Deggendorf
Weniger Straßenkriminalität im vergangenen Jahr

05.03.2021 | Stand 21.09.2023, 6:10 Uhr

Das Amtsgericht hielt während des ersten Lockdowns nur eilbedürftige Entscheidungen ab. −Foto: Archiv

Weniger Zivil- und Strafverfahren sowie weniger Bußgeldverstöße, dafür Anstiege bei Grundbuchangelegenheiten und Nachlass-Sachen – diese Bilanz zieht Eva Nistler, Direktorin am Deggendorfer Amtsgericht, vom vergangenen Jahr.

Bundesweit gehen die Zivilsachen zurück, dieser Trend hat nun auch das Amtsgericht erreicht: 1159 Verfahren sind 2018 eingegangen, 2020 waren es nur mehr 1002. Da das Personal in der Zivilabteilung nicht reduziert wurde, hätten Rückstände vollständig abgebaut werden können, obwohl die Justiz wegen der Pandemie von März bis Mai nur mit Einschränkungen arbeiten konnte, erläutert Eva Nistler.

"Bei den Familiensachen gibt es noch keine Auffälligkeiten", stellt Eva Nistler fest. Bei den Scheidungen könne wegen des geltenden Trennungsjahres noch keine Aussage getroffen werden. In der Weihnachtszeit war eine Zunahme von Gewaltschutzanträgen zu verzeichnen. Hintergrund war meist ein Streit um gemeinsame Kinder.

Bei den Strafverfahren gab es nur beim Jugendrichter und den Schöffengerichten, also den schwereren Straftaten, einen Anstieg. Die leichtere "Straßenkriminalität" – also Taten, die in den Zuständigkeitsbereich des Strafrichters beim Amtsgericht fallen, haben abgenommen. Dies dürfte auf die mit der Pandemie einhergehenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie den Lockdowns zurückzuführen sein. Volksfeste, der Straßenverkehr und das Nachtleben fanden nicht oder nur sehr eingeschränkt statt, weshalb vor allem Delikte unter Alkoholeinfluss, Körperverletzungs- und Straßenverkehrsdelikte abnahmen. Auch die vorübergehend geschlossenen Grenzen behinderten die Einfuhr von Rauschgift oder Schmuggelware. Dass der Verkehr auf der Autobahn abgenommen hat, macht sich in der Bußgeldabteilung bemerkbar. Dafür kamen die Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz neu hinzu.

Die Anzahl der Unterbringungssachen im Rahmen von Betreuungen blieb nahezu unverändert. Eine deutliche Abnahme gibt es bei Abschiebehaftsachen, weil diese Pandemie-bedingt kaum durchgeführt werden.

Die starke Zunahme von Grundbuchsachen führt die Amtsgerichtsleiterin auf den unveränderten Bau- und Immobilienboom zurück. "Es war ein signifikanter Anstieg von Wohnungseigentumsanlagen zu verzeichnen, weil derzeit jeder noch vorhandene Bauplatz bzw. jedes verfügbare, bebaute Grundstück mit Wohnungen bebaut wird", so Nistler. Und: Weil die Notare keinen Lockdown hatten, wurde das Grundbuchamt mit Vorlagen nahezu überschüttet. Zudem seien Bürger offensichtlich vermehrt bestrebt, ihre Verhältnisse zu ordnen, z. B. durch Übergaben.

Bislang sind kaum neue Insolvenzen hinzugekommen. Völlig offen ist, wie es weitergeht, wenn die teilweise Aussetzung der Insolvenzantragsfrist wegen der Corona-Pandemie wieder zurückgenommen wird. Aktuell ist sie bis 30. April dieses Jahres befristet.

In der Nachlassabteilung ist in den letzten Jahren eine stetige Zunahme zu beobachten. Die Gründe dafür liegen in der demografischen Struktur, der Eröffnung neuer Pflegeheime und Anlagen für betreutes Wohnen. Vor allem im vierten Quartal des Vorjahrs registrierte das Nachlassgericht einen sprunghaften Anstieg, den es auf die Pandemie-bedingte Übersterblichkeit zurückführt. Bei den Testamentsverfahren stieg die Zahl von 1170 im Jahr 2018 auf 1368 im Vorjahr; bei den sonstigen Nachlassverfahren von 1233 auf 1354.

Der Einbruch im Vereinsregister von 334 im Jahr 2018 auf 207 im Vorjahr ist laut Nistler auf das Pandemie-bedingte Brachliegen des Vereinslebens zurückzuführen: Wo Mitgliederversammlungen nicht abgehalten werden können, steht auch nichts zur Eintragung im Vereinsregister an. Zwangsversteigerungen und -waltungen sind wegen des Immobilienbooms noch auf einem niedrigen Niveau. Obwohl das Amtsgericht inzwischen wieder in Normalbetrieb läuft, bittet Eva Nistler den Parteiverkehr auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.

− she