Festspiele Europäische Wochen Passau
"Lebenslänglich frohlocken" – Traunsteiner Harfenistin Silke Aichhorn im Interview

24.06.2019 | Stand 19.09.2023, 23:29 Uhr

Lange Haare, schickes Kleid: Silke Aichhorn passt optisch gut ins Klischee einer Harfenistin – auf Fotos. Wie anders der Alltag in ihrem Beruf aber aussieht, erzählt sie mit viel Humor in ihrem Buch. −Foto: Markus Aichhorn

Erschienen am 19. Juni auf der Sonderseite "Festspiele Europäische Wochen Passau 2019" der Passauer Neuen Presse.

"Kannst Du eigentlich einen Walzer auf der Harfe?", fragt der Bestatter Silke Aichhorn (49). "Äh, ja klar! Wann ist denn die Beerdigung?" Stille. "Die Tochter der zu beerdigenden Dame hätte gern, dass die Bestattung an einem Mittwoch stattfindet." Problem: Die Dame, ein großer Wiener Walzer-Fan, ist noch gar nicht tot. Ob sie es schafft, die ewige Ruhe pünktlich zu finden? Es sind Geschichten wie diese, die Harfenistin Silke Aichhorn in ihrem Berufsleben widerfahren. Nun hat die Traunsteinerin über 40 davon in einem Buch veröffentlicht."Lebenslänglich Frohlocken – Skurriles aus dem Alltag einer Harfenistin" heißt es. Darin erzählt sie launisch, bodenständig und mit viel Humor vom wahren Wahnsinn des Musikerseins. Am 23. Juni spielt Silke Aichhorn, eine der aktivsten europäischen Solo-Harfenisten, im Rahmen der Europäischen Wochen in Grafenau. Im Gespräch mit der PNP erzählt sie, wie sie zur Autorin wurde und was die Gäste in Grafenau erwartet.
Harfe ist keine Strafe, sondern eine PassionFrau Aichhorn, "Lebenslänglich Frohlocken" – das klingt fast nach himmlischer Haftstrafe . . .
Silke Aichhorn: Nein, das ist etwas sehr Positives. Das "Frohlocken‘" ist an die Harfe als himmlisches Instrument angelehnt. Das "lebenslänglich" bezieht sich darauf, dass ich schon so lange Harfe spiele, das ist keine Strafe, das ist meine Passion.

Auf dem Cover Ihres Buches stehen Sie mit ihrer Harfe auf einer Wolke. Sie raufen Ihre Haare, runzeln die Stirn – ist das Harfenistensein also doch nicht so frohlockend?
Aichhorn: Mein Ziel ist es einfach, die Harfe in das Licht zu rücken, in das sie gehört – auch mit einem zwinkernden Auge. Für viele ist sie Weihnachten, ein Instrument für Frauen mit langen Haaren und schönen Kleidern, leicht und leise. Natürlich ist die Harfe Klischee. Sie hat einfach einen besonderen Klang, der ganz viele Menschen super gut anrühren kann. Trotzdem ist die Harfe ein wahnsinnig kompliziertes Instrument, bei dem man viel mehr braucht als bloß dekorativ dranzusitzen.

Nämlich?
Man spielt sie mit den Händen, mit den Füßen – viele wissen gar nicht, dass eine Harfe Pedale hat – sie ist ein extrem athletisches Instrument.Und dann gibt es noch das logistische Drumherum, da muss man extrem gechillt sein. Die Harfe ist keine Geige, die man im Kasten mit sich tragen kann, sie ist 1,85 Meter hoch, 40 Kilo schwer. Ich fahre jedes Jahr 35 000 Kilometer mit dem Auto zu Konzerten. Als Harfenistin ist man keine Anna Netrebko, die am Flughafen abgeholt wird. Das ist nicht jedermanns Sache.

Wie schweißtreibend, nervenaufreibend und dabei doch zum Schmunzeln Ihr Berufsleben sein kann, beschreiben Sie auch in Ihrem Buch. Wie kam es dazu, dass Sie die Anekdoten gesammelt und aufgeschrieben haben?
Richtig gesammelt habe ich die Geschichten nicht. Ich hab’ immer wieder mal eine witzige Anekdote meinen Freunden erzählt oder gemailt und auch bei Konzerten vorgetragen. Als ich letztes Jahr meine Hand gebrochen hatte und 13 Konzerte absagen musste, habe ich angefangen, alles aufzuschreiben, einen Verlag hatte ich schon. Der hat mir zwar später wieder abgesagt, weil mein Buch nicht zum Verlag passe, aber da habe ich es dann selbst veröffentlicht über meinen eigenen Verlag "Hörmusik", mit dem ich meine 24 CDs vertreibe.
Sie organisieren sich nicht nur komplett selbst, Sie stehen auch gern allein auf der Bühne. Warum kein Orchester?
Aichhorn: Im Orchester sitzt man schon in den Proben oft drei Stunden rum und spielt keinen Ton. Die Harfe gehört da nur zum Gesamtklang. Ich spiele viel Solo, weil man da die unglaublichen Kapazitäten und das Potenzial der Harfe zeigen kann. Bei meinen eigenen Konzerten moderiere ich selbst und kann so den Leuten die Harfe viel näher bringen. In den Pausen sag’ ich immer: "Wenn Sie sich die Hände waschen, dürfen Sie auch mal zupfen."
"Die Moldau" als Arrangement für HarfeBei den Europäischen Wochen spielen Sie auch Solo. In Ihrem Programm "Harfenzauber" haben Sie unter anderen Tschaikowski, Smetana, Händel und Saint-Saëns – bewusst gemischt europäisch?
Aichhorn: Schreiben Sie "Ja" (lacht)! Nein, für die Moldau gibt es ein super Arrangement für die Harfe. Tschaikowskis Blumenwalzer habe ich selbst bearbeitet, und der Schwan von Saint-Saëns ist ja eigentlich für Cello und Harfe, den hab ich dann nur für Harfe arrangiert. Da hat sich das so ergeben. Bei Harfenisten ist das nicht so wie bei Geigern oder Pianisten: Wir können keinen Schrank aufmachen, in dem genügend Noten für unser ganzes Leben sind. Es gibt kaum namhafte und wenig gute Literatur für Solo-Harfenisten, wir brauchen Arrangements.

Lesen Sie in Grafenau auch aus Ihren Buch?
Aichhorn: Das weiß ich noch nicht, wenn ich vom Veranstalter aus darf, dann schon.
• "Harfenzauber": 23. Juni 2019 in Grafenau, Kulturpavillon Bäreal, 19 Uhr