Das Center for Womens Perspective unterstützt geflüchtete Frauen im Westen der Ukraine, unter anderem mit der Hilfe von Köchin Maria. Doch auch sie musste Schicksalsschläge hinnehmen: Ihre Mutter stirbt nach der Flucht, ihr Haus liegt mittlerweile in Trümmern.
Vorsichtig hebt Maria mit einem Löffel eine Portion Karottensalat aus einer großen Metallschüssel. Auf dem Teller vor ihr liegt bereits das Fleisch und der Reis, den ihre Kolleginnen zubereitet haben. Maria ist heute für die Beilage zuständig. Zu dritt bekochen sie jeden Mittag rund zwei Dutzend Flüchtlinge, die seit Kriegsbeginn nach Morshyn in den Westen der Ukraine gekommen sind. Während ihre beiden Kolleginnen den Journalisten gut gelaunt von ihrer Arbeit erzählen, verzieht Maria keine Miene und geht still ihrer Arbeit nach.
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Ihr ist nicht zum Lachen zumute, an das Jahr 2022 wird sie sich für immer erinnern – in negativer Hinsicht. Genau wie die geflüchteten Menschen im Speisesaal stammt auch Maria nicht aus dem Westen des Landes. Ihre Heimat Luhansk musste die 39-Jährige notgedrungen verlassen, der Krieg hat auch sie erreicht. Anfang April wurde das Haus ihrer Mutter zerstört, das war der Auslöser für ihre Flucht. Mit ihrem Mann und ihren Eltern ist sie in die Unterkunft gekommen. „Für uns bestand zu keiner Zeit die Möglichkeit, dass wir bleiben würden“, sagt sie. „Die meisten Leute, die nicht geflüchtet sind, wurden getötet.“ Nicht einmal Begräbnisse könnten für die Toten durchgeführt werden. „Sie liegen einfach auf der Straße oder in den Gärten herum“, erzählt Maria mit zittriger Stimme.
Alle Berichte zur Spendenaktion 2022 finden Sie auf unserer Sonderseite.
Marias Nachbarn immer noch vor Ort
Immer noch gibt es genug Menschen, die sich nicht von ihrer Heimat trennen können. Auch Marias Nachbarn sind immer noch vor Ort, seit Monaten leben sie dort unter russischer Besatzung. Im August erhält sie von den Nachbarn Fotos, bei denen ihr der Atem stockt: Die Bilder zeigen Trümmerhaufen. Für Maria ist sofort klar: Das war einmal ihr Zuhause. Wäre sie geblieben, wäre Maria jetzt wohl nicht mehr am Leben.
Doch in Marias Kopf überwiegen andere Sorgen. Als sie im April mit ihrer Familie in der Unterkunft ankommt, erfährt sie von einer schweren Krankheit ihrer Mutter. „Vor der Flucht konnte sie sich noch selbst helfen, aber hier wurde es immer schlimmer.“ Ende Oktober stirbt ihre Mutter in der Unterkunft. Mit einem positiv gemeinten Satz beendet Maria dann das Interview: „Es überwiegt schon die Freude, dass wir noch am Leben sind.“ Dass sie sich dabei nicht zu einem Lächeln durchringen kann, spricht Bände.
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