Pfarrkirchen
Der Spagat zwischen Tradition und Moderne

Sparkasse und VR-Bank stellen sich neu auf und planen Kooperationen – Mehrere Änderungen bei Standorten

04.09.2020 | Stand 20.09.2023, 5:08 Uhr

Die beiden Vorstandsvorsitzenden Josef Borchi (links) von der Sparkasse und Albert Griebl von der VR-Bank Rottal-Inn bei der Pressekonferenz am gestrigen Freitag in Bad Birnbach. −Foto: Wanninger

Es ist ein Novum, dass die Spitzen von Sparkasse Rottal-Inn und VR-Bank Rottal-Inn gemeinsam eine Pressekonferenz geben und dort eine in Teilen der Geschäftsfelder gemeinsame Zukunftsstrategie verkünden. So geschehen gestern im Artrium Bad Birnbach.

Der Hintergrund: Beide Geldinstitute, die sich nichts schenken, Mitbewerber in der Region sind und dies auch bleiben wollen, stehen vor der Situation, dass sich das Kundenverhalten und das Tagesgeschäft über Jahre und in den vergangenen Monaten beschleunigt durch Corona deutlich verändert haben. Besuche in den Geschäftsstellen und Nutzung von Geldautomaten sind stark zurückgegangen, Online-Banking, die Nachfrage nach digitalen Bankdienstleistungen und der Bedarf an qualitativ hochwertiger Beratung steigen in selbem Maße sprunghaft an. Darauf reagieren Sparkasse und VR-Bank jetzt, stellen die "Weichen für die Zukunft", wie dies die Vorstandsvorsitzenden Josef Borchi und Albert Griebl sagen. Das bedeutet auch, dass im Landkreis Geschäftsstellen ganz geschlossen und andere zu reinen Selbstbedienungsstationen umgewandelt werden.

Kein Mitarbeiter verliert den Job

Eines machen Borchi und Griebl bei dem Gespräch deutlich: Es gehe bei dem Konzept weder um das Thema Kosten sparen ("das ist marginal") noch um den Abbau von Mitarbeitern ("ganz im Gegenteil, wir brauchen alle Kollegen dringend"). Unterm Strich reagiere man auf das, was die Kunden wollten und bereits vorgegeben hätten.

Dabei nennen die beiden Banken-Chefs Zahlen: Der Online-Anteil der Privatkunden hat sich demnach seit 2017 bis heute um 25 Prozent erhöht und liegt bei bis zu 70 Prozent. Nur noch fünf Prozent des gesamten Überweisungsaufkommens läuft über eine Erfassung am Schalter. Gerade während Corona seien die Geldautomaten um 30 Prozent weniger genutzt worden. Auf der anderen Seite stieg im Landkreis das bargeldlose Zahlen massiv an. Die Kartenumsätze erhöhten sich bei Discountern um 25 Prozent, bei Drogerien um 32 Prozent und bei Lebensmittelmärkten um 44 Prozent.

Borchi und Griebl gehen davon aus, dass dieser Trend anhält und sich weiter verstärken wird. Mit Apple Pay, dem kontaktlosen Bezahlen per Smartphone, biete man den Kunden schon ein innovatives und äußerst sichereres Bezahlsystem, sagen die beiden. Sämtliche Inhalte der Apps würden zunehmend genutzt. Auf alles dies wollen die zwei Banken nicht nur reagieren: "Wir müssen", so die Vorstandsvorsitzenden. "Und wir wollen die sich bietenden Chancen vor allem im Bereich der Digitalisierung nutzen." Die Überschrift dafür formuliert Griebl so: "Es ist der Spagat zwischen Tradition und Moderne. Und dieser Spagat ist schwierig, weil wir ihn ohne Training machen müssen."

Damit stimmt er dem zu, was Borchi sagt: "Durch Corona ist die Zukunft im letzten Jahr so schnell an uns herangerückt wie es sonst in drei bis fünf Jahren geschehen wäre."

Die VR-Bank reagiert darauf zum Beispiel mit einem Videoservice. Das heißt: Man geht in seiner Filiale in einen separaten Raum, wo ein großer Bildschirm steht. Über diesen erfolgt der Kontakt zum Berater, der live zugeschaltet ist und sich dann persönlich um die Anliegen kümmert. Und dies an Werktagen von 8 bis 19 Uhr. Dies wertet Griebl als großen Vorteil angesichts dessen, dass Geschäftsstellen bisher nur an drei oder vier Tagen geöffnet waren. "Niemand muss technische Hürden fürchten oder gar selbst tätig werden. Alles erledigt der Mitarbeiter im KundenServiceCenter in Pfarrkirchen."

Anbieten werden diesen Videoservice ab Oktober folgende Filialen: als erste Egglham und Wurmannsquick, nach und nach dann Arnstorf, Ering, Falkenberg, Kößlarn, Neumarkt-St. Veit, Rotthalmünster, Schönau, Simbach bei Landau und Unterdietfurt.

Die Sparkasse setzt bei den Serviceleistungen vor allem auf das persönliche Telefonat. Die Mitarbeiter im Service-Center stehen dafür werktags von 8 bis 19 Uhr bereit – unabhängig von einer Geschäftsstelle. Seit Januar 2019 werden laut Borchi über die Sparkassen-Online-Beratung rund 5000 Kunden betreut.

"Setzen weiter auf das Prinzip Geschäftsstelle"

Mit Blick auf Veränderungen beim Netz der Standorte der beiden Geldinstitute unterstreichen Borchi und Griebl: "Wir bekennen uns deutlich zum Prinzip der Geschäftsstelle." Dies hebe VR-Bank und Sparkasse von den Wettbewerbern ganz entscheidend ab. Nähe werde heute aber anders definiert als früher und nicht mehr in Kilometern gerechnet, sagt Borchi: "Heute zählt es, auf vielen Wegen für die Kunden da zu sein. Vor Ort in der Geschäftsstelle, per Video-Beratung, beim Kunden zu Hause und mit modernen digitalen Lösungen, z.B. am Smartphone."

Auch nach der Umstrukturierung würden VR-Bank und Sparkasse gemeinsam mit 70 Filialen im Landkreis vertreten sein – mit Hauptgeschäftsstellen/Marktbereichszentren, Geschäftsstellen mit Beratung/Videoservice sowie Selbstbedienungs-Geschäftsstellen, betonen Borchi und Griebl. "Näher geht nicht. Ein Anlaufpunkt je 1700 Bewohner. Wer hat das schon", so der VR-Bank-Chef. Und Borchi fügt hinzu: "90 Prozent der Kunden könnten innerhalb 15 Minuten eine Filiale erreichen."

Gleichzeitig unterstreichen beide Vorstände, dass es eben auch das Ziel dieser Neuaufstellung ist, die Versorgung mit Bargeld in der Region zu sichern: "Wir kennen kein anderes Gebiet, wo dies so dicht ermöglicht wird." Und man habe sich gemeinsam Gedanken gemacht, wie man die Infrastruktur so gut es geht halten könne. Gerade bei der Aufstellung von Geldautomaten wollen Sparkasse und VR-Bank in Zukunft enger kooperieren. Das Ziel: So viele dieser Einrichtungen gemeinsam betreiben. Daran arbeitet derzeit ein eigens eingesetztes Team, um auszuloten, was alles umsetzbar ist.

WAS SICH ÄNDERTWas aber ändert sich jetzt durch diese Neuaufstellung bei den Geschäftsstellen und Filialen im Landkreis. Bei der VR-Bank Rottal-Inn:

Zum 1. Januar 2021 werden die Standorte Hirschbach, Nöham, Taubenbach und Wittibreut zu reinen Selbstbedienungs-Geschäftsstellen umgewandelt und mit den nächstgelegenen Geschäftsstellen Bad Birnbach, Johanniskirchen, Tann und Triftern zusammengelegt.

Geschlossen werden zum 1. Januar 2021 die SB-Geschäftsstellen in Hölsbrunn und Reut.

An den Standorten Bad Birnbach, Simbach am Inn und Simbach bei Landau wird bis 2023 neu gebaut. Außerdem werden die Hauptgeschäftsstellen Pfarrkirchen und Eggenfelden 2022 und 2023 umgebaut. Die Geschäftsstelle in Rotthalmünster finden die Kunden ab 2021 ebenfalls in einem neuen Gebäude.

Bei der Sparkasse Rottal-Inn:
In Ering, Malgersdorf und Unterdietfurt gibt es weiterhin Geschäftsstellen mit Beratung auf Termin und SB-Geräten, aber ohne personenbesetzten Service-Schalter.

Bayerbach, Julbach, Kollbach, Nöham, Wittibreut und Zeilarn werden zu Selbstbedienungs-Geschäftsstellen umgewandelt.

Die Filialen in Hebertsfelden und Taufkirchen werden geschlossen.