Spiegelau/Bodenmais
Essen – ein Stück Heimat

09.01.2022 | Stand 22.09.2023, 1:35 Uhr

Küchenchef und Fotograf Andreas Weber aus Spiegelau (l.) und Therapieleiter Florian Seemann sind das kreative Duo im Pflegeheim St. Benediktus, das jetzt eine Auszeichnung eingefahren hat. −Fotos: Frisch/Andreas Weber

Dampfnudeln, Sterz, Fingernudeln mit Sauerkraut – wer jemals mit solchen Delikatessen aus der Waidlerküche verwöhnt worden ist, vergisst sie ein Leben lang nicht. Vertraute Speisen schmecken nach Heimat, sie vermitteln Geborgenheit – gerade im hohen Alter, wenn die Sinne nachlassen. Deshalb kommt in der Seniorenresidenz St. Benediktus in Bodenmais regelmäßig regionale Hausmannskost auf den Tisch. Im vergangenen Herbst ist man dort tiefer in das Thema eingetaucht, im Rahmen des einwöchigen bayernweiten Projektes "Essen schafft Heimat – Geschmackserinnerungen wecken", angestoßen vom Kompetenzzentrum für Ernährung, das dem Landwirtschaftsministerium zugeordnet ist.

"58 Senioreneinrichtungen haben die Idee umgesetzt, alte Rezepte gesammelt, Fotobücher und Plakate gestaltet oder Videos gedreht. Im St. Benediktus ist unter der Regie von Therapieleiter Florian Seemann (33) und Küchenleiter Andreas Weber (60) aus Spiegelau unter anderem eine professionelle Fotoserie entstanden. Ihre kreative Herangehensweise an das Thema hat den Bodenmaisern einen der beiden Sonderpreise beschert. Insgesamt sind zehn Preise vergeben worden.

Der Anstoß war von Geschäftsführer Heinz Greger gekommen. "Das Thema Essen beschäftigt unsere Bewohner täglich", erzählt "Flo" Seemann. "Wos gibt’s’n heid zum Middog?" interessiert viele schon kurz nach dem Frühstück. In der täglichen Therapie- und Betreuungsarbeit bieten er und seine Kollegen gerne Angebote rund ums Essen an. "Es spricht alle Sinne an, weckt Gefühle und Erinnerungen und verbindet die Menschen", weiß der Therapeut.

In der wöchentlichen Koch- und Backgruppe geben die Senioren ihr Wissen weiter und zaubern gemeinsam mit den Betreuungsassistenten und Therapiemitarbeitern Schmankerl, schwärmt Seemann. Das mache viel Spaß, fördere die Gemeinschaft und biete eine sinnvolle Tätigkeit im Alltag.

Dass die rund 60 Bewohner täglich frisch bekocht werden, ist für Küchenchef Andreas Weber Ehrensache. Gesund, regional und saisonal ist sein eigener hoher Anspruch an die Verköstigung der Senioren. Der 60-jährige Spiegelauer ist mit kulinarischen Traditionen der Region bestens vertraut. Deshalb hat er die Bewerbungsunterlagen um Informationen zur kargen Ernährung im Bayerischen Wald vom 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts ergänzt.

Seemann befragte die Heimbewohner nach ihren Lieblingsspeisen und alten Rezepten aus der einfachen, und doch geschmackvollen niederbayerischen Küche. Mit einem Audiorekorder hat er seine Recherche dokumentiert, um alle Feinheiten der Rezepte einzufangen. Was eine echte Herausforderung war. Denn oft erinnerten sich die Senioren nicht an genaue Gewichtsangaben bei den Zutaten. Dann hieß es "das kann ich nicht erklären, das habe ich im Gefühl".

Dieses Gefühl in irgendeiner Weise künstlerisch festzuhalten, das sahen sie als Hauptziel ihres Projektes an. Und dabei spielte ein Talent des Küchenchefs eine wichtige Rolle: Andreas Weber ist ausgezeichneter Fotograf. Er funktionierte täglich für etwa eine Stunde den Besucherraum im St. Benediktus zu einem Fotostudio um. Die Ideen für seine Motive schöpfte er aus den Interviews, die Florian Seemann geführt hatte – oder aus dem Alltag in der Seniorenresidenz.