Freyung-Grafenau
FRG-Intensivstationen: "Im Augenblick ist die Situation entspannt"

Pandemiearzt Dr. Thomas Motzek-Noé über aktuelle Arbeit, Erwartungen und anstehende Operationen

19.01.2022 | Stand 21.09.2023, 23:21 Uhr

Weniger Covid-Patienten in den Intensivbetten: Auf den zuletzt so belasteten Stationen der beiden Kreis-Krankenhäuser (auf dem Foto Freyung) gibt es derzeit wieder mehr "geplante Behandlungen". −Fotos: Karl

Vor wenigen Wochen war der Landkreis Freyung-Grafenau coronabedingt eher unrühmlich bundesweit im medialen Interesse und über etliche Tage der nationale Hotspot in Sachen Inzidenz, die stabil um die 1500 lag. "Was im November Freyung-Grafenau war, ist jetzt Bremen. Und die ,Bundespresse‘ ist jetzt nach Norden gezogen, worüber wir nicht traurig sind, da es bedeutet, dass wir aktuell nicht im Mittelpunkt sind und es somit auch wenig Negatives zu berichten gibt", sagt FRG-Pandemie-Beauftragter und Kliniken-Chefarzt Dr. Thomas Motzek-Noé, der zu Hotspot-Zeiten oft bei Pressekonferenzen und Medienterminen im Mittelpunkt stand.

Inzidenz 333,1 und zwei Covid-Intensivpatienten

Obwohl der FRG-Inzidenzwert am Mittwoch im Vergleich zum Vortag um gut 70 Punkte auf 333,1 anstieg (Vortag 261,6), lag man damit im Vergleich zu Bayern (607,1) und bundesweit (584,4) weit unterm Durchschnitt. Von 20 Intensivbetten in den beiden Landkreis-Kliniken sind aktuell 16 belegt – zwei davon (12,5 Prozent) mit Covid-19-Patienten. Keiner muss beatmet werden. Ist dies in den Krankenhäusern, wo im November Intensivpatienten noch in weiter entfernte Kliniken überführt werden mussten, eine Phase zum Durchschnaufen? Die PNP hat bei Dr. Thomas Motzek-Noé nachgefragt.

Die Hospitalisierungsrate hat sich zuletzt verbessert. Wie ist der aktuelle Stand in den beiden FRG-Kreiskliniken mit Blick auf die Corona-Belastungen in den Intensivabteilungen?
Dr. Thomas Motzek-Noé: Im Augenblick ist die Situation entspannt, da die Maßnahmen der letzten Welle, von der wir sehr betroffen waren, noch wirken.

Müssen noch Patienten von hier verlegt bzw. von anderswo aufgenommen werden?
Aus eingangs erwähntem Grund muss aktuell auch niemand verlegt werden, um Kapazitäten zu sichern.

Wie schätzen Sie als Spezialist die aktuelle Situation und die kommenden Tage und Wochen ein – Stichwort: Omikron-Anstieg?
Wir wissen es nicht. Man ist auf die Einschätzungen des Robert Koch-Instituts und anderer Gesundheitsorganisationen angewiesen, da sie die Auswertungen weltweit kennen und auch analysieren.

Natürlich besteht die Hoffnung, dass die Omikron-Variante nicht so schwere Verläufe mit sich bringt. Das Problem wird aber dann die große Anzahl an Patienten sein, die erkranken. Um es zu verdeutlichen: Bei einem schweren Verlauf benötigen von 100 Patienten zehn ein Krankenhaus, bei einem leichten Verlauf nur einer von 100. Wenn jetzt aber die

"Von normalem OP-Ablauf aber noch weit entfernt"

schwere Variante nicht so ansteckend ist und nur 1000 Menschen erkranken, dann benötige ich hier 100 Krankenhausbetten. Wenn die leichtere Variante hochansteckend ist und 10000 Menschen erkranken, benötige ich auch 100 Krankenhausbetten.

Können derzeit wieder mehr "herkömmliche" und planbare Operationen – Tumoren, Herzkrankheiten, Gelenke etcetera – vorgenommen werden, weil freie Bettenkapazitäten vorherrschen?
Im Moment werden wieder geplante Behandlungen durchgeführt, die dringlicher sind und – soweit abschätzbar – kein Risiko auf längere Intensivstations-Aufenthalte bergen. Tumor-Operationen oder auch viele Herzkathether-Untersuchungen fanden aber immer statt, da man sich hier kein Aufschieben erlauben kann, ohne dass der Patient Schaden nimmt. Von einem normalen OP-Ablauf sind wir aber noch weit entfernt, da wir innerhalb weniger Tage Personal- und Platzkapazitäten schaffen können müssen.

Wie ist der Stand auf den Normalstationen? Liegen dort derzeit viele Infizierte, die aber wegen des überschaubaren Krankheitsverlaufs weniger aufwendig zu betreuen sind?
Auch auf Normalstationen ist die Lage sehr entspannt.

Wie ist die aktuelle Personalsituation in den Kreiskliniken? Sind überdurchschnittlich viele Kolleginnen und Kollegen wegen Omikron infiziert? Oder können sogar wegen entspannter Situation Überstunden der letzten Wochen abgebaut und kann etwas "durchgeschnauft" werden?
Da viele Mitarbeiter geimpft und geboostert sind und sich an strikte Einhaltung der Hygieneregeln halten, haben wir derzeit so gut wie keine Ausfälle durch Corona-Infektionen. Ein "Durchschnaufen" ist leider nicht möglich – auch durch die gestiegene Nachfrage. Zum Beispiel haben Patienten in den Wochen im Dezember das Krankenhaus trotz schwerer Erkrankung gemieden und kommen jetzt. Ebenso mehr Nicht-Corona-Notfälle. Wir haben geschlossene Stationen wieder geöffnet und Mitarbeiter sind auf ihre "Stammstation" zurückgekehrt. Auch wird durch die steigenden OP-Zahlen das Operations-Personal wieder gebraucht.

"Können innerhalb von Stunden reagieren"

Gibt es – mit Blick auf die infektiöse Omikron-Variante – Notprogramme und Mehrschicht-Pläne, um die sensible Medizin-Infrastruktur aufrechterhalten zu können? Binnen welchem Zeitraum könnte man wieder neue Einsatzpläne oder gar nötige Stationsschließungen vornehmen?
Nach fast zwei Jahren Pandemie haben wir so viel Erfahrung gesammelt, dass wir innerhalb von Stunden reagieren können. Begrenzend wird nur sein, wie viele Mitarbeiter selbst betroffen sind und in Isolation und/oder Quarantäne müssen. Darauf kann man sich nicht vorbereiten, da der übermäßige Mitarbeiterausfall eine Grenze darstellt, die nicht planbar ist.

Wie schaut es aus mit den angekündigten Bonuszahlungen von Seiten des Bundes und des Freistaats für die strapazierten Mitarbeiter?
Es gibt noch keine konkrete Festlegung zur Verteilung der im Koalitionsvertrag festgehaltenen einen Milliarde Euro für die Pflegekräfte. Die Höhe und die Anspruchsberechtigten werden aktuell noch auf der Bundesebene diskutiert.