Auswege aus der Abhängigkeit zeigen
Jugendsuchtberatung in Rottal-Inn feiert zweijähriges Bestehen

27.10.2023 | Stand 27.10.2023, 11:10 Uhr

Aus verschiedenen Perspektiven betrachteten die Redner das Thema Sucht bei Jugendlichen: (von links) PHK Andreas Baumgartner, Benjamin Lettl, Theresa Nebl, Dr. Joachim Weiß, Jenifer Arndt, Andreas Oberberger, Landrat Michael Fahmüller, Bastian Costachel-Baksa und Manfred Weindl.  − Fotos: Heiß

Die Jugendsuchtberatung der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der Katholischen Jugend Fürsorge (KJF) hat ihr zweijähriges Bestehen gefeiert. Diese Gelegenheit wurde genutzt, um über die Arbeit der Jugendsuchtberatung, die unter dem Motto „Be You Again“ steht, bei einem Fachtag im Kolpinghaus zu informieren.

„Es ist eine Feier mit fachlichen Inputs und zur weiteren Vernetzung“, erklärte Dr. Joachim Weiß, der die Beratungsstelle leitet. Bei einem Vortrag gab Bastian Costachel-Baksa einen Einblick in seine Arbeit als Jugendsuchtberater, die sich an Kinder und Jugendliche bis zur Volljährigkeit richtet.

Landrat: Bei der Suchtberatung gibt es kein Patentrezept



Landrat Michael Fahmüller lobte, dass sich die Jugendsuchtberatung mittlerweile ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern geschaffen habe. „Es braucht viele Beraterinnen und Berater und viele helfende Hände“, so der Schirmherr. Das Ziel sei immer gleich: junge Leute bei ihrem Weg in eine sichere Zukunft zu unterstützen. Bei der Suchtberatung gebe es kein Patentrezept, denn „was den einem hilft, kann bei einem Anderem genau das Gegenteil bewirken“. Sucht stehe häufig auch bei Straftaten im Hintergrund.

Dr. Joachim Weiß sieht den Sozialpädagogen Bastian Costachel-Baksa als optimale Besetzung für die Stelle des Jugendsuchtberaters. „Er ist gut vernetzt, arbeitet mit Herzblut und die Jugendlichen schätzen ihn.“ Die Möglichkeit, die Jugendsuchtberatung zu nutzen, spreche sich herum, weshalb „auch schon andere Landkreise die Lücke erkannt haben“.

Costachel-Baksa sagte, dass er gerne als Jugendsuchtberater arbeite, weil es immer schön sei, wenn man die jungen Menschen erreiche und ihnen helfen könne. In seiner Präsentation ging er auf die verschiedenen Süchte der Jugendlichen ein – von Alkohol bis hin zu sozialen Medien. Wie wird die Jugendsuchtberatung im Landkreis angenommen? Laut Costachel-Baksa hätten in den beiden Jahren 118 Klienten, darunter 17 Angehörige, das Angebot genutzt. Zur Verteilung: 23 Jugendliche seien wegen nicht stoffgebundener Süchte, 58 wegen psychoaktiver Substanzen wie Alkohol und Drogen und 43 Jugendliche wegen richterlicher Auflagen gekommen. Er freue sich besonders, dass drei davon Jugendsuchtberatung auch nach ihrer Pflichteinheiten genutzt hätten.

Vertraulich, kostenfrei, freiwillig



Von der Präventionsarbeit bis zur rechtlichen Beratung: Die Tätigungsfelder der Jugendsuchtberatung sind mannigfaltig, eine zeitliche Begrenzung gebe es laut Costachel-Baksa nicht. „Mir ist es immer gelungen, die Motivation aus den Jugendlichen herauszukitzeln“, freute sich der Sozialpädagoge. Vertraulich, kostenfrei und freiwillig: Auf diesen drei Grundsätzen fundiere die gesamte Arbeit der Jugendsuchtberatung. In Zukunft seien weiterhin Suchtpräventionsprojekte und Workshops, viele davon an Schulen, geplant.

Bastian Costachel-Baksa räumte ein, dass es auch für die Jugendsuchtberatung Grenzen gebe. Beispielsweise wenn eine stationäre Entzugs-Therapie nötig werde, die Angehörigen andere Vorstellungen von der Therapie hätten oder bei Krisensituationen, die mit einem selbst- oder fremdgefährdenden Verhalten einher gehen.

Im Anschluss an den Vortrag des Jugendsuchtberaters Costachel-Baksa referierten mehrere Gastredner. So blickte die Diplom-Sozialpädagogin Jenifer Arndt vom Gesundheitsamt auf die Anfänge der Jugendsuchtberatung „Be You Again“ zurück. „Ich dachte damals, dass es die Probleme mit Drogen eher in der Stadt gibt.“ Schnell habe sie jedoch bemerkt, dass dem nicht so ist. Schnell habe festgestanden: „Es braucht jemanden, der sich auskennt, zuhört und einfach für die Kinder und Jugendlichen da ist.“

Häufig Mischkonsum von Drogen



Polizeihauptkommissar Andreas Baumgartner veranschaulichte den Zusammenhang zwischen Abhängigkeit und Straftaten. Die Anzahl an Verkehrsunfällen unter Drogeneinfluss gehe nach seinen Worten exponentiell nach oben. „Häufig ist es der Mischkonsum, denn ,reine Kiffer‘ gibt es kaum noch.“ Für ihn sei klar, dass die Repression der Polizei zugleich Prävention sei, so der Leiter der Polizeiinspektion Pfarrkirchen.

Jugendrichter Andreas Oberberger schilderte seine Erfahrungen, die die Gäste teils zum Schmunzeln brachten. Er sehe das Ausprobieren, das Profilieren und den Geltungsdrang als Gründe von Drogenhandel durch Minderjährige. „Manche wirtschaften so schlecht, dass sie nichts daran verdienen“, so Oberberger. Das Problem: Das werde ihnen häufig erst vor Gericht bewusst.

Über die Arbeit in der stationären Suchthilfe referierte Diplom-Sozialpädagoge Benjamin Lettl. Die Fachklinik Schlehreut sei eine der wenig verbliebenden Kliniken, die noch eine Rehatherapie nach einer Sucht-Behandlung anbiete – nur für Frauen. Die würden dann über Praktika langsam wieder in den Berufsalltag herangeführt. Für Kinder von elf bis 17 Jahren stellte er die Einrichtung Freedom vor, die jungen Menschen mit Pädagogik, Therapie und internen Beschulungsmöglichkeiten helfe.

Abschließend erörterte die Psychologin Theresa Nebl von der Suchtberatungsstelle der Caritas, welche Hilfsangebote ihre Organistion bei der Behandlung im Erwachsenenalter biete.

Nachdem sich noch verschiedene weitere Kooperationspartner der Jugendsuchtberatung vorgestellt hatten, so etwa das Jugendamt, die Jugendsozialarbeit an Schulen, die Streetworker, die Jugendgerichtshilfe, die offene Behindertenarbeit, soziale Dienste Jakob Reeb, die Aktionsgemeinschaft Kind in Not, die Ameos Klinik, das Bündnis gegen Depression, die Psychosomatik der Rottal-Inn Kliniken sowie das Inn-Natur, gab es die Möglichkeit, sich an Infotischen zu den jeweiligen Organisationen auszutauschen, um sich noch besser zu vernetzen.

− hef