Großarmschlag
Der Stausee als ein Prosecco-Hotspot

08.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:20 Uhr

Der Levitenleser Markus Trauner (von rechts) konnte sich auf die ZuträgerInnen Dani Röckl und Alexander Ritzinger ebenso verlassen wie auf Jonas Ritzinger, der mit einem „Making-Of“ zum Live-Starkbierfestes verriet, wie sich das Dorf erst wieder „präsenz-fest-fit“ machen musste. −Foto: privat

Die Weltlage drückt der Lustigkeit aufs Gemüt. Und so braucht es eine große Motivation für Bruder Markus, die Klause zu verlassen und den „Eibmschlägern“ die Leviten zu lesen. Aber es tut halt so not. Weil die Leute offenbar gar nicht gescheiter werden. Das neunte Mal erhob er Stimme und „Löwen-Gral“.

Wird die psychologische Einbürgerungshürde in der Grafenauer Vorstadt vielleicht erst bei einem markanten Promillegehalt überwunden? Wird die Leitkultur hier in Litern gemessen? Investigativ recherchiert und addiert entspräche der Promillegehalt aller Sünden „mit Vergärungshintergrund“ am Ort in etwa den kompletten jährlichen Starkbierausstoß an Passauer Löwenbock. Und da wird auch noch der eine oder andere Bärenbock aus „Urbi et orbi“, also Stadt und Umland, hinzu geschossen.

Es könnte aber auch sein, dass die gemütlichen Großarmschläger mit den ganz neuen Denkrichtungen in der Welt nicht ganz mithalten können und deshalb wertemäßig etwas orientierungslos herumirren. Mit Verwunderung blicken da einige in die Welt hinaus, wo sich die „Letzten“ mit Sekundenkleber in Kreuzungen „bappen“, um die Natur zu retten, während die Dörflerseele gerade wegen diverser Bio-Gehölze brodelt.

Die so liebevoll geteerten, gepflasterten oder Feng-Shui-verschotterten Einfahrten oder Vorgärten werden ja durch deren Blatt-Abfall unerträglich ökovermüllt; also weg damit! Da sollten sich die Kartoffelbreiwerfer vielleicht mal dran ketten, um Grün vor Kettensägen zu retten, forderte Bruder Markus.

Das mit dem Klimawandel; da müsse man halt etwas flexibler werden und dann mal im August zum Skifahren gehen. Dafür bräuchte man ja im Winter nicht ganz so mit dem lästigen Schneeräumen-Müssen rechnen. Als es zu Lichtmess noch „völlig überraschend“ weiße Flocken massenhaft runter gehaut hatte, da war der Räumzuständige offenbar auch schon etwas überrascht. Ausgerechnet die Straße zum Feuerwehrhaus, die wichtigste Rettungsroute weit und breit, lag so „still und stad“ vergessen da wie damals der tief verschneite Pfad nach Bethlehem.

An Ausrücken wäre also kaum zu denken gewesen, hätte der Jobst´n Sepperl nicht samt privater kommunaler Vollausstattung den Notpflug gemacht. Vielleicht hätten sie gar noch einen wichtigen Einsatz verpasst.

Rettung für den attraktivsten Abgeordneten

Rettung nötig hatte der „brennende Wüstensohn“ von Grafenau, der seiner politischen Linie getreu die tatsächliche Linie des Straßenverlaufs verlassen hatte. Als FDPler muss der Muhanad Al-Halak ja klar gegen ein Tempolimit sein. Aber man muss mit Freiheit für freie Bürger ja auch erst mal auf rutschigeren Untergründen zurechtkommen. Aber zum Glück ist die besonders blendende Kauleiste ja heil geblieben, damit er weiter Insta- und Tik-Tok-tauglich um Stimmen wettstrahlen kann. Sonst hätte der Landkreis ja nicht mehr den attraktivsten Abgeordneten der Republik. Also: Freie Fahrt für Klimawandel. Damit der Teer schön griffig bleibt!

Den Schwerverkehr behindern sich die Großarmschläger ja ohnehin lieber selber, indem sie so gekonnt Kurven-Radien verparken, so dass der Schulbusfahrer wegen der entsprechenden Verfluchung dann regelmäßig beim Markus zum Beichten erscheinen muss.

Zum Glück wäre ja vieles fußläufig erreichbar. Seit der Römer aber bis in die abgelegene Reismühle gezogen ist, muss der sein Recruiting verstärken. Als Beleg dafür, dass dort ganz nette, „griabige“ und normale Kollegen zu finden wären, sind jetzt ein paar Bereitwillige vor die Social-Media-Kamera getreten. Der eine (Namen sind dem Prediger bekannt) im Mantel; wie ein Exhibitionist kurz vor dem Aufreißen desselben. Einer aus der Chefetage, der grinst wie der Pförtner der Unterwelt. Und „da Röckl“. Der muss sich jetzt noch einen Termin im Tattoostudio von den Hells Angels geben lassen, damit er auch halbwegs ins Schema passt. Ob das Marketing funktioniert?

Mit optischen Verfehlungen wurde ringsum nicht gespart. Der Bürgermeister schaut öfter mal aus, als hätte er beim Glööööckler geshoppt. Ein zu enges rosa Glitzerhemd macht keinen Supermann, befand Bruder Markus. Manche Räte hätten beim Säumerzug am Kopf eher ausgeschaut wie drei von den sieben Zwergen mit schlappen Zipfeln. Und die dicke Haube vom Behringer sollte wohl auch eher gegen historische Klänge dämmen. Mittelalterklang statt Blasmusik; das hat aber wenigstens einen Fitnessaspekt. Beim Marschieren hinter dem pfeifenden Dudelsack her ging es im Schritt extra hoch getaktet den Stadtberg rauf. Bei der Kirche angelangt hätte es fast schon letzte Ölungen für die röchelnden Räte gebraucht, hörte man.

Das Dorffest wäre fast im Stimmungsloch versumpft

Jetzt aber wirklich ins Dorf zurück: Der neue Kaplan ist wohl von seinen Vorgängern geimpft worden, dass er dem Laster so lange widerstehen solle, wie er kann. Also dem Frauenbund. Er solle unbedingt bei der Apfelschorle bleiben, um nicht die Würde des Doktortitels mit ungebührlicher Lustigkeit zu beschädigen. Dabei geht es Gerüchten nach mit dem Glauben hier eh bergauf, seit der Schützenverein zum Kirchenpatrozinium halboffiziell mit dem Attribut „katholischer"“ umbenannt wurde. Jetzt muss er am „Kranzldog“ einen Altar schmücken, darf aber dafür auch mit großer Abordnung an der zünftigen Leberkäs-Maiandacht teilhaben. Man muss halt nur Ernstes mit Flüssigem hinterlegen. Schon stimmt die Resonanz.

Wie bei diversen Ritzingerschen Sozialarbeitsdorfsitzungen, bei RMC-Vereinsversammlungen oder bei Reservisten-Orga-Treffen zur Planung des künftigen Social-Media-Auftritts. Die Nebenwirkungen müssen eben in Kauf genommen werden, wenn nächtens verlorene Handys triefend am Not-Biesel-Platz wiedergefunden werden, wenn die Prüfung von Aufnahmeanträgen zum „Un-Sexyes-Man-Plantschen“ in der Dorffroschlache verkommt oder wenn offenbar alle Mitglieder den gleichen Arbeitsauftrag ausführen und am Sonnwendfeuerplatz so viele Müllabladeverbotshinweise an Pfosten eingeschlagen werden, dass für das nächste Feuer schon automatisch genügend Pflockholz zusammen kommt.

Dafür wäre das Dorffest fast im Stimmungsloch versumpft, weil die After-Volksfestinzidenz die Zünftigen reduziert hatte und die neue Musik wohl nur dem ganz typischen Fernsehgartenpublikum aus Funk und Fernsehen bekannt gewesen sein könne. Erst als die Dorfjugend die eigene Playlist auf die mitgebrachte Boom-Box eingespielt hat, wehten Dezibel und Stimmung wieder über den Anger und erklangen die Massen. Nun gäbe es als Ausgleich für die einarmigen Stemmwettbewerbe ja auch echt sportliche Aktionen am Dorf.

Die Lusengruppe muss wohl aber dennoch mitten im Bewegungsdrang an einer Infozentrums-Theke falsch abgebogen sein, weil sie dann vor lauter Glücks-Trank die Rückfahrt mit der Bahn verschlafen hat. Zum Glück funktioniert ja der Privat-ÖPNV noch, weil einer der Junioren einen Zugang zu einem Firmenbus hatte, um „Mütter in Not“ zu retten. Der Stausee wird auch immer mehr zum Fitness-Areal. Gut, dass es dort nicht so weit ist, wenn man einmal rum ums Gewässer am Kofferraum endlich wieder am Prosecco-Hotspot angelangt ist.

Da wundert sich der Prediger nicht, dass Wunsch und Wirklichkeit weiterhin weit auseinander liegen. Immerhin, die Angst der Organisatoren, ob die Großarmschlager nach zwei downgelockten Online-Leviten-Lesungen überhaupt noch das Präsenz-Predigen vertragen, die war unberechtigt. Die Feuerwehr dämpfte allerdings den harschen Ruf des Asketen aus der Klause mit flüssigem Gehörschutz von innen. Fast schien es, Bruder Markus hätte vor Wut geschäumt …; oder war das bei ihm auch nur der Bierschaum?

− eb