Prerow – Ein Geheimtipp für Grüß-Gottler

19.03.2022 | Stand 21.09.2023, 23:35 Uhr

Der feine Sandstrand unter den nackten Füßen, die Windflüchter, das aufschäumende Meer und dieser salzig-fischige Geruch bieten ein Naturschauspiel. −Fotos: Häusler

Einst war das Ostseebad Prerow bekannt als Mallorca der DDR. Inzwischen weiß es, mit Kultur und Natur zu überzeugen. Zu jeder Jahreszeit bietet der Küstenort einzigartige Erlebnisse.

In den 1930er Jahren lässt Hitlers Helfer und Reichsjägermeister Hermann Göring Wisente in dieser besonderen Landschaft aussetzen. Zu DDR-Zeiten erfreut sich die SED-Führungsriege am Darßwald als Staatsjagdgebiet. Heute wird durch den Nationalpark geradelt, am Dünenstrand die Freikörperkultur ausgelebt. Viele Ostdeutsche und Hauptstädter verbringen ihren Sommerurlaub auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, zwischen Ostsee und Bodden. Einige davon verschlägt es immer wieder ans Ostseebad Prerow. "Und im Herbst kommen die Grüß-Gottler", sagt Antje Hückstädt augenzwinkernd.
Sie ist in Prerow aufgewachsen, kennt ihr Heimatdorf in- und auswendig. Etwa 1500 Einwohner zählt die Gemeinde, dazu kommen in der Hauptsaison 10000 belegte Gästebetten und 4000 Tagesgäste. 2019 reisten 137424 Personen nach Prerow, die Übernachtungszahl lag bei über einer Million. Doch vom Trubel der Hauptsaison bekommt der Grüß-Gottler im Oktober eher wenig mit, wenngleich die meisten Ferienwohnungen immer noch gut gebucht sind, wie zweite Bürgermeisterin Sylke Hagemeister, die selbst Unterkünfte anbietet, über das Tourismusjahr 2021 berichtet.

"Wir sind hier in dieser Werkstatt groß geworden"

Antje Hückstädt ist in Prerow eine gefragte Frau: Als Diplom-Museologin leitet sie seit 2000 das Darß-Museum, das aktuell geschlossen ist, weil es umgebaut und erweitert wird. Ein Millionen-Projekt, an dem noch ein paar Jahre gewerkelt wird. Üblicherweise begrüßen sie und Freunde des Museumsfördervereins im Jahr 20000 Besucher, die sich für die Halbinsel, die Geschichte des Hauses, die Seefahrt und die Darßer Türen, deren kunsthandwerkliche Herstellung seit 2018 zum immateriellen Kulturerbe gehört, interessieren. Doch nicht nur diesem Museum widmet sich die Frau, die auf Knopfdruck Plattdeutsch "spreken" kann.
Antje Hückstädts zweite Leidenschaft sind Pilze: Ob Gelber Knollenblätterpilz, Nebelgrauer Trichterling oder Samtfuß-Holzkrempling. Bei einer Pilzwanderung bestimmt sie ein Exemplar nach dem anderen, erklärt die Unterscheidungsmerkmale und sorgt dafür, dass sich das Körbchen für das Abendessen füllt – mit der Garantie, am Ende keinen bitteren oder gar giftigen Schwammerl zu verspeisen. Wer gut aufpasst, weiß am Ende, dass man dem Gericht mit einem Langstieligen Knoblauchschwindling eine besonders würzige Note verpassen kann.
Wer vom Wald zurück zur Ferienwohnung schlendert, sieht immer wieder prachtvoll verzierte Haustüren, welche unter anderem die Verbundenheit mit dem Meer und damit zur Seefahrergeschichte aufzeigen. Die Brüder René und Dirk Roloff führen eine Kunsttischlerei in sechster Generation und fertigen diese besonderen Haustüren an. Sie sind die letzten ihres Standes. "Wir sind hier in dieser Werkstatt groß geworden", sagt Dirk Roloff, während er eine Ornamentplatte mit einem kräftigen Gelb bepinselt. Bis zur Wende haben die Roloffs die Darßer Türen eigentlich nur für Menschen in Prerow hergestellt.

Inzwischen gibt es die Exemplare auf mehreren Kontinenten. Und auch in der Oberpfalz soll ein solches Schmuckstück aufzufinden sein. "Um 1700 wurden die ersten Darßer Haustüren angefertigt, als Zeichen des Wohlstands. Die Motive waren geprägt vom Klassizismus, wenngleich eine Verbindung zum Volkstümlichen geschaffen wurde", erzählt René Roloff, der zugleich Prerows Bürgermeister ist. Er kümmert sich um die Belange der Kommune, schnitzt Schiffe, Tulpen sowie aufgehende Sonnen und erklärt Touristen Wissenswertes über die Darßer Haustüren. Die klopfen an die Werkstatttür und fragen: "Dürfen wir mal reinschauen?"
Seit Ende des 19. Jahrhunderts kommen Touristen nach Prerow. Wo früher NVA-Militärgebiet gewesen ist, führen heute Radwege durch den Nationalpark zum Weststrand. Er gilt als einer der schönsten Strände Deutschlands und Europas, erläutert etwa der Darß-Kenner und Journalist Frank Burger. Per Fahrrad, mit Pferdekutsche oder zu Fuß geht’s durch den autofreien Wald, in dem sich der 1848 erbaute Leuchtturm am Darßer Ort besichtigen lässt. Er misst eine Höhe von 35 Metern. 126 Treppenstufen sind bis zur Aussichtsplattform zu erklimmen. Noch. Denn "die Tage des Leuchtturms sind gezählt", steht auf einer Plakette geschrieben. Wegen der Küstendynamik geht jährlich ein Meter Land verloren, in etwa 50 Jahren wird die Ostsee das Bauwerk unterspülen.

Das Meeresrauschen im Darßwald

Der feine Sandstrand unter den nackten Füßen, die Windflüchter, Bäume, deren Wuchsform vom Wind vorgegeben wird, das aufschäumende Meer und dieser salzig-fischige Geruch bieten ein Naturschauspiel. Doch schon der Weg zum Strand schenkt dem lauschenden Touristen einen besonderen Moment. Nicht das Vogelgezwitscher, sondern das Meeresrauschen bestimmt die Geräuschkulisse hier.
Je nach Reisezeitraum können sich die Geräusche in und um Prerow stark unterscheiden, insbesondere im Herbst: Im September brunften Hirsche im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Dünen, Wald, brunftende Hirsche und die Ostsee – ein einmaliger Anblick.
Zu Gast kommen außerdem Zehntausende Kraniche, die sich für den Flug gen Süden Energiereserven anfressen. Die Reederei Poschke bietet dazu Kranichtouren. Dabei fährt ein Mississippi-Schaufelraddampfer den Prerowstrom entlang in den Bodstedter Bodden, um am Abend die einfliegenden Kraniche bestaunen zu können.
Prerow ist im Vergleich zu den anderen Gemeinden auf Fischland-Darß-Zingst wohl die, die sich bisher am langsamsten entwickelt hat. Noch heute sind manche Straßenzüge nicht asphaltiert, Quer verlegte Platten beanspruchen die Federn der zahllosen Mieträder, mit denen die Touristen durch den Ort treten. Doch es stehen Veränderungen an.
Im Frühjahr soll der Bau des Hafens in Prerow beginnen. Vor dem beschaulichen Prerow soll die längste Seebrücke Europas entstehen, an der auch Schiffe anlegen können. Vor allem von einer womöglich künftigen Fährverbindung in Richtung Dänemark erhofft sich Bürgermeister René Roloff finanzstarke Tagesgäste. Und andersrum würde sich von Prerow aus eine Tür gen Skandinavien öffnen.
Die Gemeinde Ostseebad Prerow hat rund 1500 Einwohner, die auf einer Gesamtfläche von etwa 11,3 Quadratkilometern zu Hause sind. Prerow befindet sich an der mecklenburgisch-vorpommerschen Ostseeküste am Prerowstrom, der als Anbindung an den Bodstedter Bodden dient. Bodden sind durch Inseln oder Landzungen vom Meer abgetrennte flache Küstengewässer. Wesentliche Unterschiede im Vergleich zur Ostsee sind beispielsweise der geringere Salzgehalt, der fehlende Seegang und der erheblich größere Nährstoffreichtum.

ANREISEN
Die Anreise mit dem Auto ist zu empfehlen, da die Anbindung öffentlicher Verkehrsmittel zu einem größeren Bahnhof oder zu einem Flughafen nicht gegeben ist.

ÜBERNACHTEN
Der Großteil der insgesamt 10000 Gästebetten wird mittels Ferienwohnungen abgedeckt. Des Weiteren gibt es Hotels in verschiedenen Preisklassen sowie die Camping-Anlage Regenbogen.

www.ostseebad-prerow.de

www.nationalpark-vorpommersche-boddenlandschaft.de