Geht die Rekordjagd weiter?
Landmaschinenhersteller: Volle Auftragsbücher und zunehmend Lieferkettenprobleme

10.04.2022 | Stand 21.09.2023, 21:53 Uhr

2022 keine Claas-Mähdrescher mehr? Dem Gerücht stellt sich das Unternehmen vehement entgegen – auch wenn der Teilenachschub schwierig ist. −Foto: Gentsch, dpa

Die Hersteller von Landtechnik erleben seit Jahren einen regelrechten Boom. Daran konnte im Jahr 2020 sogar die Corona-Pandemie nichts rütteln. Doch das könnte sich nun ändern.



Die Branche verbuchte ein neues Umsatz-Allzeithoch. Und auch 2021 setzte sich der Trend fort. So langsam spüren allerdings auch die Hersteller von Traktoren, Mähdreschern und anderem landwirtschaftlichen Gerät die Folgen der jüngsten Krisen.

Ein Beispiel ist der Landmaschinenkonzern Claas. Das Unternehmen aus der Nähe von Gütersloh verzeichnete in 2021 einen Umsatzsprung um gut 19 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro – neuer Rekord. Das Ergebnis vor Steuern hat sich auf 357 Millionen mehr als verdoppelt. Ob das so weitergeht? "Wir sehen derzeit rund um den Globus eine sehr stabile Nachfrage nach Claas-Technik, können dieser aber nicht überall in vollem Umfang gerecht werden", meint ein Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Hintergrund seien wie in anderen Branchen Lieferengpässe. Welche Dinge fehlen, lasse sich "im Wochenrhythmus neu beantworten. Mal fehlen Elektronikbauteile, mal sind es die Fußmatten."

2022 keine Mähdrescher mehr von Claas?

Claas ist nach eigenen Angaben europäischer Marktführer bei Mähdreschern. Die Erntemaschinen sind fester Bestandteil der Unternehmenshistorie. In den vergangenen Wochen wurde an unsere Redaktion aber das Gerücht herangetragen, die Gruppe haben für heuer alle Auslieferungen absagen müssen, da vor allem aus Russland stammende Teile nicht zu bekommen seien. Das Unternehmen reagiert verwundert: "Diesem seltsamen Gerücht widersprechen wir entschieden." Richtig ist, dass Claas seit einigen Wochen keine neuen Aufträge mehr annehme, die noch kurzfristig für die Ernte 2022 ausgeliefert werden sollen. "Alle bestehenden Aufträge wollen wir jedoch bedienen, der Großteil der Mähdrescher für die Ernte 2022 ist auch bereits produziert", so der Sprecher.

Dennoch könnte es bei einzelnen Maschinen zu Verspätungen kommen. Die Zeit bis zur Ernte nutze man aber, um mit Vertriebspartnern und den Gebrauchtmaschinen-Zentren "für jeden betroffenen Kunden eine Lösung zu finden".

Ein solches Zentrum findet sich im Vohburger Stadtteil Rockolding (Kreis Pfaffenhofen). Hier werden rund 150 Maschinen im Jahr an die Kunden ausgeliefert – darunter Neu- und Gebrauchtgerät von Traktoren über Erntemaschinen bis hin zu Geräten zur Düngung und Bodenbearbeitung. Der Betrieb ist Teil der Claas Main-Donau GmbH & Co. KG mit Sitz in Gollhofen nahe Bad Windsheim. Auch in Rockolding ist die Unsicherheit spürbar: "Die Nachfrage war in den Wintermonaten und im Frühjahr sehr gut. Aber die Kunden machen sich schon Sorgen, ob etwa der neue Mähdrescher rechtzeitig zur Ernte kommen wird", beschreibt Werner Thaller die Situation. Der Verkaufsberater erklärt, man rate den Kunden aktuell, die alte Maschine vorsichtshalber noch etwas zu behalten und nicht zu schnell zu verkaufen. "Nur für alle Fälle, man weiß ja nie." Denn längere Lieferzeiten seien einfach nicht mehr auszuschließen. Noch keine Engpässe gebe es bei der Wartung: "Bisher haben wir alle Ersatzteile vorrätig gehabt", sagt Thaller weiter.

Auch Fendt spürt die Krisen der Welt

Einer der bekanntesten bayerische Landmaschinenhersteller ist Fendt. Wie die Firma aus Marktoberdorf im Kreis Ostallgäu berichtet, beträfen die Lieferschwierigkeiten das Unternehmen ebenso. Eine Sprecherin zählt Halbleiter, Spezialstähle und weitere Rohstoffe auf. Hinzu kämen Produktionsausfälle durch hohen Krankenstand in der gesamten Lieferkette. Allerdings sei die Produktion bislang nur geringfügig beeinflusst gewesen. "Durch unsere sehr guten und engen Beziehungen zu Lieferanten sowie hochgefahrene Lagerbestände konnten wir diese Störungen unserer Produktion gering halten", heißt es.

Auch der Ukraine-Krieg beschäftigt die Firma: "Wir haben sorgfältig überlegt, wie wir den Landwirten am besten helfen und gleichzeitig die notwendigen Maßnahmen als Reaktion auf die Angriffe ergreifen können. Mit Beginn des Angriffs auf die Ukraine hat Agco den Verkauf neuer Maschinen nach Russland und Weißrussland sofort ausgesetzt", teilt der US-Konzern Agco mit, zu welchem Fendt gehört. 50 Menschen arbeiten für Agco in der Ukraine. Auf dem Fendt-Werksgelände in Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt) halte man zehn Wohnungen für Menschen aus der Ukraine bereit; weitere seien bereits in der Vorbereitung.

Der Verband sieht auch einige Lichtblicke: "Volle Auftragsbücher und hohe Auftragseingänge prägen die Lage auch gegenwärtig", so ein Sprecher des Landtechnik-Fachverbands im VDMA gegenüber unserer Zeitung. Die Industrie habe derzeit alle Hände voll zu tun, die hohen Auftragsbestände auch zeitnah abzuarbeiten. Man lote nun alternative Liefer- und Logistikwege für Komponenten und für Vorprodukte aus. Wegen fehlender Containerschiffe müsse etwa auf die "wesentlich kostenintensivere" Luftfracht ausgewichen werden. Und die Verwerfungen infolge des Krieges machen dem Fachverband ebenfalls Sorgen.

− red