Grafenau
"Das macht mich stolz bis heute"

24.04.2020 | Stand 19.09.2023, 23:30 Uhr

Werden und Vergehen: Tote Bäume und Jungwuchs am Großen Rachel. Ein typisches Landschaftsbild im Nationalpark Bayerischer Wald. Die Idee eines Waldnationalparks stammt von Prof. Wolfgang Haber. −Foto: NPV, Ohland

Dank seines Gutachtens wurde Deutschlands erstes Großschutzgebiet, der Nationalpark Bayerischer Wald, vor 50 Jahren eingerichtet: Prof. Wolfgang Haber (94), Wegbereiter der wissenschaftlichen Ökologie in Deutschland, erinnert an seinen größten Erfolg, mahnt aber auch die unbequemen Wahrheiten der Ökologie an. Ein Gespräch.

Pioniere erkennt man gemeinhin an den Pfeilen im Rücken: Sie waren in führender Position an der Errichtung des Nationalparks Bayerischer Wald als erstem deutschem Großschutzgebiet beteiligt. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Ich erinnere mich sehr gut und gerne daran: Ich wurde 1966 an die TU München berufen, um dort die Ökologie als Wissenschaft aufzubauen. Genau in dieser Phase erreichte mich der Auftrag des Deutschen Rats für Landespflege, in einem Gutachten zu untersuchen, ob ein Nationalpark in Deutschland errichtet werden könne und ob das im Bayerischen Wald am sinnvollsten sei.

Selbst unter Naturschützern war das Thema damals umstritten, war ein Nationalpark doch weder im Naturschutzgesetz noch in der deutschen Naturschutztradition vorgesehen. Vor allem der damals sehr einflussreiche und prominente Zoologe Bernhard Grzimek forcierte die Idee eines deutschen Nationalparks, wobei ich im Gespräch mit ihm herausfand, dass es ihm dabei zuallererst um große Tierherden ging, wie sie im Serengeti-Nationalpark in Tansania vorzufinden sind.

Ich machte ihm klar, dass ein solches Tiererlebnis in der Natur Mitteleuropas nicht möglich ist. Daraufhin hat Hubert Weinzierl den Bayerischen Wald vorgeschlagen und an seine Argumentation auch die Erwartung geknüpft, dass ein Nationalpark die strukturschwache Region am Eisernen Vorhang auch wirtschaftlich beleben würde – was im Grunde gar kein Naturschutzgedanke ist.

Ich reiste daraufhin wochenlang in den Bayerischen Wald – als Norddeutscher und gerade nach Bayern Zugereister kannte ich das Gebiet ja nur dem Namen nach –, durchwanderte ihn und unterhielt mich lange mit den Menschen dort. Mit Befürwortern eines Nationalparks genauso wie mit Gegnern.

Und welchen Schluss zogen Sie daraus?
Ich schrieb in mein Gutachten, dass ein Nationalpark nach Serengeti-Vorbild nicht machbar ist, weil Deutschland die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Stattdessen könnte man als völlig neuen Ansatz einen Waldnationalpark schaffen und das Erlebnis der Tierwelt auf naturnahe Freigehege konzentrieren. Dieser Vorschlag hat mich natürlich in Widerstreit mit engagierten Naturschützern gebracht, fand jedoch im Bayerischen Landtag breite Zustimmung. Das hat mich überrascht und macht mich stolz bis heute.

− apo

Das komplette Interview lesen Sie in der Wochenendausgabe des Grafenauer Anzeiger