Gergweis
Sebastiani-Prozession entfällt auch in diesem Jahr

20.01.2022 | Stand 20.09.2023, 3:47 Uhr

Die Prozession, bei der der heilige Sebastian in alter Tradition durch das Dorf getragen wird, muss auch heuer Corona-bedingt entfallen.

Der Sebastiani-Tag ist seit jeher ein wichtiger Lostag. Das belegen viele Bauern- und Wetterregeln wie "Zu Sebastian fangen Tag und Baum zu wachsen an", aber auch "An Sebastian da fängt der rechte Winter an".

Der Gedenktag des Hl. Sebastian steht am 20. Januar im Kalender. Der Legende nach stand der Märtyrer des frühen Christentums als Offizier im Dienst des römischen Kaisers Diokletian. Als dieser von Sebastians Bekenntnis zum Christentum erfuhr, befahl er ihm seinem christlichen Glauben abzuschwören. Da Sebastian sich standhaft weigerte, übergab der Kaiser ihn den Bogenschützen. Die banden ihn an einen Baum und schossen unzählige Pfeile auf ihn. Bilder und Statuen des Hl. Sebastian zeigen ihn in seinem Martyrium, an einem Baum gebunden und von Pfeilen durchbohrt.

Er gilt als Patron der Gerber, Gärtner und Töpfer sowie der Soldaten, Kriegsinvaliden und der Sterbenden. Seit dem Mittelalter wird er insbesondere als Schutzheiliger gegen die damals in Europa grassierende Pest angerufen. In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg gelobten die Menschen vielerorts Prozessionen zu Ehren des heiligen Sebastian und zum Dank für seinen Beistand.

Auch in Gergweis gibt es ein solches Gelöbnis. In dem Dorf und den umliegenden Orten raffte die Seuche teilweise die halbe Bevölkerung dahin und löschte ganze Familien aus. Aufzeichnungen aus der Pfarrchronik belegen das verheerende Ausmaß der Epidemie: Am 16. und 17. September 1626 erlagen der Pest Melchior und Magdalena Strauß, am 18. und 23. Oktober die beiden "Straubinger Leut", 1630 Andreas Mayer in Göttersdorf, im Januar 1634 Johann Peissendorfer in Rüchendorf und Andreas Steinberger in Heimersdorf. Weitere Pestopfer waren 1636 H. Gerl von Galgweis, ein Jahr später der Bräuknecht Wolfgang Ohlberger von Gergweis, 1634 forderte der "Schwarze Tod " in Gergweis 46 Opfer, die Kinder nicht mitgezählt. Allein am 13. Oktober starben Kollinger und sein Sohn, Mayerhofer und seine Mutter, eine Magd und ihre Tochter. Zwei Tage später waren es der Totengräber und sein Weib, die Magd und eine Schwester mit ihrem Sohn. Der 18. und 19. Oktober forderten jeweils zwei weitere Opfer.

Der 20. Oktober wurde der Todestag von Rauscher und Pfeifer mit Weib und Tochter. Drei Tage darauf starben ein Bewohner von Absdorf und ein Knecht von Gergweis, am 24. eine Magd, am 16. November ein Mann und eine Magd und zwei Tage später ein Sohn des Stümpfl. Die letzten Toten des unheilvollen Jahres waren "der Straubinger" und "die Straubingerin". 1637 traf das bittere Los einen Martin von Linden in Göttersdorf.

Auch in den Jahren 1639 bis 1648 sind Pest-Sterbefälle aufgezeichnet. Am schlimmsten wütete die "Geißel Gottes", wie die Krankheit damals auch genannt wurde, im ersten Jahr nach dem Westfälischen Frieden (1649). An einem Tag starben zwei Schwestern des Demmelbauern, eine Woche später die beiden Auerleut. Es starb auch Katharina, welche die Toten begrub. In den Monaten August bis November raffte die Pest in Gergweis insgesamt 101, in Absdorf 15, in Gainstorf vier, in Göttersdorf 26, in Oberndorf vier, in Galgweis zwei und in Willing 25 Menschen dahin.

Gergweiser Pfarrbürger gelobten nach dem großen Peststerben, alljährlich am Gedenktag des Hl. Sebastian dessen Statue durch den Ort zu tragen. Ab der Gemeindegründung im 19. Jahrhundert war die politische Gemeinde Ausrichterin der Prozession. In den 1960er Jahren wurden aus den Kirchen im Zuge der Neugestaltung viele Heiligenfiguren entfernt. Dieser "Entrümpelungsaktion" fiel in Gergweis auch der Hl. Sebastian zum Opfer. Deshalb gab es ab 1963 zwanzig Jahre lang keine Prozession. Erst im Jahre 1984 führte Pfarrer Josef Hengl das Gelöbnis wieder ein, und seither wird die Prozession alljährlich am Samstag oder Sonntag um den 20. Januar abgehalten.

Wegen der aktuellen Pandemie-Situation kann am kommenden Sonntag, 23. Januar, die Statue des Hl. Sebastian nicht nach alter Tradition durch das Dorf getragen werden. Das Pestgelübde wird daher im Rahmen des Gottesdienstes um 10 Uhr in der Pfarrkirche erneuert.

− eib