Liebenswürdig nostalgisch
Erwachsenwerden in den 70ern: "Licorice Pizza"

25.01.2022 | Stand 21.09.2023, 2:53 Uhr
Sascha Rettig

Der Sohn des 2014 gestorbenen Philip Seymour Hoffman, Cooper Hoffman, spielt die Hauptfigur Gary Valentine, der sich in eine zehn Jahre ältere Frau verguckt. −Foto: Metro-Goldwyn-Mayer Pictures

Pizza mit Lakritze klingt nach einer reichlich verwegenen Idee. Weit verwegener noch als der nach wie vor äußerst polarisierende Einfall, Ananas auf eine Pizza zu legen. Doch in "Licorice Pizza", so der Originaltitel des neuen Films des Regievirtuosen Paul Thomas Anderson ("The Master"), geht es nicht um Pizza und schon gar nicht mit Lakritze darauf. Er ist vielmehr eine Anspielung auf schwarze Vinyl-Schallplatten, auf Musik und auf die "Licorice Pizza"-Plattenläden, die in den 70er Jahren in Südkalifornien existierten. Und damit ist man schon mittendrin in dieser herzigen Geschichte über das Erwachsenwerden, die zur damaligen Zeit zurück ins San Fernando Valley bei Los Angeles führt.

Eine Romanze, klar.Ein Liebespaar? Vielleicht.

Dort wächst Gary auf (Cooper Hoffman), ein Teenager mit Schauspielambitionen – und ungewöhnlichem Geschäftssinn. Schließlich zieht er unter anderem ein Wasserbettgeschäft und einen Flipperladen auf, als er die Filmkarriere in den Sand setzt. Gleich in der ersten Szene begleitet ihn die Kamera auf dem Schulhof, wo er sich in die deutlich ältere Fotoassistentin Alana (Alana Haim) verguckt, sie umgarnt und für sich einnehmen will.



Tatsächlich entwickelt sich zwischen den beiden eine Verbindung, die sich nicht klar einordnen lässt. Eine besondere Freundschaft? Ist es sicherlich. Eine Romanze irgendwie auch. Ein Paar in einer Liebesgeschichte sind sie allerdings nicht. Oder letztlich vielleicht doch?

Hoffman und Musikerin Haim erweisen sich als Glücksgriff, so natürlich und einnehmend spielt das debütierende Nachwuchsduo hier auf. Vor allem der Sohn des 2014 gestorbenen Philip Seymour Hoffman sieht seinem Vater nicht nur unverkennbar ähnlich. Dass er auch etwas von dessen Talent hat, beweist er mit starker Leinwandpräsenz. Stars wie Bradley Cooper, Sean Penn oder Tom Waits, der hier mal wieder aus der Versenkung aufgetaucht ist, können derweil in Kurzauftritten herumtoben.

Die Geschichte von Gary und Alana ist der rote Faden, der den mit 133 Minuten etwas zu lang geratenen Film zusammenhält und Episode für Episode daran auffädelt. In denen lässt er sich zwischen Teen-Gefühlschaos und dem Filmbusiness des New-Hollywood-Kinos, vom Kinderdarsteller-Casting bis ins Haus von Barbra Streisand treiben, wo eine Wasserbettlieferung aus dem Ruder läuft.

Irritierend ist nicht nur, welche Nebenrolle Eltern und Erwachsenen hier einnehmen. Auch sonst überdreht der viel ausgezeichnete Regisseur Anderson, der herausfordernde, sperrige und stilistisch stets außergewöhnliche Werke wie "There Will Be Blood" gedreht hat, seine amüsanten Vignetten gern mal ins Absurde und lässt es ein bisschen entrückter zugehen.

Musik von Nina Simone und Doors

Die 70er lässt er nicht nur in der detailversessenen Ausstattung und den Kostümen aufleben, sondern auch in der eigenwilligen Auswahl der Songs. Die Vibes von Sonny & Cher, Bing Crosby und Nina Simone, von The Doors und Chris Norman begleiten die Geschehnisse, während nebenbei Anspielungen auf das Zeitgeschehen wie die Ölkrise einfließen. "Licorice Piza" wirkt wie ein persönlicher Ausflug in die Vergangenheit, ungewöhnlich zugänglich, liebenswürdig und mit reizender Nostalgie-Färbung.

Sascha Rettig



•USA 2021, Regie: Paul Thomas Anderson, mit Alana Haim, Cooper Hoffman, Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper, 134 Minuten, frei ab 12 Jahren