Bad Reichenhall
Eine besondere Verbindung

"In Anhoffung gnädiger Bittenwillfür": Die Geschichte des Nonner Stegs zeigt auch, wie sich der Umgangston geändert hat

15.01.2022 | Stand 20.09.2023, 23:52 Uhr

Um 1900 entstand dieses Bild, erklärt Historiker Dr. Johannes Lang. Bilder aus der Zeit vor der Regulierung des Flusses um die Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es nicht.

Noch etwa drei bis fünf Jahre geben Experten dem Nonner Steg. Dann wird die Stadt ihn wohl erneuern müssen, teilte das Rathaus Anfang Dezember mit. Die Heimatzeitung hat das zum Anlass genommen, einen Blick auf die Geschichte des Bauwerks zu werfen.

Die "beste Brücke weit und breit" war laut Stadtarchivar Dr. Johannes Lang die Luitpoldbrücke. Sie diente im Mittelalter auch schon dem Fernverkehr und hielt sogar bei Hochwasser stand. Ganz anders der Nonner Steg: Eine Verbindung in die Stadt werde es wohl bereits im Hochmittelalter etwa an der Stelle gegeben haben, sagt der Historiker, aber eine "sehr einfache", die vom Wasser in regelmäßigen Abständen weggerissen wurde. Zu sehen ist eine Art Steg im Urkataster, das um 1820 entstand. Es zeigt zugleich, wie verzweigt die Arme der Saalach damals waren.

Ganz anders sah es dann schon am 11. April 1963 aus, als der damalige Landrat Karl Theodor Jacob mit anderen Ehrengästen zur Einweihung des heutigen Nonner Stegs kam – erstmals nicht mehr aus Holz, sondern aus Beton gebaut.

Fast 40 Zentimeter dickes Aktenbündel

Jacob hatte sich zuvor im Landratsamt Berchtesgaden alle Akten über den Nonner Steg vorlegen lassen – ein Aktenbündel, das "die beachtliche Stärke von fast 40 Zentimeter erreicht hat" und zugleich einen Querschnitt durch die Staats- und Kommunalgeschichte darstellte, wie Jacob damals sagte. Seine Rede und Bilder von der Einweihung sind in einem Fotoalbum festgehalten, das der heutige Umweltreferent der Stadt Michael Nürbauer und sein Vorgänger Dr. Wolf Guglhör der Heimatzeitung zur Ansicht vorbeibrachten. Guglhör hat das Büchlein von seinem Vater Oberforstmeister Josef Guglhör, der damals bei der Eröffnung dabei war.

Schon vor 1830 haben "irgendwann einmal die Nonner Bauern einen Steg über die Saalach errichtet, um eine wenigstens für Fußgänger begehbare nahe Verbindung zur Stadt Bad Reichenhall zu schaffen", sagte der Landrat bei der Einweihung. Ebenso alt sei der Streit um Unterhalt und Kosten, nur die Namen der Beteiligten änderten sich: An die Stelle des königlichen Salinenärars und des Hauptsalzamtes trat zu Jacobs Zeiten das Forstamt Reichenhall-Nord und an die Stelle des Distrikts der Landkreis Berchtesgaden – inzwischen ist freilich auch das nicht mehr aktuell, hat doch mit der Eingemeindung Karlsteins und Nonns die Stadt Bad Reichenhall die Zuständigkeit übernommen.

Die Inflation machte das Vorhaben bald unbezahlbar

Aus dem Aktenbündel, das Jacob damals vorlag, ging hervor, dass es schon vor 1963 sechs Mal ernsthafte Bestrebungen gab, anstelle des Stegs eine richtige Brücke zu bauen, über die auch ein Pferdefuhrwerk fahren könnte. Zuletzt hatte sich dazu 1919 ein Brückenbaukomitee gebildet, dem unter anderem "Bürgermeister Staller von Karlstein, die Nonner Leitner und Fuchs, Bürgermeister Söllner von Bad Reichenhall und der damalige Leiter der Landratsamts-Außenstelle Baron von Moreau angehörten", berichtete Jacob.

Die Pläne waren schon so weit, dass die Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg für 80000 Mark eine Brücke liefern sollte. Doch die Inflation machte das Vorhaben bald unbezahlbar und zerschlug die Hoffnung auf eine befahrbare Verbindung.

Sicher mehr als zehn Mal sei der Nonner Steg zwischen 1830 und 1963 vom Hochwasser vollständig weggerissen worden, schätzte Landrat Jacob. Immer wieder habe es in Nonn Rufe nach einer dauerhaften Konstruktion über die Saalach gegeben und mehrfach sei der Staat um Hilfe gebeten worden – oft vergeblich. So schrieb das Hauptsalzamt an das königliche Landgericht Bad Reichenhall im Jahr 1862, dass "zur Errichtung des beantragten Stegs über die Saalach ein Beitrag aus Mitteln der königlichen Saline nicht bewilligt wird".

"Gehorsamste Bitte um einen gnädigen Zuschuss"

Bemerkenswert fand der Landrat 1963, wie schnell die Behörden 100 Jahre vorher gearbeitet haben: "Eine Entschließung des königlichen Staatsministeriums der Finanzen am 19.2.1862 an die Generaldirektion der Salinen in München wurde von dort bereits vier Tage später dem königlichen Hauptsalzamt Bad Reichenhall mitgeteilt und von diesem weitere vier Tage später weitergeleitet an das Landgericht Reichenhall, so dass eine handgeschriebene Ministerialentschließung, obwohl sie über zwei weitere Behörden lief, schon acht Tage nach ihrem Erlass in der Hand der Kreisverwaltungsbehörde war. In der heutigen Zeit der elektrischen Schreibmaschinen und der Postzüge braucht eine solche Ministerialentschließung mindestens die dreifache Zeit."

Der Nonner Steg wurde dann erneuert, wobei die Hauptlast die Ortsgenossenschaft Nonn trug, wie Jacob aus den Akten herauslas. Das Bauwerk hielt aber wieder nicht lang. Im Jahr 1881 richtete die Ortsgenossenschaft Nonn ein Schreiben an das königliche Badkommissariat Bad Reichenhall. Es war eine "Gehorsamste Bitte um einen gnädigen Zuschuss für die Hauptreparatur des Nonner Stegs über die Saalach" – so lautete der Betreff.

Von 899 Mark und 61 Pfennigen Reparaturkosten war die Rede und weiter hieß es: "Nachdem nun die Ortsgenossenschaft Nonn mit fast unerschwinglichen Steuern und Gemeindelasten behaftet, nicht in der Lage ist, diese schwere Bürde auch noch alleine zu tragen, stellt dieselbe an das hohe Badkommissariat Bad Reichenhall die gehorsamste ergebenste Bitte: Dasselbe möchte ihr aus dem Überschuss der eingegangenen Gelder für Verschönerungszwecke doch einen ergiebigen Zuschuss gewähren, da gerade dieser Steg von den Fremden und Kurgästen während der Badesaison am häufigsten begangen wird". Der Brief endet mit den Worten: "In Anhoffung einer gnädigen Bittenwillfür geharren hochachtungsvollst die gehorsamst ergebenen Mitglieder der Ortsgenossenschaft Nonn."

Aus Holz, Eisen oder Beton?

Wie Landrat Jacob herausfand, wollte die Regierung einen Zuschuss von 500 DM nur zahlen, wenn der Steg aus Eisen erbaut würde und damit für längere Zeit Bestand hätte. Doch bis zum Betonbau 1963 blieb es bei der hölzernen Variante, denn, so Jacob, das Forstärar – die damalige Bezeichnung für die Staatsforsten – wollte lieber kostenlos Holz für den Bau liefern als bares Geld für eine Eisenkonstruktion beizusteuern.

Zu Jacobs Zeiten war es dann das Finanzministerium, das lieber einen hölzernen Steg wollte als einen aus Beton. "Man sagte aus Naturschutzgründen, man meinte aber natürlich das bare Geld", war Jacob überzeugt, der später Präsident der Bayerischen Landesbank wurde und 1980 in Ramsau bei Berchtesgaden starb. In seiner Amtszeit als Landrat von Berchtesgaden, im April 1960, sperrte das Landratsamt den Steg "auf Grund technischer Feststellungen des Stadtbauamtes Bad Reichenhall".

Bald darauf forderten die Nonner das gleiche wie ihre Vorfahren 1881, aber in einem ganz anderen Ton: Sie sprachen von "Unverschämtheit" und "Behördenwillkür", wie das Reichenhaller Tagblatt damals berichtete. Und sie hatten Erfolg. Nur acht Tage nach der Sperrung stellten der Kreistag Berchtesgaden und die Gemeinde Karlstein die Mittel für einen neuen Steg zur Verfügung. Der Reichenhaller Stadtbaurat schlug eine Hilfskonstruktion vor, die sofort angebracht wurde, sodass Nonner wie Reichenhaller und Gäste schon nach einer Woche wieder über die Saalach spazieren konnten.

Führt der Weg künftig direkt übers Kraftwerk?

Der neue Spannbetonsteg wurde dann am 11. April 1963 eingeweiht. Für 220000 Mark sei ein Bauwerk entstanden, "das dem Ansturm der Zeit und des Wassers wohl länger standhalten wird als seine Vorgänger", freute sich der damalige Landrat und fügte hinzu: "Nach menschlichem Ermessen werden sobald für die Unterhaltung oder den Neubau des Stegs keine erheblichen Beträge anfallen."

Fast 60 Jahre später steht der Nonner Steg wieder auf der Agenda. Die Stadt lässt ihn regelmäßig prüfen, untersucht wird derzeit auch, ob sein Neubau mit dem Flusskraftwerk Nonner Rampe kombiniert werden könnte. Fußgänger könnten dann direkt übers Kraftwerk gehen, so die Idee, die manchen gefällt, anderen nicht. So mache doch gerade der Blick vom Steg auf das über die Rampe plätschernde Wasser den besonderen Reiz aus, sagen Naturschützer, die das Kraftwerk ablehnen.

Die Probleme sind bis heute nicht ausgegangen

Der CSU-Politiker Jacob bezeichnete den Nonner Steg übrigens einst als "sichtbares Zeichen für den doch vorhandenen starken Willen zur Zusammenarbeit im Raum von Bad Reichenhall, wenn es gilt, Verkehrsverbindungen zu schaffen" und äußerte die Hoffnung, dass es auch an anderer Stelle gelingen werde, die Interessen so aufeinander abzustimmen, dass die "noch anstehenden, viel größeren Verkehrsprobleme im Bad Reichenhaller Raum gelöst werden können." Fast 60 Jahre später sind zumindest die Probleme nicht ausgegangen.