Neubau Krankenhaus in Bad Reichenhall: „Verantwortung tragen wir alle gemeinsam“

Oberbürgermeister Lung will alles für den Erhalt des Standorts tun

25.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:09 Uhr

Wo geht‘s hin, nach der ersten Amtszeit? Zu dieser Frage hielt sich Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung im Interview mit der Heimatzeitung bedeckt. Andere beantwortete er in aller Offenheit. −Foto: Tanja Weichold

Ob er noch einmal antritt, darauf will sich Dr. Christoph Lung noch nicht festlegen. Zur Halbzeit seiner ersten Amtsperiode als Oberbürgermeister sprach die Heimatzeitung mit ihm über aktuelle Themen, von der Einbruchserie über den Krankenhausneubau bis zu seinen Hochzeitsvorbereitungen.

Eines Ihrer Wahlkampfversprechen war, Themen anzugehen, die schon lange anstehen ...
Lung: ... das tun wir auch. Es geht nicht alles so schnell wie ich mir das wünschen würde, das gebe ich zu, aber wir haben vieles angestoßen und schon einiges verbessert.

Was ist schon erledigt?
Lung: Ein kleines Beispiel ist das Bürgerinformationssystem, das haben wir umgesetzt, Bürger können sich zum Beispiel die Unterlagen zu den Stadtratssitzungen herunterladen. Dahinter steht das Thema Digitalisierung der Verwaltung, das ist ein Dauerthema.

Ein Thema im Stadtrat waren kürzlich Beschlüsse aus der Ära Ihres Vorgängers Dr. Herbert Lackner, die liegen geblieben sind. Wie war denn der Übergang von der Ära Lackner zur Ära Lung?
Lung: Wir haben inzwischen schon einen guten Teil aufgearbeitet, aber wir sind immer noch dabei. Zum Beispiel der Geschäftsverteilungsplan, der regelt, wer im Rathaus für was zuständig ist, wurde seit 2008 nicht aktualisiert. An solchen Beispielen sehe ich schon, dass wir eine gewisse Zeit des Stillstands hatten. Das kann in drei Jahren nicht völlig aufgeholt werden, aber ich habe viele motivierte Mitarbeiter, die auch dankbar dafür sind, dass sie klare Ansagen und Direktiven bekommen, wie wir politisch vorgehen wollen.

„Ehrlich sein und Dinge auf den Tisch legen“

Im Stadtrat gibt es einige sehr erfahrene Charaktere. Wie ist da Ihre Strategie?
Lung: Ich versuche immer ehrlich zu sein und Dinge auf den Tisch zu legen und ich glaube, dass das trotz aller Konflikte anerkannt wird. Generell meine ich, dass die Suche nach einem Krankenhausstandort gezeigt hat, was es ausmacht, wenn Oberbürgermeister, Verwaltung und Stadtrat an einem Strang ziehen. Das verstärkt die Schlagkraft unglaublich. Leider ist es so, und das betrübt mich sehr, dass wir auch Themen haben, wo diese Einheit nicht da ist, zum Beispiel beim Tourismus- und Stadtmarketing. Da muss es das Ziel sein, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, sonst gibt es viele Reibungsverluste.

Sie meinen zum Beispiel beim Umzug von Touristinfo und Stadtmarketing aufs Luisenbad-Areal, den der Stadtrat rückgängig gemacht hat? Was zahlt die Stadt denn dort an Miete für die Räume, die sie nicht nutzt?
Lung: Das kann ich nicht auf den Euro genau sagen. Momentan sind die Räume leer, aber mein Wunsch ist, dass wir eine Lösung finden und den Umzug zustande bringen. Da ist manches schiefgelaufen, auch in der Kommunikation. Aus dem Mietvertrag kommen wir zu vertretbaren Konditionen nicht raus.

Sehr kontrovers diskutiert hat der Stadtrat kürzlich über die Online-Teilnahme an Sitzungen. Bedauern Sie, dass der Antrag abgelehnt wurde?
Lung: Mit der Diskussion haben wir uns keinen Gefallen getan. Unabhängig von Parteibindungen ist da aber auch eine Konfliktlinie zum Tragen gekommen: Wie viel Neues wollen wir wagen, wie fortschrittlich wollen wir sein? Mich hat der Ausgang eher betrübt, eine Stadträtin wollte ihr Amt bestmöglich erfüllen und Neues wagen, es gab sogar eine Mehrheit, aber nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Zusammenhalt im Stadtrat fördern und mehr Schlagkraft entwickeln

Werden Sie das Thema erneut aufgreifen?
Lung: Es gilt der Grundsatz: Abgestimmt ist abgestimmt. Was ich aber nach der Corona-Zeit machen möchte, ist mehr Möglichkeiten zu bieten, bei denen das Gremium außerhalb der Sitzungen zusammenkommen kann, da geht es auch um das Gesellige, damit alle merken, dass wir gemeinsam mehr erreichen können.

Sie sagten, dass beim Krankenhausneubau alle an einem Strang ziehen. FWG-Stadtrat Fritz Grübl hat den geplanten Standort gegenüber der Rupertus Therme aber in einer Sitzung scharf kritisiert und auch in der Bevölkerung gibt es Gegenstimmen. Wie groß ist Ihre Sorge, dass doch noch was dazwischen kommt, zum Beispiel ein Bürgerbegehren?
Lung: Fritz Grübl hat denen eine Stimme gegeben, die bezweifeln, dass wir ein neues Krankenhaus brauchen. Aber wenn man sich die Herausforderungen heute anschaut, muss man zum Schluss kommen, dass der Neubau die beste Lösung ist. Relativ große Besorgnis gibt es noch bei den Naturschutzverbänden, da haben aber auch schon konstruktive Gespräche stattgefunden. Ich hoffe sehr, dass niemand leichtfertig mit dem Thema umgeht, es geht darum, die Gesundheitsversorgung der Stadt auf Jahrzehnte zu sichern. Ich will nicht erleben müssen, dass Reichenhall kein Krankenhaus mehr hat – das ist, was auf dem Spiel steht.

„Krankenhäuser im ländlichen Raum werden plattgemacht“

Wie groß ist aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass Reichenhall am Ende ohne Krankenhaus dasteht, auch hinsichtlich der bundesweit bevorstehenden Klinikreform?
Lung: Wir müssen den Verantwortlichen der Kliniken AG dankbar sein, weil sie die Kernpunkte der Reform der Bundesregierung schon mitgedacht haben. Wenn ich die Reform richtig verstehe, werden damit kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum plattgemacht. Wenn das so kommt, müssen wir uns so aufstellen, dass wir weiterhin eine Klink mit möglichst breiter Versorgung haben und dass auch Berchtesgaden und Freilassing mit klaren Schwerpunkten eine Zukunft haben.
Nochmal nachgefragt: Wie sicher sind Sie, dass das Krankenhaus in Reichenhall gebaut wird?
Lung: Wir werden alles dafür tun, jeder der sagt, er will aktiv dagegen angehen, muss sich klar sein, was er damit riskiert, es ist nicht selbstverständlich, dass es in Reichenhall immer ein Krankenhaus gibt, die Verantwortung tragen wir alle gemeinsam.

Meinen Sie, auch Max Aicher wird nicht müde, für Piding zu kämpfen?
Lung: Max Aicher tut sehr viel für Reichenhall, aber beim Krankenhausstandort kommen wir nicht überein.

Sie haben schon mehrfach deutlich gemacht, dass der Krankenhausneubau für die Stadt Priorität hat. Welche drei Themen stehen aus Ihrer Sicht derzeit ganz oben auf der Agenda?
Lung: Das Krankenhaus gehört sicherlich dazu, unsere Aufgabe ist es jetzt, den Bebauungsplan zu fertigen. Anfang Februar gab es schon einen Scoping-Termin, bei dem alle entscheidenden Träger öffentlicher Belange mit am Tisch saßen. Die Planungen arbeitet momentan ein Planungsbüro aus, der nächste Schritt ist die formelle Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Als zweites Thema sehe ich das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Nach der Auftaktveranstaltung im Januar werden die nächsten Schritte eine interne Werkstatt und Ende April eine Auftaktwerkstatt mit der Bürgerschaft sein. Das wird uns in diesem Jahr bewegen. Als drittes Topthema würde ich aktuell den Hofwirt nennen. Wir werden den Bebauungsplan, den wir vor einem Jahr beschlossen haben, nochmal aufschnüren, weil es inzwischen einen Betreiber gibt, der noch kleine Änderungen möchte. Es wird ein Vier-Sterne-plus-Hotel der Marke Autograph werden, die zur Gruppe Marriott International gehört.

Innerstädtische Flächen für Wohnbebauung nutzen

Ein weiteres großes Thema ist bezahlbarer Wohnraum. Wie weit ist das Vorhaben, dass die städtische Wohnbau GmbH mehr bauen soll?
Lung: Wir haben die WBG neu aufgestellt und sind noch dabei, die Strukturen zu schaffen und uns die ersten Projekte vorzunehmen. Gestern haben wir über die Auenstraße gesprochen, weil wir da noch im Frühjahr einen Vorstoß machen wollen, um das Projekt anzugehen, auch mit der Anwohnerschaft. Parallel laufen Überlegungen, wo wir weitere Bebauung planen können, wir wollen uns Flächen im innerstädtischen Bereich anschauen, versiegelte Flächen nutzen. Parkplätze sind schon lange in der Diskussion, aber die Überlegungen sind noch nicht konkret genug, um mehr zu sagen.

Ist auch ein Einheimischenmodell geplant?
Lung: Das haben wir in der Zeit noch nicht anpacken können, es hat auch viele Fallstricke. Wir müssen Prioritäten setzen und jetzt geht es darum, viele Menschen mit Wohnraum zu versorgen. Von einem Einheimischenmodell profitieren relativ wenige.

Ein anderes Thema, das aktuell viele beunruhigt, ist die Einbruchserie in Reichenhall...
Lung: Mir macht das auch Sorge, und ich merke, dass die Leute verunsichert sind, aber ich habe großes Zutrauen in unsere Polizei, dass sie den oder die Täter dingfest machen kann. Ich habe Zuschriften von Bürger erhalten, die einen Zusammenhang zur Straßenbeleuchtung sahen, aber ich halte den Schluss nicht für zulässig. Anders wäre es, wenn die Taten alle zwischen 1 und 5 Uhr, wenn die Beleuchtung abgeschaltet ist, geschehen wären. Hintergrund des Beschlusses war, dass wir 2021 Kosten von 250 000 Euro nur für die Straßenbeleuchtung hatten, die Prognose war bis zu 600 000 Euro für 2022. Mit der Abschaltung ist es uns gelungen, 25 Prozent Energie einzusparen.

Fernwärme benötigt weniger Gas, als beim direkten Verheizen

Können Sie schon sagen, wie die anderen Energiespar-Maßnahmen wirken, die die Stadt wegen des Kriegs in der Ukraine beschlossen hat?
Lung: Nach meinem Dafürhalten ist es uns gelungen, Energie zu sparen, aber ich habe noch keinen Überblick, was die Maßnahmen insgesamt ausgemacht haben.

In Sachen erneuerbare Energien ist vor einem Jahr die Fernwärme der Stadtwerke gestartet, ganz ohne Gas kommt aber auch sie nicht aus. Wird sie dennoch weiter ausgebaut?
Lung: Ja, die Nachfrage ist sehr groß, und wir halten uns an den Ausbauplan. Dabei wird sehr viel weniger Gas verbraucht, als wenn man direkt mit Gas heizen würde. Ein weiteres Thema ist das Wasserkraftwerk an der Nonner Rampe. Die Unterlagen sind abgeben, wir müssen noch eine Tektur einreichen, das werden wir in diesem Quartal noch machen und dann hoffen wir, dass das Landratsamt bald die Genehmigung erteilt.

Nochmal zurück in die Innenstadt: Das Rufo hat kürzlich von einer potenziellen Unternehmerin berichtet, die ein Cafe eröffnen wollte, aber mit der Stellplatzsatzung zu kämpfen hatte. Schafft die Stadt da selbst Hürden für die Belebung der Innenstadt?
Lung: In dem Fall ist nach meiner Kenntnis bereits eine Lösung gefunden. Grundsätzlich gelten unsere Satzungen für alle in gleicher Weise, wir können keinen Rabatt geben, weil uns eine Geschäftsidee besonders gefällt.

Was war die Lösung?
Lung: Das möchte ich nicht sagen, weil es noch nicht in trockenen Tüchern ist. Prinzipiell ist die Stellplatzsatzung auf der Agenda, wir wollen sie überarbeiten. Allerdings müssen wir Prioritäten setzen und können nicht alle Themen gleichzeitig aufreißen. Ob wir im innerstädtischen Bereich, wo wir Geschäfte ansiedeln wollen, gegebenenfalls den Stellplatzschlüssel absenken, darüber kann man nachdenken. Aber das Thema ist eigentlich nicht, dass wir zu viel private Stellplätze haben, sondern zu wenig, deswegen stehen so viele Autos auf den Straßen.

Familien sollen aufs Zweitauto verzichten können

Sollen die Autos langfristig eher raus aus der Stadt?
Lung: Wir sind im ländlichen Raum, da brauchen die Leute ein Auto. Wir sollten aber schauen, dass Familien nicht noch ein zweites oder drittes Auto brauchen. Dass Autos substanziell zurückgedrängt werden, das ist eine grüne Wunschvorstellung.

Bleiben wir in der nahen Zukunft. Nachdem die halbe Amtszeit vorbei ist – haben Sie das Ziel, eine zweite dranzuhängen oder streben Sie nach Höherem?
Lung: Was gibt es denn Höheres als Oberbürgermeister in Bad Reichenhall zu sein? Wir hatten bisher wenig Zeit, uns mit Zukunftsthemen zu beschäftigen, weil so viel anders war, als zuvor gedacht. Mein Ziel ist, die zweite Halbzeit möglichst zu nutzen und fleißig zu arbeiten. Erst 2025 wird die Frage kommen, wie es weitergeht, dann werde ich mit meinen Parteifreunden von der CSU sprechen, ob ich wieder antreten soll. Ich bin noch nicht festgelegt, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Eine private Frage zum Schluss: Wie laufen denn die Hochzeitsvorbereitungen?
Lung: Sie laufen gut, die standesamtliche Trauung wird am Pfingstsamstag am Predigtstuhl sein, kirchlich werden wir am 15. Juli heiraten. Gerade sind wir dabei, die Einladungen zu verschicken und freuen uns sehr.

Wird richtig groß gefeiert?
Lung: Standesamtlich wird es eher familiär. Zur kirchlichen Trauung in St. Nikolaus ist jeder herzlich eingeladen, in die Kirche zu kommen. Anschließend feiern wir im Kurhaus mit 200 geladenen Gästen, Menschen, die wir gerne dabei haben wollen. Es heiratet nicht der Oberbürgermeister, sondern wir als Celia Schäle und Christoph Lung.


Interview: Corinna Anton und Tanja Weichold.

*** Der Oberbürgermeister wurde wie Landrat Bernhard Kern auch zur aktuellen Flüchtlingslage befragt. Darüber berichten wir in einer der nächstem Ausgaben.