Premiere am Samstag, 22. April
Nobelpreis-Literatur: Handkes „Publikumsbeschimpfung“ am Theater an der Rott

13.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:40 Uhr

Ab 22. April auf der Bühne mit Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“: Yvonne Köstler, Julia Ribbeck, Norman Stehr und Martin Puhl. −Foto: Rupert Rieger

Braucht’s das noch, Theater? Seit der Eröffnung des Theaters an der Rott in Eggenfelden am 25. September 1963 beantwortet der Landkreis Rottal-Inn diese Frage Jahr für Jahr mit einem klaren Ja. Vom Sinn und Wert des Theaters spricht das Stück „Publikumsbeschimpfung“ des Nobelpreisträgers von 2019, Peter Handke.

Das Stück, in dem übrigens nur sehr wenig geschimpft wird, hat am Samstag, 22. April, in Eggenfelden Premiere. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Regisseur Johannes Lang das Werk.

Herr Lang, Handkes „Publikumsbeschimpfung“ hat keine Handlung, es wird auch nichts „gespielt“ – was hatten Sie als Regisseur da eigentlich zu tun?
Johannes Lang: (Lacht) Sich genau darüber Gedanken zu machen, wie man es schafft, dass die Zuschauer das Stück sehen wollen und unterhalten werden – aber auch etwas mitnehmen. Mein Ansatz ist, dass im Gegensatz zu dem, was Handke geschrieben hat, die Schauspieler eben doch miteinander spielen. Ich habe eine Figur entwickelt, die explizit die ganze Zeit spielen will – und scheitert an ihren Kollegen, die sagen, sie wollen nicht spielen. Dadurch entsteht eine Reibung – und dadurch wird das Ganze spannend.

Bei der Premiere 1966 war das Werk ein Skandal – wieso? Und ist es das heute auch noch?
Lang: Die eigentliche Beschimpfung am Ende des Stückes sind ja nur ein paar Seiten. 1966 standen vier Schauspieler auf der Bühne und haben den Text runtergesprochen, zum Teil auch gelesen. Dass da keine Geschichte erzählt wird – das war die Provokation damals. Das hat die Leute unglaublich auf die Palme gebracht. Genau das funktioniert heute nicht mehr als Provokation, weil Theater nicht mehr den Stellenwert von damals hat, als es nur drei Fernsehprogramme und Kino gab. Ich hoffe, dass es eine Reaktion des Publikums gibt – ich glaube aber nicht, dass wie 1966 auf die Bühne gerufen wird: „Hört auf mit dem Scheiß!“

Geschimpft wird im Stück recht wenig. Worin sehen Sie den Kern des Textes und des Abends?
Lang: Es gibt einen ganz prägnanten Satz für mich in dem Stück: „Sie haben erkannt, dass dieses Stück eine Auseinandersetzung mit dem Theater ist.“ Darum geht es: Was ist Theater, was bedeutet Theater, welche Aufgabe hat Theater? Braucht man, um Theater zu spielen, Requisiten, ein Bühnenbild und Kostüme? Diese Fragen werden gestellt. Ich wünsche mir, dass die Leute drüber nachdenken, ob Theater wichtig ist und welchen Stellenwert es in unserer Gesellschaft hat. Machen wir Theater, weil es Politiker wollen oder machen wir Theater für die Leute? Machen wir Kunst, um über die Gesellschaft nachzudenken, oder spielen wir nur noch Komödien, damit die Zuschauer überhaupt ins Theater kommen?



Nach jeder Vorstellung kann das Publikum mit dem Schauspielerinnen und Schauspielern diskutieren – warum?
Lang: Darauf freue ich mich schon sehr! Und bin gespannt, ob da nur seichte Fragen kommen, oder ob wir über das Theater allgemein etwas erfahren. Ich habe den Schauspielern gesagt: Bitte fragt die Zuschauer, was möchtet ihr sehen? Was zieht euch ins Theater? Welche Themen interessieren euch? Seid ihr gesättigt vom Krieg in den Nachrichten, oder kann das Theater da vielleicht einen neuen Blicköffnen?

Was macht das Theater, wenn das Publikum sagt: Wir wollen noch mehr „Fledermaus“, den Handke könnt ihr bleiben lassen!
Lang: Heiner Müller hat mal gesagt: Schließt alle Theater, dann werdet ihr sehen, ob es Theater noch braucht! Das ist natürlich sehr provokant, aber es stellt die Frage, ob es uns heute reicht, wenn man den Fernseher anmacht uns sich berieseln lässt. Oder ist es doch wichtig, dass man noch etwas anderes bekommt?

Das Gespräch führte Raimund Meisenberger

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•Regie und Ausstattung: Johannes Lang. Es spielen Yvonne Köstler, Martin Puhl, Julia Ribbeck, Norman Stehr

•Zu sehen Sa., 22.4., 19.30 Uhr, So., 23.4., 18.30 Uhr, Do., 27.4., 19.30 Uhr, Fr., 28.4.,19.30 Uhr, Sa., 29.4., 19.30 Uhr, So., 30.4. 18.30 Uhr. Info: theater-an-der-rott.de