Anzenkirchen
Jeden Tag ein PCR-Test: Wie ein Rottaler die Null-Covid-Strategie in China erlebt

Max Willeitner lebt und arbeitet in der Millionen-Stadt Souzhou

18.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:05 Uhr

Damit Max Willeitner den Hochhaus-Sektor, in dem er wohnt, verlassen darf, führt für ihn kein Weg an der Teststation vorbei – und dies nahezu täglich. −Fotos: red

Von Edwin Reiter

Seit zehn Jahren lebt Max Willeitner (39) in China und ist als Holzbauingenieur bei einem Unternehmen für die Innenausstattung von Schiffen in der Nähe von Shanghai tätig. Im September 2020 hatte die Heimatzeitung über den gebürtigen Anzenkirchner und die Corona-Lage in China berichtet. „Hier ist alles wieder beim Alten“, lautete damals seine Einschätzung zur Situation im Pandemie-Ursprungsland. Beispielsweise gab es keine Maskenpflicht mehr. Inzwischen aber ist wieder alles anders, wie Willeitner auf Nachfrage der PNP in einer Mail schreibt.

In dieser schildert er, dass die Normalität seit März 2022 durch den drastischen Anstieg der Corona-Fallzahlen zu erheblichen Einschränkungen, bis hin zu längeren Lockdowns in vielen Städten geführt hat. Die strikte Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung bewirke dies, und noch sei eine Abkehr von dieser Politik nicht in Sicht, erzählt der Rottaler. Die Stimmung im Land sei bedrückend. Und mittlerweile seien die Menschen etwas müde von all den Regeln und den Auflagen wie Maske tragen, QR-Code stets herzeigen, tägliche Tests und Reisebeschränkungen.

Regionale Lockdowns schon bei ein paar Fällen

„Gemacht wird es aber, viel bleibt einem da ja nicht übrig“, so die Wahrnehmung von Max Will-leitner. „Wir haben noch sehr viele Einschränkungen“, berichtet er aus der Elf-Millionen Stadt Souzhou in der Provinz Jiangsou, in der er mit seiner Freundin Jialin Wang in einem 34-stöckigen Hochhaus wohnt. Im Frühjahr gab es einen dreiwöchigen Lockdown. Obwohl dieser aufgehoben ist, muss jeden Tag ein PCR-Test an einer der vielen Stationen gemacht werden, die man in jedem Wohnkomplex oder neben den Straßen findet. Man zeigt dort seine Ausweisnummer, die eingetippt wird und im System automatisch auftaucht – neben der kompletten Bewegungshistorie und welche Farbe der QR-Code hat. Der Test ist kostenlos. Wenn man einen solchen einige Tage lang nicht macht (in der Regel mehr als 48 Stunden alt), springt eine Warnung auf und man muss sich testen lassen. Egal ob man zu Hause bleibt oder nicht.

Nur mit einem aktuellen, weniger als 48 Stunden alten Test, darf man dann in Gebäude, sei es zum Einkauf von Lebensmitteln, zum Friseur oder die Arbeit, erzählt Willeitner. Ein grüner Pfeil auf der Handy-App zeigt an, dass man berechtigt ist, in öffentliche Bereiche (z.B. Zugstationen oder Behörden) oder Einkaufszentren zu gehen.

Die Frage, wie dies bei Leuten abläuft, die kein Handy haben, stellt sich nach seinen Worten nicht. Es gebe vor allem in den bevölkerungsreichen Regionen keine Menschen mehr, auch keine älteren, ohne Smartphone. Vor allem auch, weil man sich über das Handy online registrieren müsse, etwa für die Wohnungsanmeldung, Strom- und Heizungsanschluss, usw. Überdies koste ein Gerät von Xiaomi nur etwa 100 Euro. In den ländlichen Regionen könne ein fehlendes Handy aber ein Problem darstellen. Da könne es unter Umständen sein, dass man nicht mehr vor die Türe oder auf öffentliche Plätze darf, wenn man seinen QR-Code nicht nachweisen kann.

Jede Lokalregierung handelt unterschiedlich

Zurück zur Long-Covid-Strategie der chinesischen Regierung. In den Augen Willeitners hätten auch die aktuell sehr harten Regelungen bisher nicht so viel gebracht wie im Jahr 2020. Es gebe immer noch punktuelle Lockdowns, in Suzhou sowie in Shanghai oder in anderen Städten in ganz China. Bei einer Handvoll Covid-19-Fällen bezogen auf eine Einwohnerzahl von bis zu zehn Millionen Menschen könnte man meinen, es wäre eine sehr gute Rate im Promille-Bereich. „Nach der Definition der chinesischen Führung aber nicht, weil es eben nicht Null sei.“ Deshalb würden schon bei wenigen Corona-Fällen Lockdowns verhängt.

Auch die Wirkung der angebotenen Impfungen hätte sich leider bisher nicht so bestätigt, als dass man dies als vollen Schutz betrachten könne. Vielmehr würden jetzt Reisebeschränkungen ausgesprochen und nur noch die direkte Fahrt zum Arbeitsplatz erlaubt. Jede Lokalregierung agiere dabei unterschiedlich, so Willeitner. Er habe mittlerweile bereits fünf verschiedene Apps auf seinem Handy installiert, die er brauche, um in andere, nahe gelegene Regionen zu reisen und Kunden oder Freunde zu treffen. Nach Shanghai oder sogar innerhalb der Provinz Jiangsu habe jede Stadt eine eigene App, die nach dem Scannen den QR-Code anzeigt.

Negativ sei, dass durch den Lockdown in Shanghai, den dazugehörigen Hafen und auch anderer Regionen der wirtschaftliche Schaden enorm ist. Willeitner, der als Geschäftsleiter bei der deutschen R&M Group in Kunshan, 25 Kilometer von Suzhou entfernt, für über 100 Mitarbeiter verantwortlich ist, weiß, wovon er spricht: „Wir spüren immer noch die Nebenwirkungen, wenn wir bei unseren Lieferanten von Übersee oder Regionen wie Shanghai einkaufen. Die Lieferzeiten sind länger und auch die Transportkosten sind gestiegen.“

In seinem Unternehmen hat sich die Auftragslage allerdings nicht wesentlich geändert, da dessen Produkte für alle Arten von Schiffen verwendet werden könnten. Im Schiffsbau ist es nach seinen Worten so: Gehe bei einer Art von Schiff die Nachfrage zurück (wie in der Coronazeit bei Kreuzfahrtschiffen), dann steige auf der anderen Seite die Zahl der Container-Schiffe. Man könne insoweit von einer fast stabilen Nachfrage sprechen.

Heuer soll es mit dem Besuch daheim klappen

Wie schon vor gut zwei Jahren stellt sich auch beim jetzigen Kontakt mit Max Willeitner die Frage, wann er denn seine Eltern in Anzenkirchen wieder besuchen wird. Dazu schreibt er: „Das letzte Mal habe ich im November 2019 Heimaturlaub gemacht. In 2022 wollte ich heim, aber dann kam der Ukrainekrieg dazwischen. In Konsequenz daraus mussten die meisten Airlines, so auch die Lufthansa, erst einmal neue Flugrouten finden, da die meisten über Russland zwischen Europa und Asien geflogen sind. Ich habe oft einen Heimatflug zwischen 2020 und 2022 gebucht, aber immer wieder gecancelt. Es lag einfach daran, dass sich über Nacht die Coronaregeln in China oder auch in Deutschland geändert haben. Die Folge: Ich hätte dann zwei Wochen in Deutschland in Quarantäne müssen und auch beim Rückflug in China wieder zwei Wochen. Momentan ist es so, dass ich in Deutschland keine Quarantäne mehr brauche, aber wenn ich nach China zurückfliege hier wieder sieben Tage. Auch lässt China nur noch eine gewisse Anzahl von Flügen zu, so dass hier auch ein Mangel an Flügen von Deutschland nach China herrscht und es schwer ist, wieder nach China einzureisen. Da muss man teilweise bereits Monate im Voraus planen und buchen.“

Willeitner ist trotzdem zuversichtlich, dass es mit dem Heimaturlaub doch in Bälde etwas wird: „Mein nächster Flug nach Deutschland ist Ende Dezember 2022. Ich habe vier Monate dafür geplant. Nach China geht es dann Ende Januar 2023 zurück.“