Kirchberg/Regen
Blackout-Vorsorge der Gemeinden: Zwischen Minimal-Version und Aktionismus

Kreisbrandrat Keilhofer sieht Gemeinden in der Pflicht – rät aber zu Augenmaß bei den Maßnahmen

05.05.2023 | Stand 25.10.2023, 12:19 Uhr

Fällt der Strom aus, dann kann zunächst eine Kerze im Haus helfen – längerfristig aber geht es bei großflächigen Blackouts nicht ohne technische Vorbereitung der Gemeinden. −Fotos: dpa

Die Gasmangellage im vergangenen Jahr hat das Thema drängend werden lassen: Was tun, wenn Strom und Gas wegbleiben? Das Schreckgespenst eines großflächigen Blackouts treibt seither die Kommunen um. Am vergangenen Mittwoch hat der Kirchberger Gemeinderat das Thema erörtert (siehe Bericht unten), in Rinchnach gab es Beratungen zwischen den gemeindlichen Feuerwehren und Bürgermeisterin Simone Hilz über einen Notfallplan. In Viechtach, Teisnach und Kollnburg befassten sich die Gemeinderäte mit der Frage, wie man sich angemessen vorbereiten könne.

Kreisbrandrat Hermann Keilhofer, Teil des Katastrophenschutz-Teams im Landkreis, hat diese Diskussionen mit gemischten Gefühlen beobachtet. Denn die Bandbreite reiche hier von einer Haltung des „geht uns doch nichts an“ bis hin zum Aktionismus. „Das Thema geht die Gemeinden selbstverständlich an“, stellt er klar, „denn sie sind in ihrem Bereich die unterste Katastrophenschutzbehörde.“

Damit sollte sich jeder Rathaus-Chef im eigenen Interesse zumindest um eine minimale Blackout-Vorsorge kümmern, meint der Kreisbrandrat. Also: Sich zu überlegen, wo die Bürger auf die Schnelle unterkommen könnten, wenn daheim die Heizung kalt bleibt. Und wo sie ihr Handy aufladen können, wenn der Strom weg ist.

Konkret geht es dabei zunächst um die Installation von Einspeisepunkten etwa an Feuerwehrhäusern oder Schulturnhallen, über die mobile Stromaggregate angedockt werden können. „Aber wenn in einer Gemeinde diskutiert wird, wo die Leute kochen können und dass man eine Vorratshaltung an Konserven anlegen müsse, dann muss ich sagen: Stopp, es geht nicht darum, sich auf kriegsähnliche Zustände vorzubereiten.“ Allerdings liege die Entscheidung bei den Gemeinden, sie müssten auch nicht die Katastrophenschützer im Landratsamt darüber informieren.

Im Vordergrund steht die Aufrechterhaltung der Kommunikation

Aus Sicht des Chef-Feuerwehrlers im Landkreis ist Keilhofer vor allem das Thema Kommunikation wichtig, und hier sieht er die Feuerwehren gut aufgestellt. Auch wenn man mittlerweile komplett auf Digitalfunk umgestellt hat, ist die analoge Funk-Ausrüstung noch komplett vorhanden. „Wir sind Gott sei Dank nicht aufs Handy angewiesen, zur Not können wir per Funkmeldeempfänger den Kontakt herstellen.“ Auch gewisse Vorräte an Treibstoff für Fahrzeuge und Geräte gibt es. Deshalb sehe er in diesem Feld einem Blackout relativ gelassen entgegen, meint Keilhofer, Probleme befürchte er dagegen bei Gemeindeverwaltungen und Behörden, weil hier sofort alles stillsteht, wenn die Computer keinen Strom bekommen.

Auch im Kreis-Katastrophenschutz ist man deshalb aktiv geworden. Man plant Tankmöglichkeiten für den Notfall, spielt die Versorgung von Dialysepatienten im Blackout-Fall durch. Auch der Landkreis schafft Notstromaggregate an, die zunächst einmal die Kommunikation sicherstellen sollen. Auch die Erneuerung der Sirenen auf vielen Rathäusern und Feuerwehrhäusern in jüngster Zeit steht im Zusammenhang mit der Blackout-Vorsorge: Die neuen Sirenen sind akku-gepuffert und können so eine Zeit lang ohne Netz-Strom alarmieren.

− jfKirchberg wählt die Kompromiss-Lösung „Auch wenn es unwahrscheinlich ist, können wir einen großflächigen Stromausfall nicht völlig ausschließen.“ Dieser Satz fiel in einer Mail, die die Gemeinde Kirchberg am Dienstag von ihrem Stromversorger Bayernwerk erhalten hat. Schon einen Tag später stellte Bürgermeister Robert Muhr im Gemeinderat ein Konzept für einen möglichen Blackout in Kirchberg vor.Das Konzept war allerdings unabhängig von der Mail des Bayernwerks entwickelt worden. Bereits zuvor hatte das Landratsamt eine Mail an die Rathäuser der Gemeinden geschickt, sich um die Sicherstellung der Stromversorgung bei einem Blackout zu kümmern. Als Teil der Daseinsvorsorge ist es Aufgabe der Gemeinden, bei einem großflächigen Stromausfall die Versorgung der Bürger und die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur gewährleisten zu können.In Kirchberg sieht das von Bürgermeister Robert Muhr vorgestellte Blackout-Konzept als erstes die Bildung eines Krisenstabs, angeführt vom Bürgermeister, vor. Die operativ-organisatorische Leitung unterliegt Feuerwehrkommandant Tobias Ertl, die administrativ-operative Leitung übernimmt Geschäftsleiter Helmut Huber. Als wichtigste Handlungsfelder, die bei einem Blackout abzusichern sind, nannte Muhr das Rathaus, die Feuerwehr, die Wasserversorgung, die Kläranlage und Pumpstation, den Bauhof sowie die Schule und den Kindergarten.Für die Bürger sollen im Krisenfall mehrere zentrale Anlaufstellen eingerichtet werden. Vorgesehen sind hierfür neben dem Rathaus die Feuerwehrhäuser Kirchberg, Untermitterdorf, Zell, Mitterbichl und Raindorf. Turnhalle soll Notunterkunft werdenZusätzlich soll die Möglichkeit überprüft werden, aus der Dreifachturnhalle eine Notunterkunft zu machen, da dort auch Duschen vorhanden sind. Dafür sollen alle Anlaufstellen mit Notstromeinspeisemöglichkeiten und Dieselaggregaten ausgerüstet werden. Hierfür sei mit der Firma Neumeier abgesprochen worden, dass der Diesel von deren Tankstelle genutzt werden dürfe, berichtete Muhr. Zusätzlich sollen zwei Dieseltanks mit jeweils 950 Liter Volumen im Bauhof platziert werden.Insgesamt würde die Umsetzung der geplanten Maßnahmen die Gemeinde 272 300 Euro kosten, rechnete Kämmerer Thomas Gigl vor. Der Betrag setzt sich aus der Anschaffung der zwei Dieseltanks zu je 2500 Euro, der TÜV-Abnahme der Gebäude für 3000 Euro, der Vorbereitung von sechs Einspeisepunkte am Rathaus und den fünf Feuerwehrhäusern zu je 2500 Euro und der Anschaffung von sechs 30- kVa-Aggregaten zu je 41 650 Euro zusammen. Bei den Aggregaten bestehe aber eine Besonderheit, so Gigl: „Wenn wir die Anschaffung der Aggregate öffentlich ausschreiben, schreibt der Gesetzgeber vor, dass die Aggregate möglichst emissionsneutral sind.“ Daher komme der hohe Preis zustande, weniger emissionsneutrale Aggregate seien wesentlich günstiger.Mit der tatsächlichen Umsetzung des Konzepts war Gemeinderat Jörg Schüren (SPD/FWG) allerdings nicht einverstanden: „Die Vorgaben vom Staat sind Hirngespinste von Leuten, die keine Ahnung haben. Wir sollten den Vorschlag zur Kenntnis nehmen und nichts machen. Mir ist die Zeit zu schade, die ich mit diesem Schmarrn vergeude. Die Leute in den Ministerien bekommen es nicht hin, darum wälzen sie es auf die Gemeinden ab.“Bürgermeister Muhr gab zu bedenken, dass es auf ihn als Hauptverantwortlichen zurückfalle, wenn im Krisenfall etwas nicht funktionieren sollte, und die Vorbereitung auf einen Blackout auch deswegen nötig sei. Gemeinderat und Landratskandidat Dr. Ronny Raith (CSU) stimmte dem zu und appellierte an die Verantwortung, die der Gemeinderat gegenüber den Bürgern habe. Auch Kämmerer Thomas Gigl erneuerte den Standpunkt der Gemeindeführung, solche Krisenszenarien nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und zumindest ein Konzept für den Eintrittsfall in der Schublade zu haben.Bei der Frage nach der Notstromversorgung sah Jörg Schüren noch ein weiteres Problem und stellte die Frage, ob die Versorgung mit Diesel für die Aggregate wirklich sichergestellt sei, schließlich sei die Firma Neumeier ein Unternehmen und könnte den Sprit auch teuer privat verkaufen. In den vielen Solaranlagen auf dem Kirchberger Gemeindegebiet sah Gemeinderat Josef Hackl (Kirchberg und Umland) die Lösung dafür: „Wenn der Krisenfall eintritt, muss der Solarstrom unserer Gemeinde hier bleiben.“ Technische Umsetzungsvorschläge und eine rechtliche Einschätzung, ob das überhaupt möglich wäre, gibt es aber noch nicht.Kompromisslösung bei der UmsetzungSchlussendlich stellte Ronny Raith einen Kompromissvorschlag zur Abstimmung, dem auch Bürgermeister Robert Muhr zustimmen konnte. Statt der fünf Feuerwehrhäuser sollen nur die FFW-Häuser in Kirchberg, Untermitterdorf und Zell mit Notstromeinspeisepunkten ausgestattet werden. Wobei das Feuerwehrhaus Kirchberg schon ausgerüstet sei, wie Gemeinderat und Feuerwehrkommandant Tobias Ertl (CSU) bestätigte. Des Weiteren sollen im Rathaus und der Turnhalle, für deren Nutzung als Notunterkunft vor allem Felix Ulrich (SPD) plädierte, die Einspeisepunkte vorbereitet werden. Von der Anschaffung von Notstromaggregaten und Dieseltanks wird aus Gründen der Zurückhaltung und Sparsamkeit vorerst abgesehen. Die Möglichkeit, den auf dem Kirchberger Gemeindegebiet produzierten Solarstrom im Krisenfall zu nutzen, wird überprüft. Dem Vorschlag stimmte der Gemeinderat mit acht zu fünf Stimmen zu, das Blackout-Konzept mit dem grundsätzlichem Ablauf im Krisenfall segnete der Rat einstimmig ab. − skr