Nach Revision
Unbeteiligter stirbt bei Raser-Unfall: "Kalteck-Prozess" wird teilweise neu verhandelt

31.01.2022 | Stand 22.09.2023, 2:35 Uhr

Der Kalteck-Prozess endete nach etlichen Zeugenaussagen zunächst mit einer Verurteilung der beiden Angeklagten zu jeweils fünf Jahren Haft. −Foto: Binder

Der "Kalteck-Raser-Prozess" wird teilweise neu verhandelt. Darüber informiert das Landgericht Deggendorf am Montag in einer Pressemitteilung.



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Das Landgericht Deggendorf hatte am 22. November 2019 im sogenannten Kalteck-Prozess beide Angeklagte jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Landgericht sprach dabei sowohl den Autofahrer als auch den Motorrad-Fahrer wegen Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsschädigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie den Motorradfahrer zusätzlich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig.

Die Staatsanwaltschaft als auch die beiden Angeklagten hatten das Urteil akzeptiert bzw. die zunächst eingelegten Revisionen wieder zurückgenommen. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr über die Revisionen der Witwe und des Sohnes des Getöteten, welche sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen hatten, mit Beschluss vom 8. Dezember 2021 (Az. 4 StR 224/20) entschieden.

BGH änderte Urteil zu Gunsten des Motorradfahrers ab

Die Nebenkläger erstrebten mit der Revision eine Abänderung des Urteils zu Ungunsten des Motorradfahrers durch eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. Der BGH änderte das Urteil jedoch nicht zu Ungunsten des Motorradfahrers, sondern teilweise im Schuldspruch zu seinen Gunsten ab.

Der BGH sah bei dem Motorradfahrer den Straftatbestand des unerlaubten Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsbeschädigung (§ 315d Absatz 5 StGB) nicht als verwirklicht an. Denn der Straftatbestand knüpfe an die Voraussetzungen des § 315d Absatz 2 StGB an, welcher nach Auffassung des BGH jedoch als eigenhändiges Delikt ausgestaltet ist, das heißt eine solche Straftat kann nur von einem Täter, der die Tathandlung selbst (eigenhändig) ausführt, begangen werden.

Laut Bundesgerichtshof hat der Motorradfahrer, der die Kollision nach den Feststellungen des Landgerichts in der konkreten Rennsituation nicht unmittelbar selbst verursacht hatte, keinen eigenen Verursachungsbeitrag für die tödliche Kollision gesetzt. Der Motorradfahrer hat sich daher nicht wegen der Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsbeschädigung, sondern des unerlaubten Kraftfahrzeugrennens als solches, der fahrlässigen Tötung sowie der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht.

Hauptverhandlung wohl im Mai

Der Straftatbestand des § 315d StGB wurde erst zum 13.10.2017 neu im Gesetz eingeführt. Zum Zeitpunkt des Urteils am 22.11.2019 gab es zu der gegenständlichen Fragestellung - ob es sich bei § 315d Absatz 2 StGB um ein eigenhändiges Delikt handelt - noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der BGH entschied hierüber erst danach in einem anderen Verfahren mit Urteil vom 11.11.2021 (Az. 4 StR 511/20). Diese neuere Rechtsprechung, welche – so der BGH - dem Landgericht noch nicht bekannt sein konnte, wurde auf den gegenständlichen Fall nunmehr übertragen.

Die Abänderung des Schuldspruchs zu Gunsten des Motorradfahrers zieht die Aufhebung der für diese Tat verhängten Strafe nach sich. Eine andere Strafkammer des Landgerichts Deggendorf hat daher nunmehr neu über die zu verhängende Einzelstrafe zu verhandeln und eine neue Gesamtstrafe zu bilden.

Während bei der Teilnahme an einem unerlaubten Kfz-Rennen mit Todesfolge (§ 315d Abs. 5 StGB) im gesetzlichen Regelfall eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen ist, steht nunmehr bei der fahrlässigen Tötung ein gesetzlicher Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zur Verfügung. Die Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat der Bundesgerichtshof ebenso bestätigt wie den Entzug der Fahrerlaubnis und die Anordnung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von drei Jahren und sechs Monaten. Die Hauptverhandlung wird voraussichtlich im Mai 2022 beginnen.

− red