27-facher versuchter Mord
Anschläge in Waldkraiburg: IS-Anhänger gesteht

"Türkenhass" und IS-Gesinnung als Motiv

10.05.2020 | Stand 19.09.2023, 22:01 Uhr

Der nach den Anschlägen auf Geschäfte türkischstämmiger Inhaber im bayerischen Waldkraiburg festgenommene 25-Jährige hat mit der IS-Terrormiliz sympathisiert. −Foto: Lino Mirgeler/dpa

Nach den Anschlägen auf Geschäfte türkischstämmiger Inhaber in Waldkraiburg (Landkreis Mühldorf am Inn) hat ein 25 Jahre alter Mann die Anschläge gestanden. Er wurde am Freitagabend am Bahnhof in Mühldorf am Inn festgenommen. Die Polizei hat damit wahrscheinlich schlimmere Anschläge verhindert, die der Tatverdächtige nach eigenen Angaben noch geplant hatte. Infos zum aktuellen Ermittlungsstand gab die Polizei am Sonntagmittag in einer digitalen Pressekonferenz.

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Der Mann hatte am Freitag zehn funktionsfähige Rohrbomen im Gepäck, so Polizeipräsident Robert Kopp. Das Bahnhofsgelände wurde deshalb gegen 22 Uhr evakuiert und bis 4.30 Uhr Samstagmorgen weiträumig abgesperrt. Noch am Samstag gestand er alle vier Anschläge in Waldkraiburg, auch den Brandanschlag am 27. April.

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Tatverdächtigen in Waldkraiburg fand die Polizei weitere Rohrbomben, Schwarzpulver, Phosphor und andere verschiedene Stoffe, sowie eine Waffe mit Munition. Außerdem habe die Polizei zehn Kilogramm Sprengstoff und weitere Rohrbomben in seinem Auto in einer Tiefgarage in Garching an der Alz gefunden. Die Bomben habe er nach eigenen Angaben selbst gebaut. Um das Beweismaterial sicherzustellen und die Bomben sicher zu bergen, wurden mehrere Bewohner aus umliegenden Wohnungen in Garching und Waldkraiburg evakuiert.

Mit der Festnahme habe die Polizei laut Kopp"weitere schwere Gewalttaten und vermutlich auch Anschläge auf türkische Einrichtungen verhindert". Der Tatverdächtige hatte nach eigenen Angaben weitere, "noch schlimmere" Anschläge geplant.

Motiv: "Türkenhass" und IS-Anhänger

Zum Tatmotiv: Der Täter soll bei der Vernehmung von einem "Hass auf Türken" gesprochen haben. Er sei Anhänger des IS und vertrete deren Gesinnung. In den vergangenen Jahren habe er sich radikalisiert. Laut leitendem Oberstaatsanwalt Georg Freutsmiedl habe er bereits versucht, sich dem IS anzuschließen. Seine Familie wollte ihn davon offenbar abhalten. Einen Zusammenhang mit der Türken-Kurden-Problematik gebe es laut Polizei nicht.

Deutscher mit türkischer Abstammung

Zum Tatverdächtigen: Der 25-jährige Deutsche komme aus der Umgebung Waldkraiburg. Er selbst wurde in Altötting geboren, seine Eltern stammen laut Freutsmiedl aus der Türkei. Er sei der Polizei bis auf wenige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetzt zuvor nicht aufgefallen. Ob es weitere Mittäter gibt und woher der Tatverdächtige die Waffe hatte, sei laut Staatsanwalt noch nicht klar.

Bei Brandanschlag sechs Menschen verletzt


Die Anschlagserie begann Mitte April: Als erstes waren in der Nacht auf den 17. April die Scheiben eines Friseurladens eingeschlagen worden, dann folgten ähnliche Attacken auf eine Gaststätte und zuletzt in der Nacht auf Mittwoch auf einen Imbiss. Jeweils wurde eine stinkende Flüssigkeit verteilt - um was es sich dabei handelte, war laut Polizei zunächst unklar. In der Nacht zum 27. April war der Laden eines türkischen Gemüsehändlers ausgebrannt, sechs Menschen wurden verletzt. Die Polizei hatte einen extremistischen Hintergrund der Taten nicht ausgeschlossen.

Anklage: Versuchter Mord

Eine zuletzt 50-köpfige Sonderkommission (SOKO "Prager") unter Leitung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München ermittelte. Am Freitagabend nahm die Polizei dann den 25-Jährigen am Bahnhof in Mühldorf am Inn fest. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft und muss sich wegen versuchten Mordes in 27 Fällen, schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Sachbeschädigung in drei Fällen verantworten.

Die Pressekonferenz finden Sie hier im Video:

− ajk/dpa