Lesung am 23. April in Passau
David Schalkos Anti-Heimat-Roman "Bad Regina"

10.04.2022 | Stand 21.09.2023, 0:16 Uhr |
Peter Mohr

David Schalko zeigt sich etwas unentschieden im Roman "Bad Regina". −Foto: Ingo Pertramer

Der 1973 geborene Wiener David Schalko ist bekannt geworden als Autor von Fernsehserien wie "Willkommen Österreich" und "Braunschlag" und mit Filmen wie "Aufschneider" mit Josef Hader. Schalko weiß, wie man spannende Geschichten "baut", humorvolle Dialoge platziert und dennoch ein ernsthaftes Sujet im Fokus hat. In seinem fünften Roman – den er am 23. April in Passau vorstellt – entführter die Leser in den vom Verfall gezeichneten, ehemals mondänen Ort Bad Regina in den Hohen Tauern, der Bad Gastein nicht unähnlich ist.

Hier gaben sich Adlige, die politische und kulturelle Schickeria und Industrielle aus ganz Europa über viele Jahrzehnte ein Stelldichein. Schalko inszeniert ein Untergangsszenario, in dem es um mehr als einen Kurort geht. Die Zerstörung der europäischen Kultur wird von einigen Figuren prophezeit, weil eine "feindliche Übernahme" aus Fernost den Ort bedroht. Von Verfall und Niedergang sind die einstigen Prachtbauten in gleichem Maße betroffen wie die Bewohner. Viele "Eingeborene" haben ihre Immobilien an den dubiosen Investor Chen verkauft, ohne zu wissen, was der mit Bad Regina vor hat.

44 hartgesottene Einwohner bleiben zurück in Bad Regina. Alle haben (warum eigentlich?) kleine oder große Macken, die Schalko zum Gegenstand von erzählerischen Schlenkern macht. Dieser Ritt durch den "Neurosen-Zoo" bietet eine Mischung aus erzählten Sketchen und den Wirtshaustheken abgelauschten Kalauern.

Da ist ein vorbestrafter Pfarrer, ein Zahnarzt, dem es vor allem um den eigenen Geldbeutel geht, eine Lehrerin, die sich vom Schüler schwängern ließ, der Gastronom Moschinger, der Thomas Bernhards Lederhose ersteigert hat, sich als sprücheklopfender Epigon des Dichters versucht und einen syrischen Flüchtling aufnimmt. Dagegen wettert der Bürgermeister Zesch, ein stramm nationaler Poltergeist, der sich als Bewahrer von Recht(s) und Ordnung aufschwingt.

Der eigentliche Protagonist und Gegenspieler Chens ist Ex-Disco-Betreiber Othmar, der vom Pflegegeld für den einst angesagten, jetzt (nach einem Skiunfall) im Koma liegenden englischen Techno-DJ Alpha lebt. Schalkos Roman streift bisweilen die Grenze zum Klamauk, transportiert aber auch jede Menge Gesellschaftskritik. Rechtes Gedankengut wird effektvoll paraphrasiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Es fehlen allerdings die identitätsstiftenden Figuren, der Autor belässt es bei einem Ensemble bunter Harlekine. Schalkos Anti-Heimatroman schwankt dabei unentschieden zwischen funkelnder Ironie und brachialer Kraftmeierei.

Am Ende stellt sich gar heraus, dass das Feindbild nicht aus China stammt, sondern aus einer in achter Generation in Hallstatt lebenden Familie. Ist das ein Trost? Wohl kaum. Da halten wir uns eher an den letzten Satz: "Der Wasserfall rauschte, so wie er immer rauschte."

Peter Mohr

Kiwi, 397 Seiten, 24 Euro. Lesung in Passau am 23. April um 20 Uhr im Café Museum, Reservierung: www.cafe-museum.de

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