Der rockende Lehrer von der Realschule

Thomas Kessler ist Sänger der Punkrock-Band "Private Sucker" und für seine Schüler ein Star

25.01.2021 | Stand 19.09.2023, 22:17 Uhr

Punkrock ist seine Welt: Der Arnstorfer Realschullehrer Thomas Kessler ist Sänger der Band "Private Sucker". −Foto: Schwemmer

Arnstorf. Lehrer Thomas Kessler verehrt die Stars der Punkrock-Szene, doch die Schüler der Staatlichen Realschule Arnstorf halten ihn selbst für einen Rockstar. Denn es gibt kaum einen Schüler, der nicht mit dem Pulli von Kesslers eigener Punkrock-Band "Private Sucker" durch das Schulgebäude läuft. Dabei sind die Jugendlichen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar keine Punkrock-Liebhaber, trotzdem bekennen sie sich zum "rockenden Lehrer" an ihrer Schule. Für Thomas Kessler selbst ist Punkrock dagegen seit seiner Jugend der faszinierendste Musikstil schlechthin auf der Welt.

Mit 15 Jahren kaufte sich Thomas Kessler seine erste E-Gitarre, spielte schon ein Jahr später in einer Cover-Band in Regensburg. "Wir spielten Titel von Deep Purple oder den Ärzten", blickt der 40-Jährige zurück. Heute steht er dem Covern von Titeln kritisch gegenüber: "Warum sollte ich die Songs anderer spielen, wenn ich meine eigenen Lieder spielen kann?"

Der Bassist jener Cover-Band machte ihm 1998 dann den Punkrock schmackhaft. "Ich war sofort elektrisiert von dieser Musik und fuhr gefühlt auf Konzerte sämtlicher Punkrock-Bands auf der Welt", schmunzelt Kessler. Und er wurde Mitglied der Regensburger Punkrock-Band mit dem skurrilen Namen "Barbara 2000".

Die Musik rückte dann aber für lange Zeit aus seinem Fokus, bis er 2015 bei einer Musical-Aufführung an der Realschule Arnstorf, an der er Mathe und Physik unterrichtet, die ehemaligen Schüler Manuel Lindner (23) und Martin Eras (24) traf. Hauptthema an dem Abend: Musik. "Am nächsten Tag haben wir zusammen in meinem Keller gejammt", kann sich Kessler noch genau erinnern.

Schnell war der Entschluss gefasst, eine Band zu gründen. Auf den Namen "Private Sucker" kamen der Lehrer und Manuel Lindner. Wobei Kessler das Wort "Sucker" mit der wortwörtlichen und anzüglichen Übersetzung ganz provokativ wählte, Schüler Lindner dagegen "Private" als einen militärischen Dienstgrad und "Sucker" als "Looser" interpretierte. Die musikalische Richtung war klar: Punkrock. Und Lehrer Thomas Kessler, der damals in Malgersdorf lebte, war der Sänger. "Punkrock ist schnell aggressiv, dreckig, vor allem beim Singen", so Kessler. Was ihm durchaus zugute kommt, denn: "Eigentlich kann ich gar nicht singen. Aber das ist beim Punkrock auch nicht so wichtig."

"Private Sucker" ritt drei Jahre lang in der Ur-Besetzung auf einer Erfolgswelle. "Wir hatten 40 bis 50 Gigs zwischen 2015 und 2018. Highlight war das Open Air in Weigendorf, die größte Bühne, die ich bis jetzt betreten habe. Wir spielten mit Bands wie Guano Apes", ist Thomas Kessler noch heute begeistert.

Musik-Aufnahmen innamhaftem Metal-Studio

Mit der "Terror EP" 2016 (angelehnt an das Attentat in Paris) und dem ersten Album "Friday Night" war "Private Sucker" für die Fans erstmals auch außerhalb der Gigs zu hören. Doch Ende 2018 trennten sich die Wege von Kessler, Eras und Lindner. "Ihnen wurde das alles zu viel. Plötzlich stand ich ohne Band, ohne Probenraum und ohne Tourbus da", war Kessler damals ratlos.

Aber nicht lange, denn mit zwei anderen ehemaligen Realschülern, Dominik Hiergeist (23) und Andreas Velten (19), ging es fast nahtlos weiter mit "Private Sucker". Schon im März 2019 gab man die ersten Gigs. Doch schon Ende 2019 fiel die Band schon wieder auseinander. Zuvor aber nahm die Band im August 2019 noch ein gemeinsames Album auf, das jetzt samt Cover endgültig fertig gestellt ist. Aufgenommen wurde es im "Deep Deep Pressure Studio" in Braunau von Lukas Haidinger. "Er ist der Tausendsassa der österreichischen und deutschen Metal-Szene", ist Kessler stolz auf den Experten an seiner Seite. "Now here in nowhere"lautet der Titel. "Ich wollte ein englisches Wortspiel, und stellte mir vor, mit einem Auto im Niemandsland unterwegs zu sein", so Thomas Kessler, der alle Songs selbst geschrieben hat.

So auch den Song "Dirty Angel Face", "eine Hymne an meine Frau, die mich so nimmt, wie ich bin", gesteht der 40-Jährige. Da schimmert aus dem harten Rocker doch ein weiches Herz durch. Dass Punkrocker oft eine derbe und aggressive Sprache verwenden, ist Thomas Kessler egal: "Mir ist die Musik wichtig, weniger der Text. Am meisten gefallen mir sowieso die Nonsense-Texte, die keine großartige Bedeutung haben."

Zum Titelsong "Now here in nowhere" gibt es auch ein Video. Darin fährt ein tätowierter Thomas Kessler im Feinripp-Unterhemd in einem Ami-Schlitten mitten auf dem Land "grölend" umher. Der rausgepresste Gesang, die unverblümte Wortwahl – vor allem bei sexuellen Begriffen – ist Punkrock pur. Wie gesagt: So richtig ernst nehmen es die Punkrocker wie Kessler nicht mit ihren Worten.

Die Außenaufnahmen zum Video entstanden in Hirschkofen bei Straubing. Den Ami-Schlitten stellte der Crafters Car Club zur Verfügung. Produziert wurde das Video von Benedict Erndl, Sohn von Kesslers Konrektorin an der Realschule, der in Passau Mediendesign studiert.

Band spielt inneuer Besetzung

Die Innenaufnahmen zum Video wurden im Bandhaus Straubing gemacht. Dort probt "Private Sucker" inzwischen, nachdem Thomas Kessler mit seiner Familie in seine Heimat Regensburg zurückgekehrt ist. Und auch neue Band-Mitglieder hat er gefunden.

Larissa Kagerer (31, Bass) aus München ist im Rottal keine Unbekannte, spielt sie doch auch noch in der Pfarrkirchner Band "Rockrausch". Timon Sandner (30, Schlagzeug), ist ein Kumpel aus Regensburg und Phillip "Pille" Renz aus Straubing (33, Gitarrist), ein kreativer Songwriter. "Vor allem dank Pille sind die Songs jetzt noch besser", ist Thomas Kessler von der neuen Truppe begeistert. Zumal diese auch mehr seinem Altersprofil entspricht als die vorherigen Besetzungen. "Irgendwann passt es halt auch nicht mehr, wenn man als 40-Jähriger mit 20-Jährigen auftritt", sagt Kessler.

Einen echten Profi konnte der Realschullehrer beim Cover für das Album an Land ziehen: Stefan Beham aus Linz, in der Szene bekannt als "Sbäm". "Er ist Kult und zeichnet die Cover sämtlicher Punkrock-Größen, weiß Kessler. Und jeder Fan wird anhand des typischen "Sbäm"-Stils erkennen, dass "Private Sucker" auch schon einen klangvollen Namen trägt. In der Realschule Arnstorf weiß das doch schon jedes Kind...

Infos zur Band gibt es auf Facebook unter www.facebook.com/pspunkrock oder www.instagram.com/private_sucker. Die CD kann man dort oder auf Amazon bestellen. Das Video kann man sich auf youtube anschauen.