Was kritisiert Satire? Und warum?
Monika Gruber und die nackte Angst vorm Veganer

04.11.2019 | Stand 21.09.2023, 6:29 Uhr

Monika Grubers Vermessung der Welt in der Passauer Dreiländerhalle ergibt: Alles und alle werden immer noch wahnsinniger. Normal ist eigentlich nur sie selbst. Nach ihrem Auftritt am 11. Dezember in der Münchner Olympiahalle hat die Künstlerin eine Pause von eineinviertel Jahren angekündigt. −Foto: Toni Scholz

Humor und Spott sind die wunderbare Waffe des Ohnmächtigen gegen herrschende Zustände und Menschen, die einem unerträglich sind. "Die Wirklichkeit ist also hier ein nothwendiges Objekt der Abneigung", wie Friedrich Schiller sagt. "Aber, worauf hier alles ankömmt, diese Abneigung selbst muß wieder nothwendig aus dem entgegenstehenden Ideal entspringen." Auf gut Deutsch: Der Satiriker leidet unter dem, was ist, und kritisiert es, weil es idealerweise anders sein sollte. Darum ist die interessanteste Frage bei jeder Satire: Was kritisiert der Satiriker? Und welches Ideal will er stattdessen verwirklicht sehen?

Angst vor "Ökodiktatur" und "Diktatur der Toleranz"Der triumphale Auftritt der Kabarettistin Monika Gruber mit ihrem Programm "Wahnsinn" vor rund 3000 Gästen am Mittwochabend in der seit Langem ausverkauften Passauer Dreiländerhalle bietet die Gelegenheit, dieses Verhältnis von Wirklichkeit und Ideal zu vermessen. Gruber, schauspielerisch hoch professionell und mit einer gigantischen Pointen- und Lachdichte, sieht sich als "konservativ-liberal", fühlt sich aber "an den rechten Rand" gestellt von der "Diktatur der Toleranz".

Und so regt sich die 48-Jährige Entertainerin auf: über das Versagen des Staates, der einen Straftäter wie Anis Amri nicht abschiebt, bevor er zum Terroristen wird. Über Türken, die das freie Leben in Deutschland genießen und zu 65 Prozent den Despoten Erdogan wählen – als würde ein freilaufendes Huhn "nach der Käfighaltung schreien". Recht hat sie! Denn weiter können Wirklichkeit und Ideal kaum auseinanderklaffen.

Gruber regt sich aber auch auf, dass man so vieles nicht mehr sagen darf – und sagt dann all das, was man also doch sagen darf, öffentlich, vor Tausenden Gästen: "Mohrenkopf", "Zigeunerschnitzel", das Tischgebet der Oma: "Lieber Gott wir danken dir, dass die Neger hungern und nicht wir". Dass jemand deshalb Frau Gruber verklagt hätte, ist nicht bekannt. Kritisiert wird also eine behauptete restriktive Wirklichkeit, der sie ihr umso mutiger erscheinendes "Scheiß da nix, dann feid da nix!" entgegensetzt. Als wäre die Stasi hinter uns allen her, ermuntert sie das Publikum: "Traut euch immer sagen, was ihr denkt!" Und rügt zugleich die "Kabarettpolizei" – Journalisten, die sagen, was sie denken. Die Meinungsfreiheit beginnt ja gerade dort, wo der andere eben nicht einverstanden ist, wo Kritik hin- und herfliegt; sonst wäre sie ja gar nicht nötig.

Wohin Gruber auch blickt, überall sieht sie "Wahnsinn", und der sei auch nicht mehr aufzuhalten. Einzige Option: Rückzug. "Inseln schaffen, wo du du sein kannst." Die Oma im Altenheim besuchen, Eltern zum Essen einladen, Freundschaft pflegen. Die Welt ist irre geworden. Normal – zu dem Schluss muss man am Ende kommen – ist eigentlich nur Monika Gruber, und das Publikum, das ihre Haltung teilt.

Der Rest spinnt. Seit Hofnarrs Zeiten ist Satire das Instrument, ungestraft zur Abwechslung mal die Mächtigen an den Pranger zu stellen. Heute, da der Weltklimarat und die Kinder der Bewegung Fridays for Future dies übernommen haben, passiert Bemerkenswertes: Manch’ Satiriker kritisiert nicht mehr die Mächtigen, sondern die de facto Machtlosen.

"Gwscherl" ist, wer kein Fleisch isstKürzlich hat Bruno Jonas den Horror einer "Ökodiktatur" drastisch ausgemalt. Greta geht Monika Gruber auf die Nerven. Dass der Krampus keine Kinder mehr in den Sack stecken soll, regt sie auf. Dass Psychotherapien gängig werden, regt sie auf. Die "MeToo-Hysterie" regt sie auf, das dritte Geschlecht (geschätzt 0,1 Prozent der Bevölkerung) und vor allem: Veganer, dieses "Gschwerl" (1,6 Prozent). Freilich darf einen das alles nerven. Nur um auf Schiller zurückzukommen: Was genau wird hier eigentlich kritisiert?

Deutsche Kantinen sind sehr weit davon entfernt, Currywurst- und Leberkäs-frei zu sein. Jeder darf sich ein 2,5 Tonnen-Auto mit 11 Litern Verbrauch kaufen, um die Welt jetten und so viel Schnitzel, Milch und Alkohol verzehren, wie er möchte. Vieles von dem "Wahnsinn", der da kritisiert wird, stellt sich als Minderheitenposition heraus. Davon kann man sich bedroht fühlen.

Oder man scheißt sich nix.