„Und der Haifisch, der hat Zähne“, singt Mackie Messer. Im Sommer 1928 begannen drei nicht einmal Dreißigjährige mit der Bearbeitung eines damals genau 200 Jahre alten Bühnenstücks, der „Bettleroper“ von John Gay. Bertolt Brecht und Elisabeth Hauptmann schrieben die englische Opern-Parodie in ein zeit- und gesellschaftskritisches Stück um, wobei die eingängig-schrägen Lieder von Kurt Weill wesentlich zum Erfolg des Stücks beitrugen.
Charles’ Krönung kommt da gerade recht
Das Schauspielhaus in Salzburg hätte die Inszenierung von Jérôme Junod nicht besser „timen“ können: Die zahlreichen Anspielungen auf die Krönungsfeier der Königin (historisch ist die von Queen Victoria im Jahr 1837 gemeint) haben kurz vor bzw. nach der Inthronisierung von Charles III. einen besonderen Witz.
Aber auch markig-provokante Sprüche in den Dialogen wurden zu zeitlosen Aphorismen, wie etwa dieser: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Die Handlung, die im berüchtigten Stadtteil Soho spielt, hat als Ausgangspunkt den Konflikt zwischen Gangsterboss Macheath („Mackie Messer“) und Peachum, dem Chef des Londoner Bettler-Syndikats. Zwischen ihnen steht der korrupte Polizeichef „Tiger“ Brown, ein alter Kriegskamerad von Macheath. Der Konflikt zwischen Bettlerkönig Peachum und Mackie Messer spitzt sich zu, als letzterer ausgerechnet Peachums Tochter Polly verführt und heimlich heiratet.
Spielleiter Jérôme Junod verzichtet auf Experimente, da es ihm primär darum geht, Brechts dramaturgisches Konzept zur Geltung zu bringen. Insofern ist seine Regie im besten Sinne des Wortes konservativ, also die Brecht’schen Aussagen bewahrend. Die Inszenierung ist erfrischend und lässt das Publikum das bekannte Stück neu erleben. Das liegt an den vorzüglichen Darstellerinnen und Darstellern, aber auch an den exzellenten Musikern.
So glänzen, sowohl darstellerisch als auch stimmlich, Olaf Salzer als eiskalter Bettler-Boss Peachum und Theo Helm als der zynische Gewaltverbrecher Macheath. In idealer Weise verwirklichen sie Brechts Konzept der Illusionsbrechung und des Verfremdungseffekts. Man spürt die vom Autor verlangte Ironie, jenes Augenzwinkern, welches dem Publikum in jeder Szene sagen will, dass die Schauspieler kein Mitgefühl wecken wollen, sondern eine politische Botschaft transportieren. Diese Kunst des doppelten Schau-Spiels kommt auch bei den anderen Ensemble-Mitgliedern zum Tragen. Herrlich ist Marcus Marotte als korrupter Polizeichef Brown, der zwischen Gesetz und Gesetzesbruch, Härte und Larmoyanz hin- und hergerissenen ist. Johanna Egger spielt die naïve Polly Peachum mit der gebotenen Distanz zur Rolle.
Witzig und satirisch bis zum Schluss
Die in Freilassing ansässige Tanja Kuntze, als Gast in dieser Produktion, überzeugt in der Rolle der resolut-kaltschnäuzigen Mrs. Peachum. Das siebenköpfige „Orchester“, unter der Leitung des Posaunisten und Kontrabassisten Gernot Haslauer, erweckt Weills Partitur zum Leben. Pianist Roli Wesp studierte mit den Darstellern die Melodien präzise ein. Manfred Grillnberger und Robert Friedl kreieren mit Saxofon, Klarinette und Flöte den Sound der 1920er Jahre, wie auch Trompeter Josef Fuchsberger, Tom Reif an Banjo und Gitarre und Robert Kainar am Schlagwerk.
Eine rundum gelungene Inszenierung, witzig und satirisch, vom Eingangssong bis zur letzten Szene mit dem provokant-überraschenden Schluss. Wie sagt Macheath nach dem Lied von der Seeräuber-Jenny? „Das ist doch nicht nett! Das ist Kunst.“ Ja, hohe Kunst. Das Publikum honorierte sie mit langem, sehr langem Applaus.
Helmut Rieger
„Dreigroschenoper“ bis J4. Juni am Landestheater in Salzburg, Info: 0043/662/808585 oder auf www.schaupielhaus-salzburg.at
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