Kinderpfleger in der Kiste
„Basti“ Baier: TuS-Torwart zwischen Tränen und Hallen-Finale: „Röcki war wie ein Bruder“

20.01.2024 | Stand 20.01.2024, 6:00 Uhr

Gleich kommt der Ball geflogen: Pfarrkirchens Torwart Sebastian Baier (links) beim West-Endturnier in Dingolfing. − Foto: Caroline Wimmer

1,98 Meter groß, 94 Kilo schwer − ein Fußball-Torwart mit Gardemaß: Aber Sebastian Baier (23), der Hüne im Tor der TuS Pfarrkirchen, hat auch eine innere Größe, er arbeitet als Kinderpfleger im Montessori-Kinderhaus Eggenfelden und ihm ist jüngst brutal bewusst geworden, dass es mit dem Dasein auf Erden auch ganz schnell vorbei sein. Daher: „Man sollte das Leben nehmen, wie‘s kommt und jeden Tag genießen.“ Das gilt natürlich auch für die niederbayerische Hallenmeisterschaft am Sonntag in Bogen. Ergo: „Wir nehmen alles mit, was kommt.“

Und beim West-Finale am vergangenen Samstag in Dingolfing nahmen die Rottaler alles mit, gewannen den Titel durch einen 2:0-Sieg gegen Ergolding. Dabei war das Endspiel beileibe nicht die härteste Prüfung für Baier & Co. an diesem Samstag. Am Vormittag nahmen er und einige Mitspieler an der Beerdigung ihres früheren Mitspielers Lukas Röckenschuß teil, der jüngst bei einem Verkehrsunfall gestorben war (die PNP berichtete). Dabei hätte die TuS eigentlich das erste Match des Turniers bestreiten sollen, aber der Veranstalter und Gegner Leibersdorf verständigten sich darauf, die Partie zu verschieben und am Ende der Gruppenphase auszutragen. „Das fand ich großartig“, sagt Baier in der Rückschau, der mit Lukas Röckenschuß mehr als einen guten Kumpel verloren hat. Der Torwart und der Stürmer teilten sich in der gemeinsamen Zeit bei der TuS nicht nur das Zimmer im Trainingslager, sondern redeten auch über Gott & die Welt. „Röcki war wie ein Bruder für mich, er war ein wundervoller Mensch.“

Daher überrascht auch eine Aussage des Keepers nicht: „Das Turnier war mir an diesem Tag eigentlich scheißegal.“ Doch dann rockten die Pfarrkirchner vielleicht für „Röcki“ die West-Meisterschaft ... mit einem „Bruder“ zwischen den Pfosten.

Und die stehen in der Halle bekanntlich enger zusammen als auf der grünen Wiese, daher fehlt Baier für sein Torwart-Spiel dort etwas der Platz, denn: „Ich mach’ mich lieber auf dem Boden breit.“ Aber: Auf dem Hallenparkett seien auch gute Reflexe und Standhaftigkeit in 1:1-Situationen gefragt – ein Plus für den großen Keeper. Insgesamt kickt Baier zwar lieber unter freiem Himmel, „aber ich liebe es seit der Jugend, in der Halle zu spielen“.

Apropos Jugend: Seit der D-Jugend steht der 23-Jährige in der Kiste, zuvor war er als Angreifer fürs Tore schießen zuständig – „uns das durchaus mit Erfolg“ will er sich nicht selbst über die Maßen selbst loben. Wie’s immer so geht: „Bei einer Partie fiel unser Torwart aus, und weil ich der größte war, schickte mich der Trainer ins Tor.“ Baier hat diesen Schritt nie bereut. Im Gegenteil: „Da kriegt mich keiner mehr raus.“

Es sei eben faszierend, so einen wichtigen Part in einer Mannschaft zu übernehmen. „Ein Torwart agiert immer auf des Messers Schneide. Ein Fehler und das Ding ist drin, aber es macht übelst Spaß, denn du kannst auch mit einer Parade zum Held werden.“

Seine sportliche Karriere besteht unterdessen nicht nur aus Glanztaten und -lichtern. So erlebte der 23-Jährige nach einer starken Bezirksliga-Runde in der Saison 22/23 ein Jahr mit dunklen Momenten. Der Pfarrkirchner wechselt zwei Etagen höhen zum Nachbarn nach Erlbach. Bayernliga. Er kennt und schätzt Trainer Lukas Lechner (35).

Mit dem Routinier Welder de Souza Lima bildet Baier das Torwart-Gespann bei den Holzländern. Doch schon im ersten Test-Spiel, beim Aufwärmen donnert ein Schuss gegen seine linke Hand. Baier schmerzt das Handgelenk, er bleibt jedoch im Tor. Vier Wochen trainiert er weiter, mit Schmerzen, dann will er Klarheit. MRT. Die Diagnose ist übel: „Ich habe vier Wochen mit gebrochenem Handwurzelknochen Fußball gespielt.“ Zwischenzeitlich hat sich eine Zyste im Knochen eingenistet, es geht nichts mehr.

Fast sechs Monate dauert es, bis der junge Torwart wieder in den Reihen des SVE steht, es reicht gerade einmal für drei Bayernliga-Einsätze, doch glücklich ist er nicht. „Ich war auch wahnsinnig nervös auf dem Platz“, gesteht der 23-Jährige. „Und mit Fußball und Arbeit und Arbeit und Fußball war es mir dann einfach stressig.“

Er zieht die Reißleine, kehrt vergangenen Sommer zur TuS Pfarrkirchen zurück. „Ich wollte wieder spielen“, erklärt Baier, „alles gut.“ Auch im Job, wo der Kinderpfleger den Grundsatz von Maria Montessori „Hilft dir selbst, es selbst zu tun“ lebt. Und dies kann der Torwart natürlich auch mit dem runden Leder verbinden: „An einem Nachmittag in der Woche gibt‘s von mir ein Projekt: natürlich Fußball.“ Und vielleicht folgt einer seiner Zöglinge ja dem Beispiel seines Kinderpflegers und stellt sich mal in die Kiste – und nicht nur weil er die richtige Größe dafür besitzt.