Waging am See
"Wie ein schlechter Scherz"

Tarifverhandlungen – Molkerei-Warnstreik vor Bergader – Rund 70 Teilnehmer in Waging

05.10.2020 | Stand 20.09.2023, 5:44 Uhr

Weil die Entgelttarifverhandlungen der bayerischen Milchwirtschaft für die Arbeitnehmerseite in der ersten Runde mehr als unbefriedigend verlief, haben sich gestern rund 70 Bergader-Mitarbeiter zum Warnstreik vor dem Betriebsgelände versammelt. −Foto: NGG

Ein zweistündiger Warnstreik hat am Montag vor der Bergader-Molkerei in Waging am See stattgefunden. Rund 70 Mitarbeiter des heimischen Milchverarbeitungsbetriebs nahmen teil und zeigten, dass sie im Ernstfall imstande sind, "Zähne und Flagge zu zeigen", wie Bergader-Betriebsratsvorsitzender und NGG-Funktionär Christian Harant (35) gegenüber der Heimatzeitung sagte. Eine erste Warnung an den Arbeitgeberverband, dessen Angebot in den derzeitigen Entgelttarifverhandlung weit von der Forderung entfernt ist.

Hat der Gewerkschaft für Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) am 10. September noch eine sechsprozentige Erhöhung – mindestens also ein Mehr von 190 Euro für Angestellte und 125 Euro für Auszubildende – gefordert, bot der Arbeitgeberverband lediglich 1,5 Prozent an. "Wenn man bedenkt, was die Kolleginnen und Kollegen im letzten und in diesem Jahr geleistet haben, dann klingt das Angebot der Arbeitgeber wie ein schlechter Scherz", so Mustafa Öz, Landesbezirksvorsitzender der NGG in Bayern. Ähnlich sieht das Bergader-Betriebsratsvorsitzender Christian Harant aus Waging: "Für den Anfang war das mehr als dürftig. Das war ein gigantisches Jahr für die bayerische Milchwirtschaft, die zu den Siegern der Corona-Zeit gehört."
Bei Bergader habe man beispielsweise in den Sommermonaten so viel produziert wie sonst im Winter. "Deswegen ist es doch legitim zu fordern, dass wir auch unser Stück vom Kuchen wollen", so Harant, der seit zehn Jahren Betriebsratsvorsitzender ist und zum zehnköpfigen, inneren Zirkel der Vertragsverhandlungen für ganz Bayern gehört.

Laut einer Pressemitteilung der NGG sind die Umsätze der Branche im vergangen Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen (siehe Kasten). Die Produktivität in der bayerischen Milchwirtschaft sei laut Pressemitteilung beispiellos, so dass die Lohnkosten lediglich einen Anteil von 7,7 Prozent am Umsatz ausmachen.

Wichtig sei es für Christian Harant zu betonen, dass "Innerbetriebliches und Tarifliches zu differenzieren ist". Das habe auch die Geschäftsleitung in Waging erst lernen müssen. "2010, als es zum ersten Warnstreik kam, wurde es seitens der Geschäftsleitung noch wesentlicher bitterer und persönlicher aufgenommen", so Harant. Mit den Jahren wurde es sachlicher, auch der Warnstreik konnte "ohne Gegenwind" stattfinden. Es gehe beim Warnstreik auch überhaupt nicht darum, großen Schaden in der Produktion zu verursachen.

Die zweite Verhandlungsrunde findet am Donnerstag, 8. Oktober, in Fürstenfeldbruck statt. Harant sieht die Trümpfe in den Händen der Arbeitnehmer: "Die Produktion ist hoch, die Zahlen extrem gut, die Mitarbeiter bauen Überstunden um Überstunden auf." Das Argument "wir wissen nicht, wie es weitergeht" ziehe laut Harant nicht. "Denn auch wir Arbeitnehmer wissen nicht, wie es weitergeht."