Grafenau
Über 400 halten Mahnwache in Unterhüttensölden

22.01.2024 | Stand 22.01.2024, 15:12 Uhr
Petra Uhrmann

Landwirt Thomas Ecker erzählt von den Problemen, vor welche ihm die überbordende Bürokratie auf seinem Betrieb stellt. − Foto: Uhrmann

Zum „Feuer der Gemeinschaft“ haben der Bayerische Bauernverband und Landwirt Thomas Ecker aus Unterhüttensölden am vergangenen Sonntag geladen. Die Einladung zu der sehr kurzfristig organisierten Mahnwache hatte sich ausdrücklich nicht nur an Landwirte, sondern auch an Mittelständler, Rentner und normale Bürger gerichtet, welche mit der aktuellen Politik unzufrieden sind. Über 400 Menschen mit 150 Pkws und etwa 75 Traktoren sind der Einladung gefolgt.

Der Tenor unter den Besuchern und Rednern war wie in zahlreichen Veranstaltungen zuvor einhellig: Es geht so nicht weiter, der Kosten- und Bürokratiedruck in allen Bereichen ist zu hoch. Trotz der in der vergangenen Woche in Sachen Agrardiesel negativ verlaufenen Haushaltssitzung im Bundestag dürfe man sich nun nicht entmutigen lassen. „Das Mahnfeuer war eine friedliche Veranstaltung als Zeichen des Zusammenhalts. Ab nächster Woche werden aber wieder deutlichere Protestaktionen geplant!“, zeigt sich Veranstalter Thomas Ecker kämpferisch. Wie gestern bekannt wurde, treffen sich am kommenden Freitag, 26. Januar, die Landwirte laut Kreisobmann Siegfried Jäger um 9 Uhr am Volksfestplatz in Freyung, bevor sie gegen 10 Uhr Richtung Grenze zur symbolischen Blockade des Übergangs bei Philippsreut losfahren (siehe auch Seite 19).

„Schon seit meiner Jugend wollte ich hier in Unterhüttensölden ein Festival planen. Dieser Traum ging nun in Erfüllung. Aber mit traurigem Grund: Das System ist völlig aus dem Ruder gelaufen“, begrüßte Ecker die Besucher. Gemeinsam mit seiner Familie bewirtschaftet er einen Hof mit 70 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, rund 80 Milchkühen sowie einer Käserei in Direktvermarktung. In seiner Jugend habe der Betrieb rund 35 Milchkühe gehabt, mit denen man gut über die Runden kam. Heute sei man trotz des mehr als doppelten Viehbesatzes auf jede zusätzliche Einnahmequelle angewiesen. „Ich arbeite 80 Stunden pro Woche. Doch aufgrund der immer weiter ausufernden Bürokratie komme ich oft nicht zu meiner eigentlichen Arbeit auf dem Hof“, klagte er. „Als ich meinem Vater nach Abschluss der Lehre gesagt habe, dass ich den Betrieb übernehme, ist er vor Freude in Tränen ausgebrochen. Wenn heute einer meiner Söhne zu mir kommt, müsste ich ihm abraten“, resümiert der Landwirt.

Präsident Siegfried Jäger begrüßte im Namen des Bauernverbands die zahlreichen Besucher und die Ehrengäste FDP-MdB Muhanad Al Halak, CSU-MdB Thomas Erndl, FW-MdL Martin Behringer, Schönbergs Bürgermeister Martin Pichler, Kreisbäuerin Elke Binder, BDM-Vorsitzender Albin Gigl sowie Landwirt und Redner Max Kölbl.

Mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir habe man einen Landwirtschaftsminister, bei dem das Gesagte nicht mit dem Geschriebenen zusammenpasse: So habe Özdemir bei der Eröffnung der Grünen Woche noch zu verstehen gegeben, zu sehen, dass die Bürokratiebelastung ein großes Problem in der Landwirtschaft sei. „Und dennoch kommen mit dem Bundeswaldgesetz und dem entwaldungsfreien Lieferkettengesetz gleich zwei neue Bürokratiemonster auf uns zu. Für jeden Baum, der zum Sägewerk gebracht wird, sind dann ein Zertifikat und Geodaten nötig. Überwacht durch Satelliten werden bei Zuwiderhandlung hohe Strafen angedroht“, informiert Jäger.

Für ihn sei es ungewohnt, auf „Nachbarterritorium“ zu sprechen, dennoch sei es ihm ein Anliegen, zu zeigen, dass die Kommunalfamilie fest an der Seite der Landwirte und des Mittelstands steht, so Schönbergs Bürgermeister Martin Pichler: „Wir sehen eure Belastungen. Es läuft in den Kommunen genauso – ich nenne nur die kommunale Wärmeplanung. So geht“s nicht weiter. Aber leider ist es in der Politik oft wie beim Wein: Man weiß erst nachher, welche Flasche man gewählt hat.“

Mit Zahlen und Fakten stieg Biolandwirt Max Kölbl aus Unterhüttensölden in seine Rede ein: Habe ein Bier im Gasthaus in den 1980er Jahren durchschnittlich 1,30 DM gekostet, zahlt man heute rund 3,70 Euro. Beim Milchpreis gestalte sich dies anders: Dieser lag vor 35 Jahren bei 80 Pfennig, heute bei rund 45 Cent, also kaum mehr als damals. „Welche Branche kann so was überleben?“, so Kölbl: „Überleben können viele von uns nur durch Zuerwerb und die oft kostenlose Hilfe von Nachbarn oder Verwandten.“

Kölbl betreibt einen Biobetrieb mit 70 Hektar Land, aber keinem einzigen eigenen Rind. Jungrinder eines Partnerbetriebs beweiden als Pensionstiere seine Flächen. „Ich bin stolz Landwirt zu sein. Aber eigentlich bin ich nur noch Prämienjäger.“ Mit der Kombination etlicher Umweltschutzprogramme komme er auf einen Durchschnittssatz von etwa 950 Euro pro Hektar. Das sei allerdings kein universell anwendbares Modell: „Würden alle meinem Beispiel folgen, würde das Subventionsmodell zusammenbrechen. Weil man sich den Umweltschutz, wie man ihn haben möchte, in der Form gar nicht leisten kann.“

Es sei ein Unding, dass man in Deutschland vom Pflanzenschutz, übers Fischen bis hin zum Hundehalter einen Sachkundenachweis benötige – als Politiker aber nicht mal unbedingt eine abgeschlossene Ausbildung.

MdB Thomas Erndl und MdL Martin Behringer stießen ins gleiche Horn und sprachen den Landwirten ihre Solidarität aus. „Es ist ein wunderbares Bild heute hier und es ist wichtig, weiterhin auf die Straße zu gehen und für ihre Interessen einzustehen. 90 Prozent der Bevölkerung stehen hinter euch“, so Behringer.

Kreisbäuerin Elke Binder rief dazu auf, sich immer daran zu erinnern, dass die Landwirte zahlenmäßig und als Wähler zwar eine Minderheit seien, jeder einzelne im Land aber auf sie angewiesen ist. Wichtig sei weiterhin der neu entstandene Zusammenhalt: „Lasst euch nicht auseinanderbringen. Wer hat denn was davon, wem ist daran gelegen, uns zu entzweien? Nur der aktuellen Regierung.“

BDM Vorsitzender Albin Gigl ging mit gewohnt deftigen Sprüchen auf die Thematik ein. Den Landwirten sei über die letzten Jahre von der Politik der Stolz und damit auch der Mut genommen worden. Nun habe man sich beides zurückgeholt. Schnell sei versucht worden, die Proteste in die rechte Ecke zu drängen, dabei sei es die Regierung mit ihrer verfehlten Politik, welche die Bürger in Scharen in die Hände der AfD treibt, so Gigl. „Wir sind keine Rechten. Wir wollen nur zeigen, dass es so wie es jetzt läuft, nicht weitergeht.“

Obwohl erst nicht als Redner angekündigt, ergriff abschließend auch FDP MdB Muhanad Al-Halak das Wort – welcher trotz seiner Zugehörigkeit zur Regierungspartei auf wertschätzende Worte der anderen Redner zählen konnte: Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Regierungspartei laufe er nicht weg, sondern habe sich bisher auf allen Demos der Kritik gestellt. Auch er sehe in Berlin, dass sich viele Politiker aus Angst, in eine bestimmte politische Ecke gestellt zu werden, überaus vorsichtig in ihren Aussagen gäben. „Ein Problem, das ich nicht habe, ich habe schließlich selbst Migrationshintergrund“, so der gelernte Abwassermeister. Es sei wichtig, dass Probleme offen und ehrlich angesprochen werden können, ohne gleich verurteilt zu werden. Er wolle sich weiterhin in Berlin für die Belange der Landwirte einsetzen und habe sich auch bei der jüngsten Abstimmung gegen seine Fraktion gestellt.

Polizei und Feuerwehr zeigten sich abschließend zufrieden mit dem Ablauf der Veranstaltung. Es sei alles friedlich und gut organisiert verlaufen.