KOMMENTAR
Warum meiden Politiker das Jazzfest Passau?

04.06.2020 | Stand 19.09.2023, 6:03 Uhr

"Niemand fand es wert, hier zu reden. Warum auch immer." – Raimund Meisenberger −Foto: Studio Weichselbaumer

Der Wert der Kunst hängt nicht ab von politischer Prominenz, sie trägt ihre Würde in sich selbst. Umgekehrt allerdings bietet die Kunst Politikern und Entscheidungsträgern eine Bühne für doppelt wertvolle Auftritte. Wer bei der Vernissage, zur Spielzeiteröffnung oder zum Festivalstart spricht, signalisiert dem Bürger: Meine politischen Entscheidungen haben dies hier erst möglich gemacht! Und weist sich nebenbei als kunstsinniger Kenner aus. Es soll Festivals geben, wo Bürgermeister, Landrat und Kunstminister nacheinander die Künste und ihren persönlichen Beitrag dazu rühmen. Eine Frage der Wertschätzung!

Wenn nun die Stadt Passau fast zwei Wochen vor dem landesweiten Neustart der Bühnen ein Jazzfestival – im eigenen Rathaus – ermöglicht, wenn Tageszeitung, Radio und Fernsehen berichten, wenn internationale Medien den Superlativ "Das erste Jazzfestival (weltweit) seit dem Lockdown" bemühen, dann freilich ist das ein Anlass und ein Podium, das kein Amtsträger versäumen darf. Die inzwischen vier Passauer Bürgermeister, Kulturreferent, Kulturamt, sie brauchen nur die Treppe heruntergehen und sagen: "Die Musik in Bayern war im Tiefschlaf, heute wird sie wachgeküsst! Bei uns in Passau! Darauf sind wir stolz, dafür sind wir dankbar. Kultur ist ein Nahrungsmittel, wir alle sind hungrig – drum lasst uns jetzt zusammen feiern!" Was hätte das für einen Applaus gegeben! Leider nur: Niemand fand es wert, hier zu reden. Warum auch immer.