Sanierter Stadel in Triftern
Ein Kulturzentrum erwacht zum Leben

28.09.2022 | Stand 19.09.2023, 21:31 Uhr
Gabriele Blachnik

Der denkmalsanierte Stadel der "Alten Post" in Triftern beherbergt zum Start seiner kulturellen Nutzung Bronzeskulpturen dreier renommierter deutscher Bildhauer. Das Bild zeigt Bernd Stöcker, selbst Bildhauer und Besitzer der "Alten Post", zwischen Figuren des Rottaler Kunstprofessors Hans Wimmer: (v.l.) "La Belle Africaine-ABA" (1966), "Wagenlenkerin" (1986) und "Nilgau-Antilope" (1957). −Fotos: Blachnik

Der Bildhauer Hans Wimmer aus dem niederbayerischen Rottal sagte: "Die Bildhauerei hat die Aufgabe, einen Gegenstand zu vergegenwärtigen und ihm Dauer zu verleihen." Ähnliches gilt auch für die Denkmalpflege. In der Rottaler Marktgemeinde Triftern ist seit kurzem die Bewältigung beider Aufgaben unter einem Dach zu sehen: hochwertige figürliche Bildhauerei im denkmalsanierten Stadel des ehemaligen Gasthauses "Alte Post". Verantwortlich für Beides, für die Rettung eines ortsprägenden, vom Verfall bedrohten Gebäudes und für die Eröffnungsausstellung "Bildhauerfreunde", ist der in Triftern lebende Bildhauer Bernd Stöcker.

In den neuen Kulturstadel gelangt man durch das alte Holztor, die vom Leerstand gezeichneten Gemäuer und den Innenhof der "Alten Post". Durch die nun verglasten Torbögen fällt Tageslicht in den 18 Meter tiefen wie breiten Innenraum. Unter dem frisch gedeckten, gewaltigen Walmdach tut sich eine weite Halle auf, in der sich lebensgroße Bronzestatuen verteilen.

Der Mut, sich als Privatmann an so ein Projekt zu wagen

So muss Bernd Stöcker den mächtigen Stadel bereits vor sich gesehen haben, als er 2014 den Gebäudebestand der "Alten Post" von der Erbin der ehemaligen Besitzer erwarb. Das undichte Dach, marodes Gebälk und die Gebäudedimensionen schreckten ihn nicht ab. Als Bildhauer, der lebensgroße Figuren aus Stein haut oder sie in langwieriger Prozedur in Bronze verewigt, braucht Stöcker Visionen und Beharrlichkeit.

Dies kam seinem Vorhaben zugute, das historische Ensemble erhalten und neu beleben zu wollen. Eine Prise Gelassenheit mag seine norddeutsche Herkunft beigetragen haben. Eine große Portion Mut gehörte auch dazu, sich als Privatmann an so ein Projekt zu wagen. Wie gut der erste Part der Sanierung gelungen ist, ist nun gleichzeitig mit der Eröffnungsausstellung zu besichtigen.

Mit Hans Wimmer (1907–1995) wählte Stöcker einen regional verorteten Künstler, der sich in seiner Geburtsstadt Pfarrkirchen mit einer Pferdestatue verewigt hat. Wimmer war eng befreundet mit dem in der Nachkriegszeit hoch angesehenen Berliner Künstler Gerhard Marcks (1889–1981). 1932 geboren ist der Sachse Helmut Heinze, der die beiden älteren Kollegen erst nach der Wende persönlich kennenlernte. Mit Wimmer hatte ihn schon zuvor dessen 1961 erschienene Schrift "Über die Bildhauerei" verbunden. Heinze nutzte sie als Fibel für seine Professur in Dresden. Zur Ausstellungseröffnung reiste er als 90-Jähriger an und begeisterte mit einer euphorischen Rede über die Bildhauerkunst.

Statt Statuen könnten hier bald Schauspieler stehen

Der Ausstellungsbesucher kann sehen, wie jeder der drei Bildhauer seinen Weg zwischen natürlicher und abstrahierter Darstellung gesucht hat. Die Wimmerskulpturen, darunter zwei große Liegende und eine Tierfigur, sind in dem Stadelteil mit bloßem Erdboden platziert. Die Leihgaben von Nachlassverwalter Dr. Cosmas Wimmer hat Stöcker auf Holzböcke aus seinem Atelier gestellt. Bewusst betont er damit die bildhauerische Arbeit, ohne die sinnliche Ausstrahlung von Wimmers Figuren zu schmälern.

Die sechs Bronzestatuen von Gerhard Marcks, Leihgaben der Marcks-Stiftung in Bremen, haben die erhöhte Stadelbühne auf der anderen Seite des Mittelgangs bekommen. Anstatt der Figuren "Adam" oder "Fortuna" werden hier vielleicht einmal Schauspieler eines Theaterstücks agieren. Vorerst bringen die Marcks-Statuen einen Hauch griechischer Antike in den Kulturstadel.

Helmut Heinze hat für die Ausstellung vorwiegend Kleinskulpturen beigetragen. Darunter sind dünn aufragende Figuren mit bewegter Oberfläche, u. a. Modelle zu seinem "Chor der Überlebenden", der 2012 als Zeichen der Versöhnung im englischen Coventry aufgestellt wurde. Heinzes Bronzearbeiten haben ihren Platz auf der Galerie gefunden. Dieser eingezogene Boden samt des riesigen Dachstuhls werden von Stahlstützen mitgetragen, die den 200 Jahre alten Holzständern zu Hilfe gekommen sind. In den Dachschrägen sorgen Kunstglasziegel für Lichteinfall auch auf der Galerie.

Bei der Eröffnungsfeier schien der negative Bürgerentscheid von 2019 vergessen, der die damalige Förderkonstellation für die Sanierung zunichte machte. Nach den Gratulationsreden von Vertretern der sechs Förderstellen verlor Bernd Stöcker kein Wort ans Zurückschauen, sondern dankte namentlich dem Architekten Norbert Paukner und den vielen örtlichen und regionalen Baufirmen für ihre Arbeit. Auch er selbst wirkte tatkräftig und mit 142000 Euro Eigenanteil daran mit, dass die 632000 Euro teuere Sanierung im ausgehenden Sommer 2022 planmäßig fertig wurde – und machte sich damit sein eigenes Geschenk zu seinem 70. Geburtstag. Zusammen mit dem neu gegründeten Kultur- und Kunstverein will Stöcker dafür sorgen, dass die "Alte Post" zu einem kulturellen Zentrum im Landkreis Rottal-Inn wird.

Gabriele Blachnik

• Bis 30. Oktober, Stadel der Alten Post, Triftern, Graf-Lenberger Straße 13, geöffnet Sa./So. 14 – 18 Uhr, Führungen sonntags 14 Uhr