Berlin
Gesetze gegen Hass im Netz: Pro & Contra

18.05.2017 | Stand 18.05.2017, 18:58 Uhr

Gegen Hass im Netz - Pro und Contra. −Symbolfoto: dpa

Jetzt soll es ganz schnell gehen mit dem Gesetz gegen Hass im Netz. An diesem Freitag berät der Bundestag in erster Lesung über den Entwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Ist das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" eine überfällige Maßnahme zum Schutz vor Verleumdung und Hetze auf Facebook, Twitter und Co. oder ein Angriff auf die Meinungsfreiheit im Netz?

Pro

Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion:

Früher gab es viel weniger Möglichkeiten, der Allgemeinheit seine Meinung kundzutun: einen Leserbrief schreiben, eine Anzeige schalten oder beim Zuschauertelefon des Fernsehens anrufen. Durch das Internet hat sich der gesellschaftliche Diskurs im Netz massiv verändert: Facebook, Twitter und Co schaffen nicht nur völlig neue Möglichkeiten der Meinungsäußerung und Diskussion. Auch gezielte Falschmeldungen, Propaganda und immens zunehmende Hassrede werden ungefiltert versendet. Das birgt eine große Gefahr für die freie, offene und demokratische Gesellschaft. Deshalb darf für strafbare Hetze in sozialen Netzwerken kein Platz sein. Unser Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ist eine wichtige Maßnahme gegen die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren Fake News. Wir wollen Meinungsfreiheit im Netz und keine Zensur. Bußgelder werden nur verhängt, wenn soziale Netzwerke kein taugliches Verfahren zur Löschung von Hasskommentaren, Beleidigungen oder Straftaten einrichten. Die Beurteilung muss vertretbar begründet sein. Das Gesetz greift nur bei Netzwerken, aber nicht bei Maildiensten, beruflichen Netzwerken oder Messenger-Dienste. Außerdem soll ein soziales Netzwerk nur auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung Auskunft über Kundendaten erteilen dürfen. Diesen Richtervorbehalt wollen wir durch Änderungen im parlamentarischen Verfahren ausdrücklich im Gesetzestext verankern. Das Gesetz kann aber nur ein Baustein von vielen sein. Insbesondere die Justiz bleibt gefordert: Wer strafbare Inhalte im Netz verbreitet, muss von der Justiz konsequent verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden.

Contra

Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer:

Im Internet darf es keine Freiräume für Hassrede und Kriminalität geben. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist allerdings völlig ungeeignet, dieses Ziel zu erreichen. Schlimmer noch: Es verspricht schnelle Abhilfe, richtet aber mehr Schaden an, als es nutzt. So wird die Löschung von "offensichtlich rechtswidrigen Inhalten" innerhalb von 24 Stunden gefordert. Aber was ist "offensichtlich rechtswidrig", etwa bei Beleidigung oder Verleumdung? Das Schmähgedicht von Jan Böhmermann? Oder eine Satire-Sendung, die eine rechtsnationale Politikerin als "Nazi-Schlampe" tituliert? Selbst Richter tun sich mit Antworten schwer – und kommen oft zu überraschenden Ergebnissen. Der Einzelne beurteilt Sachverhalte häufig anders als es Gerichte nach sorgfältiger Abwägung tun. Was Richtern mit all ihrer juristischen Kompetenz kaum gelingt, sollen nun Online-Plattformen im Schnellverfahren erledigen. Das Gesetz installiert private Standgerichte im Internet, nicht mehr und nicht weniger. Weil es hohe Bußgelder androht, werden die Plattformen gemeldete Inhalte im Zweifel löschen. Namhafte Juristen halten das Gesetz auch deshalb für verfassungswidrig. Die Standgerichte sprechen Recht im Zack-Zack-Modus und setzen es sofort um. Unzählige Beiträge, die zwar nicht allen gefallen, aber vielleicht auch gerade deshalb besonders wertvoll sind, werden dem Gesetz zum Opfer fallen. Wollen wir das wirklich? Dieses Gesetz ist gut gemeint und schlecht gemacht. Wir leben in einer pluralistischen Demokratie. Sie müssen wir schützen.