Theater an der Rott
Nur nicht abrutschen: "Bezahlt wird nicht" in Eggenfelden

18.10.2021 | Stand 21.09.2023, 0:12 Uhr

Sollte man eine Revolution anzetteln? Christine Garbe (v.l.), Stefan Wunder, Anna Vieira Auer, Ferdinand Ascher, Julia Ribbeck. −Foto: Rupert Rieger −F.: Rupert Rieger

Frisch, munter und herzhaft aufbegehrend wirkt die Komödie "Bezahlt wird nicht!" des italienischen Literaturnobelpreisträgers Dario Fo am Theater an der Rott in Eggenfelden im Landkreis Rottal-Inn. Eindrucksvoll inszeniert auf einer schrägen Ebene, heißt es, Balance zu halten und nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Die gegensätzlichen Einstellungen der Eheleute Giovanni und Antonia werfen die alte linke Frage auf, ob Reform oder Revolution die Gesellschaft besser macht. Während der Ehemann lieber hungert, als das Gesetz zu brechen, setzt die Ehefrau die Regeln des Kapitals punktuell außer Kraft.

Auf der Bühne gelingt in zweifacher Hinsicht Besonderes: Zum einen vermitteln fünf Schauspieler voller Esprit, wie die geknechtete Arbeiterschaft in der Grauzone zwischen Ladendiebstahl und Mundraub das Leben bestreitet. Nachdem Gelegenheit Diebe macht, fallen Antonia und Freundin Margherita die verrücktesten Geschichten ein, um alles wieder geradezubiegen. So entpuppt sich der Inhalt einer vermeintlich geplatzten Fruchtblase als Vinaigrette.

Zum Zweiten: Vor der Premiere lief es alles andere wie am Schnürchen. Zwei der fünf geplanten Akteure fielen kurzfristig aus. Doch im Zusammenspiel meistert das Ensemble den entstandenen Engpass bestmöglich. Christine Garbe steht für Vanessa Boritzka auf der Bühne und gibt Margherita überraschend sicher. Stefan Wunder spielt anstelle von Martin Puhl den Giovanni. In rosaroten Farben gekleidet, kauert er sich zusammen, arm, aber ehrlich. Dass er bei der Premiere kurioserweise mit Manuskript in der Hand auftritt, war nicht mehr zu vermeiden. Doch dramaturgisch stemmt er die Rolle einwandfrei.

Ganz besonders trägt Julia Ribbeck zum Gelingen bei. Als phänomenale Antonia fegt sie breitbeinig ganz in Blau über die Bühne. Ebenso überzeugen Ferdinand Ascher als Margheritas Ehemann Luigi sowie Anna Vieira Auer, die wie in Fos Vorlage im Wechsel Kommissar, Polizist und schrägen Alten verkörpert.

Ganz der Intention des vor genau fünf Jahren verstorbenen Literaturnobelpreisträgers gemäß, zaubert das Ensemble eine politische Farce auf die Bühne. Dass sich in dem Stück von 1974 alleine Frauen um den Haushalt kümmern, hat Fo auch in seiner Überarbeitung vor zwölf Jahren nach der globalen Finanzkrise nicht geändert. Den Bezug zur Jetztzeit stellt Regisseurin Petra Schönwald am Anfang gekonnt her: Die leere, dunkle Bühne im Blick hört das Publikum Original-Töne aktuell Beschäftigter aus dem Niedriglohnsektor: Kuriere, Pflegekräfte, Lagerarbeiter.

Auch wenn hierzulande niemand den Gürtel so eng schnallen muss wie im Italien der Siebzigerjahre: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer noch weiter auseinander. Typisch Fo ist es, die soziale Frage mit schräger Unterhaltung zu verbinden. Auch wenn im Rottal dafür bezahlt werden muss, sollte sich das Stück niemand entgehen lassen. Gerechter Lohn für die Akteure bei der Premiere am Sonntag: langer Applaus.

Herwig Slezak



Wieder zu sehen am Fr./Sa./So. 22./23./24. und am Fr./Sa./So. 29./30./31. Oktober; Fr/Sa ab 19.30 Uhr, So ab 18.30 Uhr, Karten unter 08721/1268980