Donaufestival Deggendorf
Fanta Vier und Cro: Gipfeltreffen der Hip-Hop-Generationen

15.08.2022 | Stand 25.10.2023, 11:48 Uhr

Sucht und findet trotz der Maske, seines Markenzeichens, die Nähe zu seinem Publikum – der 32-jährige Cro begeistert auf dem Deggendorfer Donaufestival 10000 meist junge Zuschauer. −Fotos: Schmatz

Die Fantastischen Vier und Cro begeisterten auf dem Deggendorfer Donaufestival am Wochenende rund 10.000 Zuschauer.

Ein paar tausend Menschen tanzen auf dem Volksfestplatz in Deggendorf. In ihrem Rücken geht die Sonne unter. Sie taucht die Künstler auf der Bühne in goldenes Licht. Zwischen die Tanzenden hat sich eine einzelne Straßenlaterne verirrt. Doch die stört den Veranstaltungsfluss des ersten Deggendorfer Donaufestivals kaum. Am Freitag und Samstag sind hier das Alte und das Neue aufeinandergetroffen. Ein Publikum mit Tendenz 40 aufwärts, eines zwischen 15 und 25 Jahren alt. Geübte Bühnen-Profis sind aber alle – die Sprechgesangs-Veteranen der Fantastischen Vier und der Pop-Rapper Cro.

Insgesamt 18.500 Zuschauern an drei Tagen
Oliver Forster , Geschäftsführer von Cofo Entertainment aus Passau, hat mit der Veranstaltung viel riskiert. Als die Vorbereitungen begonnen haben, war noch nicht klar, ob die Corona-Maßnahmen diese Größe überhaupt zulassen. Bei insgesamt 18.500 Zuschauern an drei Tagen – am Sonntag fand noch eine Schlager-Sause u.a. mit Howard Carpendale statt – steht viel auf dem Spiel. "Wenn so etwas zum ersten Mal stattfindet, muss man erst einmal viel Überzeugungsarbeit leisten", so Forster.

"Nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, das uns vom Drama einer Kultur berichtet", steigen die Fantastischen Vier direkt mit einem Hit ein. "MfG – mit freundlichen Grüßen" drängt sich quasi auf als Startsong. Jede Sekunde sitzt. Die Rapper Smudo, Michi Beck und Thomas D – alle über 50 – stehen in einer Reihe vorne auf der Bühne. Ihr Gesang gleicht einem Gespräch – ergänzend, fragend. Das jahrelange Touren merkt man in jeder Bewegung und jedem Blick.

Der Nachteil: Die Gespräche auf der Bühne wirken künstlich. Ein bisschen so, als wären sie schon tausendmal geführt worden. Dafür stimmt die Musik bis auf die letzte Note. Besonders eindrucksvoll: Fanta Vier schaffen es, den Ortsnamen spontan und ohne jegliches Zögern in die Songs einzubinden. So sprechen sie in "Einfach sein" von dem Mädchen Deggi. Und das wirkt: Die Tribünen beben nicht nur wegen des Basses, sondern auch, weil gesprungen, getrampelt und geklatscht wird. Einzig bei ihrem "Friedenslied" wird es ruhig um die Fantas da oben. Sie rufen auf, den Becherpfand einer Aktion gegen Nazis zu spenden (lautgegennazis.de). Die Aktion kommt gut an, die Musik weniger.

Mit "Troy" lockert sich die Stimmung noch einmal, bevor die Fantas die Bühne verlassen. Und dann heißt es laut "Zugabe" aus dem Publikum. Aber wo bleiben sie denn? Die ersten machen sich bereits auf zum Gehen, als sie nach ein paar Minuten herausgerannt kommen. Dafür entschädigen die Künstler mit Hits wie "Die da" und "Zusammen". Jetzt steht und springt auch das Publikum auf den Sitzplätzen. Die Fantastischen Vier aus Stuttgart haben die Messlatte hoch gelegt für einen weiteren Schwaben, den 32-jährigen Carlo Weibl aus Mutlangen.

Der ist besser bekannt als Cro – der Künstler, der Rap und Pop zusammen gebracht hat. Ihn erwarten am Samstag bei drückender Hitze 10.000 Besucher – hauptsächlich junge Frauen zwischen 15 und 25 Jahren. Es gibt kein Durchkommen mehr. Heute hat Deggendorf Großstadt-Flair.

Cro hat zwei Tage zuvor sein neues Album "11:11" vorgestellt und kann neben den alten Hits auch mit Neuem dienen. Wer nur einen Song des Superstars live erlebt, versteht seinen Erfolg – und damit auch die Macht, die seine Maske eigentlich hat: Denn sie dient nicht nur, um die Privatsphäre des Künstlers zu wahren, sondern sorgt auch dafür, dass man sich angesprochen und gesehen fühlt. Cro setzt auf Nähe. Er baut eine Bindung zu seinen Fans auf. Aus der Menge schreien Besucher: "Wir lieben dich." Er ignoriert sie nicht, sondern hält inne. "Ich liebe euch mehr", versichert Carlo.
Seine Musik ist weniger Kritik an der Gesellschaft als vielmehr eine Art, seine Gefühle nach außen zu tragen. "Es geht hoch, ich halt mich fest, denn ich bin nich’ schwindelfrei", singt er. Und später: "100.000 Likes, doch ich fühl mich allein." Cro gibt sich verletzlich und das spricht seine jungen Fans an. Während Bands wie Rammstein Berlin zum Brennen bringen, sitzt Cro am Klavier und wünscht sich mit seinem Song "hoch" nach oben, wünscht sich bergauf, dahin wo die Gute-Laune-Musik hergekommen ist, die ihn berühmt gemacht hat.

Mit "Blessed" geht es dann Rap-typisch wieder zurück zum Materialistischen. Denn "Wo ne Villa ist, ist auch ein Weg", ist Cro sich sicher. Geld hat er genug, betont der Rapper in vielen seiner Songs. Trotzdem ist er sympathisch, wie er mit halb-aufgeknöpftem Hemd vor sich hin summt, während er auf den nächsten Song wartet.

Bei "Meine Gang", "Easy" und "Einmal um die Welt" singen alle mit. Die Tribünen wackeln – nicht so sehr wie bei den Fantas am Vortag, aber immerhin. Bei den ruhigen Songs leuchten 10.000 Handylichter in der Nacht. Früher wären es Feuerzeuge gewesen. Carlo sitzt auf seiner Bühne, als wäre es sein Wohnzimmer und singt von "Unendlichkeit". Keine Politik, keine Gesellschaftskritik. Es ist die Angst vor dem Vergessenwerden, vor dem Alleinsein, die ihn umtreibt.