Salzburger Festspiele
„Denn sie sollen getröstet werden“: Thielemann mit Brahms-Requiem gefeiert

30.07.2023 | Stand 13.09.2023, 2:22 Uhr

Musikalischer Hochgenuss: Dirigent Christian Thielemann leitet die Wiener Philharmoniker im Großen Salzburger Festspielhaus. −Foto: Salzburger Festspiele, Marco Borelli

Ein deutsches Requiem für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester von Johannes Brahms bereicherte die „Ouvertüre spirituelle“, die jedes Jahr den Beginn der Salzburger Festspiele markiert. Der Wiener Singverein mit mehr als 120 bestens vorbereiteten Sängerinnen und Sängern (perfekte Einstudierung: Johannes Prinz) und die Wiener Philharmoniker unter der Leitung eines umsichtigen Christian Thielemann, der alle Mitwirkenden klar und unaufdringlichen, auswendig und ohne Show im Dirigat durch das Werk führte, boten nicht nur musikalisch feinste Kost, sondern vermittelten auch den spirituellen Inhalt. Ebenso die Solisten: Sopranistin Elsa Dreisig (ausdrucksstark und mit wunderbarem Timbre im fünften Satz „Ihr habt nun Traurigkeit“) und Bariton Michael Volle (mit warmer, flexibler Stimme im dritten und sechsten Satz mit berührender Differenzierung zwischen piano und forte).

Brahms hatte die Texte selbst aus der Bibel zusammengestellt, so dass daraus eine Art Prosagedicht wurde. Seine Komposition spiegelt diesen Inhalt, der geprägt ist von dem Kontrast zwischen „Selig sein“ und „Tränen weinen“, zwischen Schmerz und Freude. Der letzte Satz beginnt wie der erste mit „Selig“ und schließt den Kreis – ein symbolisches Abbild des Lebens. Besonders beeindruckend: die verschiedenen Fugen, die musikalisch die Aussage bekräftigen, zum Beispiel mit „Herr, du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre“ im sechsten Satz mit Worten aus der Offenbarung des Johannes, die im siebten Satz auch das Werk beschließen. Manche Aussage erklingt im Unisono („Denn alles Fleisch“), das Allgemeingültigkeit für alle Menschen ausdrückt.

Die wichtigsten biblischen Aussagen erklangen im Fortissimo, wie „Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit“. Der Chor sang jedoch auch im Tutti das leiseste Pianissimo (besonders beeindruckend: das erste „Selig“), alles mit bester Textverständlichkeit – eine religiöse Lehrstunde sozusagen.

Schon vor Beginn hatte das Publikum im Festspielhaus aufbrausend applaudiert, als alle Sängerinnen und Sänger auf der Bühne standen. Nach dem letzten Ton hielt Christian Thielemann durch seine Körpersprache die Spannung, um die musikalische und inhaltliche Aussage nachwirken zu lassen. Danach gab es kein Halten mehr. Auch später wollte der Applaus nicht enden, selbst einige Minuten, nachdem alle Musiker und Sänger die Bühne verlassen hatten, wurden viele Besucher nicht müde, noch weiter zu klatschen.

Brigitte Janoschka