Vortrag zur Energiewende
Im Landkreis Regen werden 500.000 Euro am Tag für Öl, Gas und Kohle ausgegeben

09.04.2024 | Stand 09.04.2024, 18:00 Uhr

Zufrieden mit dem Besuch des Infoabends im Kolpingsaal waren (von links) Hans Madl-Deinhart von der Bürgerenergiegenossenschaft FRG, Referent Hans-Josef Fell, MdL Toni Schuberl (Grüne) und Organisator Dr. Egid Werner vom Kreisverband der Grünen. − Foto: Lukaschik

Er ist seit weit mehr als 30 Jahren ein Kämpfer für die erneuerbaren Energien, er ist der Vater des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) und der Einspeisevergütung, er saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag – und müde ist Hans-Josef Fell aus Unterfranken immer noch nicht, wie er bei seinem Auftritt am Montagabend im Regener Kolpinghaus gezeigt hat. Regen war Zwischenstation auf seinem Weg nach Wien, von dort weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate. Immer dabei ist seine Botschaft: Die Menschen müssen weg von Öl, Kohle und Gas, wenn der Planet eine (lebenswerte) Zukunft haben soll. Dass er bei seinem Auftritt im Kolpingsaal fast ausnahmslos Zustimmung geerntet hat, das hing vielleicht damit zusammen, dass die Veranstaltung vom Grünen-Kreisverband organisiert worden war. Aber auch damit, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber den erneuerbaren Energien im Landkreis Regen nicht ganz klein ist. Was an vielen PV-Anlagen auf Hausdächern und Wiesen, an kleinen E-Werken an den Bächen oder auch an den Biogasanlagen zu erkennen ist.

„Ölgeschäfte finanzieren Kriege und Konflikte.“



„Ölgeschäfte finanzieren Kriege“, sagte er und zeigte eine Karte mit den Konfliktherden der Erde, die sich oft mit den Förderstätten fossiler Energie decken. Und dass der Klimawandel besorgniserregende Züge angenommen hat, das bestätigen nicht nur die Bewohner des Ahrtals, sondern auch die Bayerwäldler, die an diesem 8. April auch einen Frühsommerabend auf der Terrasse hätten verbringen können.

Die spürbaren Auswirkungen der Klimaerhitzung bezeichnete er als „letzte Weckrufe, die wir aber noch nicht richtig ernst nehmen“. Und er warnte vor Scheinlösungen: Atomkraft, Erdgas – und auch die CCS-Technik, die Absonderung und Speicherung von CO2, das von Gaskraftwerken ausgestoßen wird, kam bei ihm nicht gut weg. Die CCS-Technik bringt zu wenig, weil schon bei der Gewinnung von Erdgas unheimlich viele Klimagase in die Atmosphäre entweichen, machte er deutlich. Sprach sich aber klar für die Förderung von CO2-Senken aus, wie Aufforstungen oder dem Aufbau von Humusboden.

PV-Boom und PV-Desaster



Dass die Politik mit dem EEG für einen Boom bei den PV-Anlagen und deren deutschen Produzenten gesorgt hat, erläuterte er ebenso wie die Entscheidungen in der Merkel-Ära, die diesem Industriezweig den Garaus gemacht haben. „90 Prozent der PV-Module werden jetzt in China produziert“, so Fell. Überhaupt China: BYD, der größte Elektroautoproduzent in China, baute 2023 fast genausoviele Elektroautos wie alle EU-Hersteller zusammen. „Der Niedergang der deutschen Industrie zeichnet sich ab, weil Deutschland zu lange auf Verbrennungsmotoren, Erdgas u.a. setzte“, ist in roten Lettern auf einer der Folien zu sehen, die Fell auf die Leinwand wirft.

Bekenntnis zur Windkraft



Dass für Fell auch die Windkraft unbedingt zum Mix der Erneuerbaren gehört, macht er auch klar. Bekommt aus dem Publikum die kritische Frage, ob der Flächenverbrauch und die Rodung von Waldflächen nicht ein zu großer Eingriff sind. Er widerspricht und sagt auch, dass durch die Vergrößerung der Windkraftanlagen ihre Leistung so zu steigern sei, dass nicht mehr Standorte nötig seien als gegenwärtig. Im Landkreis Rhein-Hunsrück habe man es geschafft, dass 70 Prozent der Erzeugung erneuerbarer Energie in Bürgerhand ist, dadurch sei eine Entschuldung der Kommunen möglich geworden, der Landkreis ist weitgehend energieautark.

„Machen Sie‘s, gehen Sie‘s an“, ermunterte Fell die Anwesenden, die Energieversorgung in die eigene Hand zu nehmen und auf regenerative Energien zu setzen. Ansätze sind im Landkreis geplant, wie Dr. Egid Werner, Grünen-Kreisrat, an dem Abend erläuterte. In der kommenden Woche wird der Kreistag die Gründung einer Energiegesellschaft beschließen. Die Gesellschaft soll mit 600000 Euro ausgestattet werden, 300000 Euro vom Landkreis, 300000 Euro von den Gemeinden. Die Gesellschaft soll die Planung von PV-Anlagen im Landkreis vorantreiben bis zur Genehmigungsreife. Und dann soll eine noch zu gründende Bürgergenossenschaft den Bau und den Betrieb der Anlagen übernehmen.

Energiegenossenschaft im Nachbarlandkreis



Wie eine solche Bürgergenossenschaft funktioniert, das erläuterte Hans Madl-Deinhart, einer der Vorstände der Bürgerenergie FRG eG, die sich vor gut zehn Jahren gegründet und mittlerweile zwei PV-Anlagen gebaut hat. Knapp 170 Mitglieder habe die Genossenschaft. „Auch in den Zeiten, in denen es keine Dividende gegeben hat , sind sie bei der Stange geblieben“, erzählte Madl-Deinhart, es seien doch überwiegend Idealisten bei der Genossenschaft dabei, denen es um regionale Wertschöpfung gehe, um regionale Energieerzeugung, um den Abschied von der fossilen Energiewirtschaft.

Das seien auch alles Ziele der noch zu gründenden Energiegenossenschaft im Landkreis Regen, so Egid Werner, der mit einer Zahl verdeutlichte, wie groß die Wertschöpfung sein könnte. Gegenwärtig werden im Landkreis pro Jahr 180 Millionen Euro für Gas, Öl, Kohle und Treibstoffe ausgegeben. Tag für Tag rund 500000 Euro. Die Energie könnte auch im Landkreis erzeugt werden – und das Geld würde im Landkreis bleiben.