Susanne Preußler-Bitsch im Porträt
Die Tochter pflegt und hütet Otfried Preußlers Werk

02.12.2019 | Stand 22.09.2023, 0:35 Uhr

Das Plakat zur neuen "Gespenst"-Verfilmung schmückt die Wand im Büro von Susanne Preußler-Bitsch. −Foto: Michael Lukaschik

2013 starb Otfried Preußler − Dass seinWerk weiterlebt, dafür sorgt seine Tochter Susanne Preußler-Bitsch von Regen im BayerischenWald aus.

Zuerst erschienen am 12. April 2014

Überaus lehrreich, so ein Treffen mit der Tochter von Otfried Preußler. "Elende Kröte von einem Dienstboten" − wer weiß schon, was das auf Latein heißt? Susanne Preußler-Bitsch weiß es, sie hat gerade vom Verlag ein Paket mit den neuesten Übersetzungen der Werke ihres Vaters bekommen: Der kleine Wassermann auf Vietnamesisch, Rübezahl auf Chinesisch, Hörbe auf Russisch und den Räuber Hotzenplotz auf Latein. "Famuli homunico miserrime!", brüllt Zauberer Zwackelmann den Kasperl an. Susanne Preußler-Bitsch lässt ihren mütterlich-resoluten Blick über die Bücher wandern, dann sagt sie im schönsten Bairisch: "Des is fei toll!" In ihrer Freude mischt sich der Stolz der Tochter mit dem Stolz der promovierten Historikerin, die seit 15 Jahren das Werk Otfried Preußlers verwaltet; oder man sollte besser sagen: es beschützt und hegt und blühen lässt.

Jetzt heißt das erste Gymnasium "Preußler"Wenn in diesen Tagen "Das kleine Gespenst" auf DVD veröffentlicht wird, dann hat Susanne Preußler-Bitsch da einige Wörtchen mitgeredet. Wenn sich nach einen Dutzend Grundschulen jetzt am Donnerstag das erste Gymnasium in Bayern umbenannte von "naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium Pullach" in Otfried-Preußler-Gymnasium, dann kommt zur Namensgebungsfeier nicht nur der Bildungsminister, sondern auch Susanne Preußler-Bitsch. "Das ist großartig! Der Vater hat ja nicht nur für kleine Kinder geschrieben, seine Geschichten sind gute Begleiter bis ins Erwachsenenalter. Er hätte sich über diese Namensgebung sicherlich sehr gefreut!"
Von Regen im Bayerischen Wald aus sorgt die 1958 in Rosenheim geborene jüngste von Otfried Preußlers drei Töchtern für das lebendige Andenken an den Meisterautor, der 1923 im nordböhmischen Reichenberg geboren, 1942 zur Armee eingezogen und 1949 aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen wurde. Und der als 26-Jähriger seiner geflohenen Familie nach Oberbayern folgte. Am 18. Februar 2013 starb Preußler in einer Altersresidenz in Prien bei Rosenheim. Nach Regen kam Susanne Preußler-Bitsch, als ihr aus Burghausen stammender Ehemann Helmut Bitsch den Auftrag erhielt, das Landwirtschaftsmuseum aufzubauen. Sie bekam zwei Söhne, die heute 23 und 26 Jahre alt sind, promovierte "nebenher" in Graz über die Industrialisierung im Bayerischen Wald anhand von Augenzeugenberichten aus drei Generationen der Steinhauer von Patersdorf, arbeitete als angewandte Historikerin und Internet-Content-Managerin − und wuchs Schritt für Schritt hinein in die Rolle als Hotzenplotz’ Erbin.
Preußler selbst war zwar oft zu Gast in Regen, baute dort aber keine intensiveren Kontakte außerhalb der Familie auf. "Er hat uns besucht und ist mit uns Schwammerlsuchen gegangen, die Landschaft hat ihn sehr an seine Heimat erinnert", erzählt Susanne Preußler-Bitsch. Er brachte seine Enkel ins Bett, dachte sich Geschichten von Hexen und Hutzelmännern für sie aus, er aß und trank gern mit seinen Lieben. "Wir sind eine sehr laute Familie und mein Vater war ein wirklich guter Unterhalter − wenn er gut drauf war, konnte er große Runden amüsieren." Und neben dem gütig lächelnden Märchenonkel, den der Leser vom Foto in den Büchern kennt, war Otfried Preußler auch "ein sehr impulsiver Mensch. Über Ungerechtigkeit konnte er sich furchtbar aufregen, oder über die Tagespolitik. Und er hat sich sehr engagiert, zum Beispiel für das Hilfswerk der Kinderklinik Aschau, wo u.a. Opfer des Jugoslawienkriegs kostenlos operiert wurden."
Alles, was an Verwertungen geschieht mit seinem Werk, geht über den Schreibtisch seiner Tochter als Geschäftsführerin des Literaturbetriebs Otfried Preußler: Der Regensburger Lohrbär-Verlag bringt "Die Flucht nach Ägypten" auf fünf CDs heraus, Susanne Preußler-Bitsch gibt ihren Segen. "Das kleine Gespenst" wird verfilmt, sie wählte − als letztes gemeinsames Projekt mit dem Vater − aus, wie das Wesen aussehen soll, und arbeitete intensiv am Drehbuch mit. Die Stuttgarter Staatsoper zeigt "Krabat" als Ballett − Susanne Preußler-Bitsch bringt "den Preußleranteil" rein. "Ich bin mit den Geschichten aufgewachsen, ich weiß, wie mein Vater darüber denkt." Sie sagt das, als wäre er noch am Leben. "Ja, ich sage immer noch w i r. Wir sind sehr spröde, was die Verwertung der Figuren angeht. Und wenn mich etwas nicht überzeugt, dann lass ich mich auch nicht überzeugen und bin mir meiner großen Verantwortung gegenüber dem Werk sehr bewusst.
Wenn das kleine Gespenst zum ersten Mal den Uhu trifft und der Drehbuchautor bildet sich ein, es würde den Vogel duzen, dann sagt die Preußler-Hüterin: "Das würde sich das Gespenst nie erlauben! Den Uhu Schuhu muss man siezen, auch wenn er ein Freund ist. Vielleicht wäre das gar keinem aufgefallen . . . doch, das wäre schon aufgefallen." Wenn in einer Hotzenplotz-App die Großmutter so schwebt, dass man unter den flatternden Rock schauen kann, dann wird die Preußler-Hüterin das verhindern. Wenn in der Krabat-Verfilmung am Ende die Mühle zerstört wird und dort Raben aufsteigen, dann wird sie das verhindern − "sonst wäre das System des Bösen ja nicht besiegt!" Wenn zu Hotzenplotz’ 50. Geburtstag der Verlag überlegt, den Klassiker neu illustrieren zu lassen, dann wird sie das verhindern und stattdessen eine Kolorierung der Tuschzeichnungen von Franz-Josef Tripp durchsetzen. Und wenn jemand eine Hotzenplotz-Tapete verkaufen will oder eine Kleine-Gespenst-Bettwäsche oder eine Kleine-Hexe-Zahnspangenschachtel, wenn also jemand versucht, die Marke zu banalisieren − dann kann Susanne Preußler-Bitsch richtig ungemütlich werden. "Man muss schon wahnsinnig aufpassen. Das ist ein großer Teil meiner Arbeit."

Vielleicht kommt noch ein "neues" Buch113 Umzugskartons mit dem Nachlass ihres Vaters hat sie an die Berliner Staatsbibliothek übergeben ("für ihn war es eine schöne Vorstellung, dass sein literarischer Nachlass im selben Magazin liegen wird, wie der von Eichendorff"). 60 Jahre Leserpost, alle Originalmanuskripte, alle Änderungen, Korrespondenzen, Erinnerungen (sie sind z. T. im biografischen Band "Ich bin ein Geschichtenerzähler" zusammengefasst), unveröffentlichte Texte, die Preußlers Gattin immer wieder vor dem "gefräßigen Haustier" gerettet hat − vor dem Papierkorb.
"Mein Vater hat sehr viel geschrieben und sehr wenig veröffentlicht", sagt Susanne Preußler-Bitsch. Ideen, Fragmente, vieles ist ungedruckt, ganze Manuskripte. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja irgendwann noch mal ein "neues" Preußler-Buch . . . ?