Urlaub auf der Baumoos-Alm: Drei Tage im Nirgendwo

08.08.2014 | Stand 08.08.2014, 15:57 Uhr

Nur die Kuh und du: Auf der Baumoos-Alm in knapp 1300 Metern Höhe sieht man außer den Kühen und Mitreisenden kaum jemanden. Die Almhütte ist rund 250 Jahre alt − vor zwei Jahren hat sie Alois Sonnenhuber renoviert. − Fotos: Jennifer Jahns

Das Abenteuer beginnt schon vor der Reise: Nur ein Rucksack darf mit für die drei Tage auf der Alm. Da muss alles drin Platz finden: Schuhe, Kulturbeutel, Kleidung, Kamera. Das Buch muss daheim bleiben, ein zweiter Pulli ebenso. Sich aufs Wesentliche konzentrieren, das ist eines der Ziele dieser Reise. Und das beginnt eben beim Rucksackpacken.

Drei Tage auf der Baumoos-Alm südlich des Chiemsees warten auf mich: kein Strom, kein Handyempfang, kein warmes Wasser, eineinhalb Stunden Fußweg von der Zivilisation entfernt. Ich freue mich darauf: Mal nicht durch das Handy gegeißelt werden, gute Bergluft schnuppern, nah an der Natur sein. Den Kamera-Akku werde ich mir gut einteilen müssen – Aufladen ist nicht möglich.

Und tatsächlich, meine Vorfreude wird bestätigt: Die Alm ist wunderschön in den Bergen auf etwa 1300 Metern gelegen. Nichts zu hören außer Kuhglocken. Die Wiesen ringsherum duften nach Kräutern und Blumen. Auf dem Weg zur Alm fange ich mir verwunderte Blicke der Kühe ein, die es sich mitten auf dem Fußweg bequem gemacht haben. So oft kommt hier oben wohl kein Wanderer vorbei.

"Wollte weg aus der Leistungsgesellschaft"Vor der 250 Jahre alten Almhütte empfängt mich Alois Sonnenhuber in Lederhose und Trachtenjacke: "Willkommen, fühl dich wohl da herob’n!" Vor zwei Jahren hat der 55-Jährige begonnen, die Alm herzurichten. Hat aus alten Kuhställen eine gemütliche Küche und urige Aufenthaltsräume gemacht, hat den ersten Stock in eine Schlafkammer für rund zehn Personen umgebaut und durch einen Wassertank eine gewisse Wasserversorgung ermöglicht. Zuvor hat Sonnenhuber lange im IT-Bereich in leitender Position gearbeitet, wie er später erzählt. "Aber ich habe irgendwann gemerkt, dass ich was anderes möchte." Er wollte weg von dem Alltag, in dem es jedes Mal noch schneller gehen, es noch bessere Leistung geben muss. Da kam er über Bekannte an die ungenutzte Alm. Renovierte sie aufwendig. Und nutzt sie nun, um Urlaubern dort mit einer handverlesenen Auswahl an Personal entspannte Tage anzubieten, ihnen das Almleben zu zeigen oder auf Wunsch persönliche Beratungen in Lebensfragen – sogenannte Spiegelgesetz-Sitzungen − mit ihnen durchzuführen. Letzteres ist mir etwas zu schräg, aber den Rest genieße ich in vollen Zügen.

Nachdem ich mein Bündel Wäsche und Drogerieartikel in eine Holzkiste unter mein Bett geschoben habe, setze ich mich auf die Terrasse vor der Alm. Ganz weit hinten, zwischen den Bergen, sieht man die Zivilisation. Die Stadt Rosenheim ist zu erahnen. Aber hier, auf der Alm, fühlt sich das alles so weit weg an. Alles läuft hier etwas gemächlicher, man unternimmt, was die Natur hergibt. Biologin Ursula Grießer bietet beispielsweise eine Kräuterwanderung an. "Von dem Vergissmeinnicht könnt ihr was nehmen. Und auch die Vogelmiere und die Kleeblüten dürfen mit", deutet die 37-Jährige auf die Pflanzen in der bunten Almwiese. Aus dem Blumen-Gräser-Mix wird nicht etwa ein schöner Blumenstrauß − nein: Wir haben gerade die Zutaten unseres Salates fürs Abendessen gepflückt.

Den Rest des Tages kann man als Alm-Urlauber Holz hacken, auf Vogelstimmen-Wanderung gehen, Zäune für die Kühe reparieren oder Butter herstellen. Ich entscheide mich fürs Buttern. Mit altem Werkzeug und einer Butterschleuder wird innerhalb von rund 30 Minuten Kurbelarbeit aus der zuvor entrahmten Milch der Almkühe die hellgelbe Butter. Als ich kurbeln darf, gebe ich nach zwei Minuten dankend weiter an den nächsten Freiwilligen. Das Drehen ist wahnsinnig anstrengend.

Abends in der Essenskammer erkenne ich vieles wieder: Aus den bunten Blüten wurde dank Alm-Köchin Heidrun Schubert, die unter der Woche in München lebt und arbeitet, ein schöner Salat. Die Butter macht sich gut auf einem Schälchen. Dazu gibt es selbst zubereitete Brotaufstriche und frisch gebackenes Brot − hergestellt im Holzofen. Der Schinken lagerte im Felsenkeller − ohne Strom gibt’s auch keinen Kühlschrank. Beleuchtet wird alles durch zahlreiche Kerzen. Im schummrigen Lichtschein lasse ich mir das Abendbrot schmecken.

Das Handy ist nur noch TaschenlampeEine − fast schon enttäuschende − Erkenntnis mache ich später: Es gibt, anders als angekündigt, doch ein wenig Handyempfang. Irgendwie gucke ich deshalb regelmäßig auf das Teil. Am Abend, als ich in mein Bett klettere, nutze ich es jedoch nur noch als Taschenlampe, um ins Bett zu finden. Danach schalte ich es aus − Akku sparen.

Ich schlafe schnell ein. Das Kerzenlicht macht müde. Es hüllt die Alm abends jedoch in ein schönes Licht. Überall verteilt brennen ab der Dämmerung Kerzen in und vor der Almhütte. "An die 70 Kerzen brauchen wir an einem Wochenende", weiß Alois Sonnenhuber.

Als ich nach drei Tagen wieder im Tal, in der Zivilisation ankomme, als ich zum ersten Mal wieder Häuser, Straßen, Ampeln sehe, fühlt sich das schöne, ruhige Fleckerl da oben schon fast unwirklich an. Mit so wenig konnte ich auskommen in den vergangenen Tagen. Und eine Erkenntnis beruhigt ebenfalls: Notfalls passt das Leben in einen einzigen Rucksack.

INFO

Anreisen: Die Alm liegt in Bayern, nahe der österreichischen Grenze bei Kufstein. Mit dem Auto auf der A93 Richtung Innsbruck, Ausfahrt Oberaudorf. Vom Waldparkplatz am Sudelfeld zu Fuß in eineinhalb Stunden rauf zur Alm. Per Zug bis Bahnhof Oberaudorf.

Übernachten: Es gibt verschiedene Reisepakete der Baumoos-Alm, ab 590 Euro für vier Nächte mit Vollverpflegung und Ausflügen. Geeignet ist die Alm zum Beispiel für Einzelreisende, Familien, Sinnsuchende, Firmen- oder Geburtstagsgruppen. Alm-Betreiber Alois Sonnenhuber zählt sich zudem zu den sogenannten Lebensspiegelanwendern, einer Form der Lebensberatung. Auf Wunsch führt er bei Urlaubern kostenpflichtige Einzelsitzungen durch. Eine generelle Offenheit gegenüber derartigen Themen kann als Urlauber nicht schaden,  08033/ 309187, www.baumoosalm.de.

Schweinsteiger-Alm: Nahe Oberaudorf. Keine Übernachtungsmöglichkeit, bietet Almtage mit "Käsen" an.

Auskunft: Chiemsee-Alpenland Tourismus,  08051/96555-0, www.chiemsee-alpenland.de.

Jennifer Jahns, Redakteurin der Passauer Neuen Presse, reiste auf Einladung von Chiemsee-Alpenland Tourismus.