Watt’n Strand! Nordsee-Freuden in St.Peter-Ording und Büsum

08.06.2018 | Stand 21.09.2023, 5:15 Uhr

Ein Abenteuer für sich: Strandsegeln am Strand von St.Peter-Ording. − Fotos: Lambach

Meer, Strand, Watt, Dünen und Salzwiesen – in St. Peter-Ording ist die "Sandstrandkiste" gefühlt unendlich lang. Ganz anders: der grüne Büsumer Strand.

Da ist richtig viel Platz. Sandstrand, soweit das Auge reicht. Zwölf Kilometer lang, etwa zwei Kilometer breit. Bei Ebbe mehr. Aus dem kleinen Strandsegler heraus kommt einem der Strand noch viel größer vor. Man ist ja auch so nah dran in dieser blechernen Schale. Die Nase des dreirädrigen Seglers in den Wind halten, dann kommt die Kiste langsam in Fahrt.

Der Parcours führt an der orangefarbenen Fahne vorbei. Vor den Dünen bläst der Wind das Segel so richtig auf, und man brettert gefühlt rasend schnell über den Parcours auf dem harten Sand. In echt sind es vielleicht 30, 40 Stundenkilometer. Jetzt darf bloß keiner in die Quere kommen! Man denkt nur ans Lenken, die Segel lockerer lassen oder anziehen, damit man auch bei der nächsten Wende flott durchkommt und nicht stehen bleibt.

Geschafft. Runde um Runde wird es besser – sogar Landeier können das Strandsegeln lernen. Es kommt einem keiner in die Quere – denn: Natürlich hat die Segelschule den Parcours weiträumig abgesteckt und: natürlich ist hier Platz genug. Strandsegler führen hier seit 1960 die Europameisterschaften durch – das dürfte zum Abheben spannend sein.

Man kann den Strand von St. Peter-Ording klassisch ruhig genießen: Am Flutsaum spazierengehen, im Weltnaturerbe Wattenmeer nach Muscheln suchen, im Strandkorb chillen, es gibt Spielplätze für Kinder, einen Strand für Hunde, man kann aber auch Kitesurfen oder Strandsegeln, im Pfahlbaurestauant speisen und den Sonnenuntergang genießen. Das ist das Schöne an diesem Strand: Er hat Platz für alle und alles – selbst wenn an heißen Tagen bis zu 30000 Gäste kommen, verläuft es sich.

Krabben pulen − stilecht direkt vom KutterHinterm Strand sind die geschützten Dünen, dann kommen die Salzwiesen, die in einen Wald münden, mit Kiefern, Eichen und viel mehr. Der Tagesrhythmus folgt drei Zahlen: dem Zeitpunkt für Hochwasser, dem für Niedrigwasser und der Windstärke – alles andere hat dem zu folgen.

Wer den Geschmack der Nordsee kosten will, der muss Krabben pulen. Denn nur vor Ort, direkt vom Kutter, sind sie echt und echt lecker. Sie sind der wohl bekannteste Nordsee-Ess-Export. Der kleine Hafenort Büsum unterhalb von St. Peter-Ording ist dafür besonders bekannt.

Besucher dürfen auf dem kleinen Krabbenkutter MS Hauke mit auf Fangfahrt gehen und erleben hier ganz direkt, wie Krabben gefischt werden. Das kleine Schleppnetz wird ins Wasser gelassen, die "Hauke" tuckert weiter auf der Nordsee, die an diesem Tag mangels Wind fast so glatt ist wie ein Spiegel. Dann wird das Netz eingeholt, und der Inhalt plumpst in eine große Blechkiste: Da sind schon ordentlich Krabben drin, aber auch Krebse, eine kleine Scholle, ein Steinpicker und ein Stint. Der Seemann hält den Landratten den kleinen Fisch unter die Nase – ein Mädel wundert sich: Der riecht ja nach Gurke! Genau – so erkennt man einen Stint. Aber die kleinen Fische und Krebse werden wieder zurück ins Wasser geschickt – unter genauer Beobachtung der Möwen.

Es bleiben die kleinen Garnelen: Sie sind noch ganz grau, dann kommen sie ins kochende Wasser, werden schnell wieder herausgehoben – und nun sind sie so, wie man sie kennt: Rosarot. Nur: Sie sind noch angezogen. Pulen muss man selber: Drehen, knacken und die Hülle abziehen. Wenn man Glück hat, bleibt dazwischen das übrig, was die Krabbe ausmacht: Etwa eineinhalb, zwei Zentimeter zartes Krabbenfleisch, das ganz sanft süß und salzig schmeckt.

Kein Vergleich zu jenen Krabben, die vollgesogen mit Konservierungsstoffen üblicherweise die Reise nach Marokko antreten, wo sie von Hand gepult werden, bevor sie nach etwa zehn Tagen bei uns in den Regalen der Discounter landen. Krabbenpulmaschinen werden zwar erfunden und verwendet, aber die Maschinen können das Pulen nicht so gut wie der Mensch.
Eine andere Nordsee-Spezialität ist die Seezunge, die nur noch selten auf dem Speiseplan steht. Bei "Kolle" wird sie heute angeboten. Karl-Heinz Kolle – Koch und Seehundjäger gleichermaßen – ist eine Nummer für sich und sein Restaurant "Kolles alter Muschelsaal" genauso: Tausende von Muscheln aus aller Welt wurden hier in den 1920er Jahren als Deko an die Wand gebracht. Mitten drin: die Galionsfigur Wilhelmina, die – ziemlich schmutzig – am Amrumer Strand angespült worden war, auf Vorderfrau gebracht wurde und nun hier thront – zwischen all den Muscheln. Einmal im Jahr ist Muschelputztag – dann wird hier jede einzelne Muschel wieder auf Hochglanz poliert. Seit nicht mehr geraucht werden darf, geht das schneller. Früher war der alte Muschelsaal Tanzsaal, Musiksaal, Kneipe und Treffpunkt der Seemänner, die eben mal ihre Gummistiefel auszogen, um eine flotte Sohle aufs Parkett zu legen. Nicht umsonst hat er den Spitznamen "Molles alter Kuschelsaal" bekommen.

Büsum: die Perlebucht am "grünen Strand"Der grüne Büsumer Strand ist ungewohnt: Büsum hat (fast) keinen Sandstrand und machte so aus der Not eine Tugend: Zuerst (noch vor den Dubaiern) schütteten die Büsumer Sand auf für die "Perlebucht" – mit zwei nun tidenunabhängigen Becken und einer kompletten Freizeit-Infrastruktur. Der Deich (frisch erhöht für die Zukunft) fällt auf der Wasserseite flach und lang ab und schützt nicht nur die Bevölkerung dahinter vor der See, sondern er dient auch gleichzeitig als Strand: als Grünstrand, ganz ohne Sand. Die Strandkörbe sind wie überall an der Nordsee, und der Blick auf das Wasser gleicht anderen Stränden.

Fast. Denn da hinten, weit draußen, ist noch etwas, das hier (wie das unschöne Hochhaus am Ende des Strandes) nicht hinzuzugehören scheint: Im Wasser zeigen sich die Umrisse der Ölplattform Mittelplate A, die seit 1987 Öl fördert – mitten im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer. Wie das geht? Die Genehmigung für den Bau der Plattform kam wenige Wochen, bevor das Wattenmeer am 1. Oktober 1985 zum Nationalpark ernannt wurde. Ein komischer Gedanke.

Heute ist Wattwanderung. Markus Eickmanns, der bei der Schutzstation Wattenmeer ein freiwilliges ökologisches Jahr macht, zeigt der Gruppe, was am Strand kreucht und fleucht. Die "Surferschnecke" etwa – die kleinste und schnellste Schnecke der Welt, die sich unter der Wasseroberfläche festhält und zu Abertausenden im Angespül zu finden ist. Da sieht sie aus wie grober Sand. Markus zeigt, wie man Herzmuscheln aus dem Sand holt – indem man ein paar Mal auf dem Watt auf der Stelle hüpft.

Er hat – ganz Wattführer – auch eine Harke dabei. Damit gräbt er einen Wattwurm aus: Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination blicken Kinder und Erwachsene auf den Wattbewohner, der gut 20 Zentimeter groß wird und von dem man sonst nur die geringelten Häufchen sieht. Dabei ist Ekel gar nicht angebracht, eher Ehrfurcht: Denn das Blut des Wattwurms soll dem des Menschen so ähnlich sein, dass man forscht, ob man es nicht als Spenderblut verwenden kann. Wieder watt gelernt. Nordsee ist einfach gut.

INFORMATIONEN

Der Hafenort Büsum gehört zu Dithmarschen. St. Peter-Ording ist die "Nasenspitze" der Halbinsel Eiderstedt und gehört schon zu Nordfriesland – beides ein Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer.

ANREISEN

Auf das Auto kann man verzichten: Ganz entspannt reist man (meistens) mit der Bahn – von München nach St. Peter Ording sind es neun Stunden.

HOTEL/GASTRONOMIE
Hotel Resort Strandgut in St. Peter-Ording: Schicke Architektur, edles Interieur, Blick auf Dünen und den endlosen Strand. Hier kann man auch sehr gut essen oder auf der Terrasse – mit Sand zu Füßen – dem Sonnenuntergang entgegen schauen. www.strandgut-resort.de

Aparthotel Bernstein in Büsum: edel, modernes Design – und für den, der Retro mag: Eine Reise in die 1950-er Jahre im 50’s Seaside Motel Büsum. www.50seaside.de, www.aparthotel-bernstein.de

Naturnah: Eine Nacht im Strandschlafkorb an der Perlebucht in Büsum, www.strandschlafen.de

 Essen und Schauen in "Kolles alter Muschelsaal" in Büsum. www.kolles-alter-muschelsaal.de

Sundowner in der 360 Grad-Bar Büsum in der Per-lebucht.

www.360gradbar.de/büsum

WATT ERLEBEN
Wattwanderung mit der Schutzstation Wattenmeer in Büsum, www.schutzstation-wattenmeer.de

Fangfahrt mit dem Krabbenkutter vor Büsum, zum Beispiel www.rahder.de

Salzwiesenwanderung ausgehend vom Nationalparkhaus in St. Peter-Ording, www.nationalparkhaus-spo.de

Strandsegelkurs für Anfänger, Nordsport Events St. Peter-Ording.

www.nordsport-events.de

WATT FÜR REGENTAGE

Klein, aber fein: Das private Bernsteinmuseum und der Bernsteinschleifkurs bei Boy Jöns in St. Peter-Ording. www.bernsteinmuseum.de

Freizeit- und Erlebnisbad mit Meerwasser-Rutschen, Saunen und Dünengarten: Dünen-Therme St. Peter-Ording. www.duenentherme.de

Schwimmen in Salzwasser, Saunen und Massagen gibt es im Piratenmeer Büsum. www.piratenmeer.de

Redakteurin Ina Lambach findet das Watt total spannend und recherchierte mit Unterstützung der Nordsee-Tourismus Schleswig-Holstein.