Berlin / München
Lehrerpräsident im Interview: "Wir brauchen keine Laptop-Klassen"

12.10.2016 | Stand 12.10.2016, 6:24 Uhr

"Ich würde mir wünschen, dass unsere Schüler auch in den Pausen miteinander sprechen, miteinander spielen", sagt Lehrerpräsident Josef Kraus. − Foto: dpa

Mit einem Milliardenprogramm will der Bund die Ausstattung der Schulen in Deutschland mit Computern und freiem Internet verbessern. "Schülerinnen und Schüler müssen heute auch digital lernen und arbeiten können, statt nur zu daddeln. Dafür brauchen wir einen Digital-Pakt zwischen Bund und Ländern", sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) am Wochenende. Für Computer und WLAN in allen 40.000 Schulen solle der Bund bis 2021 fünf Milliarden Euro bereitstellen. Was der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, davon hält, erklärt er im Interview mit der Heimatzeitung.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will Deutschlands Schulen in den nächsten Jahren flächendeckend mit Breitband-Internet, Computer und WLAN ausstatten. Konkret sollen die Pläne heute vorgestellt werden. Eine überfällige Digitaloffensive?

Josef Kraus: Der Bund ist für so etwas eigentlich nicht zuständig. Wenn es schon ein Milliardenprogramm für die Schulen sein soll, dann bitte für die Sanierung der Gebäude. Hier besteht ein Bedarf in dreistelliger Milliardenhöhe. Viele Schulen sind in marodem Zustand, eigentlich müssten sie sofort saniert werden. Oft sind Beträge in zweistelliger Millionenhöhe zu investieren. An manchen Schulen sind die sanitären Anlagen miserabel oder man hat sie saniert und verlangt dafür jetzt eine Toilettenbenutzungsgebühr. Das Problem ist, dass die Schulträger das alleine nicht schultern können. Hier müsste etwas geschehen. Das wäre ein vernünftiges Investitionsprogramm und würde einen kräftigen Push für unseren Arbeitsmarkt bringen.

Was spricht aus Ihrer Sicht denn gegen die Digitalpläne?

Kraus: Schulen mit Computer, Tablets, Laptops auszustatten, bringt für den Unterricht kaum etwas. Es nutzt am Ende nur der Industrie und den Herstellern. Viele Studien warnen davor, dass Deutschland digital abgehängt werden könnte. Aber man muss auch mal sehen, wer diese Untersuchungen in Auftrag gibt. Das sind die großen Telekommunikationsfirmen. Es gibt keine belastbaren Befunde darüber, dass digitalisierte Schulen zu besseren Schülerleistungen führen.

Ist es nicht besser, auch bei Lernangeboten und Medien auf der Höhe der Zeit zu sein?

Kraus: Ich glaube nicht an die Segnungen der Digitalisierung von Unterricht, die man uns immer versucht einzureden. Unsere 40000 Schulen mit schnellem Internet auszustatten, bringt keinerlei Fortschritt für den Unterricht. Wir brauchen keine Laptop-Klassen! Die Digitalisierung der Klassen würde die bei den Schülern ohnehin vorhandene Neigung zum Häppchenwissen noch verstärken. Es leidet die Konzentration. Es leidet das Lesevermögen und die Diskursfähigkeit.

Sie wollen digitale Medien allen Ernstes so weit wie möglich aus den Schulen verbannen?

Kraus: Wir brauchen bundesweit Regelungen wie in Bayern. Dort ist die Nutzung digitaler Medien an Schulen außerhalb des Unterrichts und ohne Erlaubnis der Lehrkräfte verboten. Ich würde mir wünschen, dass unsere Schüler auch in den Pausen miteinander sprechen, miteinander spielen. Die vis-à-vis-Kommunikation ist immer besser, als auf dem Schulhof nebeneinanderzusitzen und sich gegenseitig WhatsApp-Nachrichten zu schicken.

Interview: Rasmus Buchsteiner