Mit dem Zug nach Krumau

27.12.2013 | Stand 27.12.2013, 10:59 Uhr |

"Lassen Sie es nicht verdrießen, einen Tag in dem malerisch gelegenen Städtchen Aufenthalt zu nehmen", riet der in Prag geborene Dichter Rainer Maria Rilke zum Besuch in Krummau.  − Fotos: Toni Wölfl

Einsame Inseln im tiefblauen Wasser, nostalgische Stimmung einer Mittelalterstadt und eine ungewohnte Sprache: Das alles liegt für Ostbayern nur eine kurze Zugfahrt entfernt. Wer von Haidmühle im Landkreis Freyung-Grafenau weiter ins tschechische Neuthal, Nové Údolí, fährt und in den Zug, ulak, einsteigt, gelangt schnell in eine fremde Welt: Krummau, Český Krumlov [Tsches.ki Krum.lof], nur 70 Kilometer Luftlinie von Passau entfernt.

Das Zugticket wird bei der Schaffnerin im Zug bezahlt. Sie spricht ein wenig Deutsch. Wieviel, bitte? Kolik, prosim? 390 Tschechische Kronen, rund 16 Euro für drei Personen, hin und zurück. Man kann in Euro und Tschechischen Kronen bezahlen, als Wechselgeld erhält man nur Tschechische Kronen. "Danke. Dekuju." [Dje.ku.ju] Stimmungsvolle Landschaften ziehen am Fenster vorbei, Bäche, Wälder, dazwischen stehen verfallene Häuser, vor denen frisch gewaschene Wäsche hängt. 16 Stationen sind es bis zum Ziel, alle zehn Minuten hält der Zug, Eine Stunde und 45 Minuten dauert die Fahrt.

Im Waggon sitzt ein tschechisches Ehepaar, das mit Fahrrädern reist. Außerdem eine vierköpfige Reisegruppe aus Augsburg, die Krummau, "die schönste Stadt nach Prag", zum Ziel hat. Darunter ist Johann Spannbauer, dessen Mutter aus Wallern, Volary, stammt und die im Mai 1946 aus ihrer Heimat vertrieben wurde. Der 64-Jährige besucht regelmäßig den elterlichen Hof, zu dessen derzeitigem Besitzer er Kontakt hält. Tschechisch kann Spannbauer aber nicht.

Vorbei an der Heimat Adalbert StiftersDeshalb wünscht er sich auch, dass auf der elektrischen Anzeige im Zug die Stationen zweisprachig durchlaufen würden. "Die Information auf Deutsch könnte besser sein." Pristi stanice: Horní Planá, zeigt die Tafel gerade an. Nächste Haltestelle: Oberplan. Das ist die Heimatstadt des Dichters Adalbert Stifter. Das Haus, in dem er 1805 – im Todesjahr Schillers – geboren wurde, ist heute ein Museum. Seine ersten 13 Lebensjahre verbrachte Stifter hier. Damals gab es den Moldaustausee noch nicht, heute tummeln sich dort Badegäste, Angler und Segler. Vermutlich zehrte Adalbert Stifter von den Beobachtungen in seiner idyllischen Heimat, als er in seinem dreibändigen Roman "Nachsommer" detailreich und ausführlich jede kleine Regung der Natur beschrieben hat.

In Honetschlag, Hodnov, steigen vier bärtige Männer in Militärjacken dem Zug zu. Sie sprechen Tschechisch und lachen hemmungslos, einer verstaut eine leere Glasflasche in seinem tarnfarbenen Rucksack. Ihr lautstarkes Intermezzo endet im Marienwallfahrtsort Gojau, Kajov, kurz vor Krummau.

Der dortige Bahnhof, Nádraží, ist bei der Ankunft in Rauch verhüllt. Ein Anwohner hat im Garten ein Lagerfeuer entfacht, er hält es mit Ästen und Laub fröhlich am Brennen. Die Menge sucht den Ausgang und geht zum Bus, der in die Altstadt fährt. Doch der Busfahrer nimmt nur Tschechische Kronen. Die Wechselstube, Směnárna [Schme.narna], am Bahnhof hat geschlossen. Dann eben zu Fuß einmal rechterhand und dann immer bergab, es dauert ohnehin nur zehn Minuten bis in die Stadt.

Unten im Zentrum ist alles auf Touristen ausgelegt. Durch ein steinernes Tor am Ende einer gepflasterten Brücke schreitet man in die Altstadt, hinein in enge Gassen, und wird Teil des Spiels zwischen Händlern und Touristen. "Dobry den! Guten Tag!" schallt es von allen Seiten. Essensstände bieten frittierte Süßigkeiten, der Geruch von frischem Baumkuchen liegt in der Luft, Pferdekutschen bahnen sich den Weg durch chinesische Reisegruppen, Karel Gott lacht aus dem Schaufenster eines Plattenladens.

Höhepunkt ist sicherlich das Schloss, von dem aus man die Altstadt überblickt. Ein wenig fühlt man sich an die Veste Oberhaus in Passau erinnert: Nur dass man in Krummau auf UNESCO-Weltkulturerbe hinabschaut. Die 13 000-Einwohner-Stadt an der Schleife der Moldau, Vltava, und daher beliebte Destination von Kanufahrern, war heuer auch vom Hochwasser betroffen. Die Stadt bietet eine original erhaltene Barockbühne, deren Maschinerie per Hand bedient wird, ein Folter- und Wachsfigurenmuseum und das Egon-Schiele-Art-Centrum. Die St.-Veit-Kirche ragt aus dem Stadtzentrum empor.

Ein Besuch lohnt zu jeder Jahreszeit. Das wusste bereits der Dichter Rainer Maria Rilke. 1895 soll er über Krummau geschrieben haben: "Wenn einmal ein Zufall, müßige Reiselust oder der Tod Ihrer verehrten Frau Erbtante Sie nach Südböhmen führt, lassen Sie es nicht verdrießen, einen Tag in dem malerisch gelegenen Städtchen Aufenthalt zu nehmen."

Viele kleine Restaurants laden dazu ein, tschechische Küche und das herbe Bier, Pivo, der Krummauer Brauerei Eggenberg zu probieren. Kann man in Euro bezahlen? Die Antwort lautet stets ja, ano. Ein nein, ne, würde man von den gastfreundlichen Nachbarn ohnehin nicht hören.

INFOWeitere Auskünfte gibt es beim Touristzentrum Český Krumlov unter  00420/380704621-623. Die Abfahrtszeiten der Züge von Nové Údolí nach Český Krumlov und zurück finden sich unter www.reiseauskunft.bahn.de.

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