zweiten Jahrestag des Angriffs Russlands aber nicht bei symbolischen Solidaritätsadressen: Die Liberalen machen sich am Wochenende in Ingolstadt für Taurus-Lieferungen in das Kriegsland stark – ungeachtet des beharrlichen Neins von Kanzler und Koalitionspartner Olaf Scholz. Landes-Co-Chef Martin Hagen plädiert dafür. Gleiches gilt für die frühere Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (72), die in ihrer Partei als moralischer Kompass gilt. „Natürlich muss der Taurus geliefert werden. Diejenigen, die das fordern, muss man unterstützen, damit mehr Druck auf den Kanzler ausgeübt wird“, sagt sie.

Umfragewerte „in der Todeszone“



Der Sprecher für Außenpolitik im Bundestag und Regensburger Abgeordnete Ulrich Lechte warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen. „Wir können den Taurus selbstverständlich liefern, aber er wird den Krieg nicht beenden.“ Er fordert stattdessen mehr militärische Hilfszusagen für die Ukraine aus allen EU-Ländern, pickt Spanien, Frankreich und Italien heraus, die bisher je nur 330, 640 und 670 Millionen Euro beigesteuert hätten – setzt das in Kontrast zu den 17,7 Milliarden aus Deutschland. „Wenn alle so unterstützen würden wie wir, hätte die Ukraine keine Materialprobleme.“

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Kampfbereitschaft demonstrieren die Liberalen auch in eigener Sache: Vor rund fünf Monaten war die FDP bei der Landtagswahl in Bayern mit drei Prozent in die außerparlamentarische Opposition geschickt worden, in der jüngsten Umfrage zur Europawahl im Juni rangieren die Liberalen bundesweit unter fünf Prozent, in Berlin ist die Ampel-Regierung unter Dauerdruck. Von Umfragewerten „in der Todeszone“ spricht die Ingolstädter FDP-Politikerin Susanne Seehofer. „Das kann niemanden hier im Saal zufriedenstellen.“ Beim Europa-Parteitag in Ingolstadt mit beachtlich vielen jungen Köpfen unter den Delegierten ist aber nichts von Resignation zu spüren – vielmehr große Lust, CSU-Chef Markus Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger das Dauerfeuer auf FDP und Ampel-Regierung mit gleicher Münze heimzuzahlen.
Lechte erinnert daran, dass die FDP in der Ampel-Koalition gelandet ist, weil der CDU-Kanzlerkandidat und Wunschpartner Armin Laschet von Söder „aufs Abstellgleis gezogen worden ist“. Hagen geißelt die Blockade des „Wachstumschancengesetzes“, auch durch die CSU, aus rein parteitaktischen Gründen. „Markus Söder macht gerade den Lafontaine von der Pegnitz“, spottet er über den bayerischen Ministerpräsidenten. Der frühe Wirtschaftsminister Martin Zeil spricht von geradezu „trumpesken Verhaltensweisen“, weil die Union ihre Zustimmung zum Gesetz davon abhängig mache, dass die Ampel Kürzungen beim Argrardiesel stoppt.
Susanne Seehofer knöpft sich wiederum den Freie-Wähler-Chef vor. „Hubert Aiwanger kümmert sich ja viel lieber um die Gamsjagd, als den Wohlstand von morgen. Das ist fatal“, sagt sie – und rät ihrer Partei, ihm das immer wieder vorzuhalten – spricht in Anspielung auf die Flugblattaffäre auch von „diesem ewig Gestrigen mit seinem in die Bresche gesprungenen Bruderherz“.

Bayer auf EU-Listenplatz 7



Im Europawahlkampf geht die FDP mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Spitzenkandidatin an den Start. Sie wird zu Auftritten in Bayern erwartet. Der Münchner Phil Hackemann, der als erster Kandidat aus dem Freistaat auf Platz 7 der FDP-Europaliste zu finden ist, nennt die wortgewaltige Verteidigungspolitikerin eine „Euro-Fighterin“. Hackemann plädiert am Sonntag für eine EU mit Mut zu Reformen. Europa müsse Freiräume schaffen und dürfe nicht im Alltag einschränken.

Bei sieben Prozent für die FDP wäre ihm nach eigener Einschätzung ein Mandat in Brüssel sicher. Der 29-Jährige rechnet sich Chancen aus – die Liberalen könnten sich als Widerpart zur Unions-Kandidatin Ursula von der Leyen gut profilieren, sagt er. Hackemann engagiert sich auch bei der parteiübergreifenden Aktion „Yourope“, die auf junge Wähler zielt. Bei der Europawahl ist das Abstimmungsalter bekanntlich auf 16 Jahre abgesenkt. „Vielen ist noch gar nicht bewusst, dass sie wählen dürfen“, sagt er.

To-Do-List für die Ampel



Das Hadern mit der Ampel fällt in Ingolstadt im Vergleich zum Parteitag im November in Amberg gemäßigt aus. Der frühere Landesvorsitzende Albert Duin war dort Kopf der Bewegung. Bei der rund zweistündigen Debatte zur Lage der Partei in Ingolstadt hält er zwar ein flammendes Plädoyer für die Rückkehr zur Atomkraft, empfiehlt aus der Not heraus eine deutsche Beteiligung an tschechischen Atomkraftwerken: „Diesem ideologischen Irrsinn der Grünen immer hinterherzulaufen, ist absolut verrückt.“ Minuten später wird er von Leutheusser-Schnarrenberger aber eingebremst. „So werden wir nicht wiedergewählt, wenn wir hier stehen und erzählen, wie schön alles wäre, wenn man die Zeiten zurückdreht.“

Hagen wünscht sich dennoch, dass die FDP im Bund im Blick behält, wie knapp bei der Mitgliederbefragung im Januar die Mehrheit für einen Verbleib in der Ampel war. „Es muss ein Denkzettel sein, der verstanden wird.“ Eine neue Mahnung ist die „To-Do-List“ der Jungen Liberalen an die Bundesregierung, die in Ingolstadt verabschiedet wird. „Es ist wichtig, dass sich die FDP auf die urliberalen Werte zurück besinnt“, sagt auch die Bundestagsabgeordnete und niederbayerische FDP-Chefin Nicole Bauer. Das Prinzip „Leistung muss sich wieder lohnen“ zählt für sie zum Markenkern. In Ingolstadt stimmt die Partei für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 90.000 Euro. Langfristig müssten es 150.000 Euro sein, sagt Bauer.