Ruhstorf
Der Bücherschrank im Freien – für alle

In Pocking überlegt man noch über das Wie – In Ruhstorf steht schon einer seit März

20.07.2021 | Stand 21.09.2023, 3:26 Uhr

Teresa (9) liebt Lesen. Für sie ist der ständige Nachschub an neuem Lesestoff direkt vor der Haustür von Oma Ingrid Huber in der Wasserfeldstraße 4 in Ruhstorf ein kleines Paradies. −Foto: Karin Seidl

Ein öffentliches Bücherregal als neue Attraktion am Stadtplatz – darüber hat sich jüngst der Pockinger Hauptausschuss beraten und die Idee, aufs Tapet gebracht von der Seniorengemeinschaftsleiterin Bärbl Danner, für gut gefunden.

Längst Realität ist ein solches für alle zugängliches Bücherregal in Ruhstorf, in der Wasserfeldstraße 4.

Dort hat Büchernärrin Ingrid Huber einen alten Bauernschrank mit Lesestoff bestückt. Auf Eigeninitiative. Ohne Umweg durchs Rathaus – allerdings auch auf ihrem privaten Grundstück. Schon seit März steht er dort, und hat auch die Unwetter unbeschadet überstanden.

Ingrid Huber liebt Bücher. Sie liest für ihr Leben gerne. Da liegt es in der Natur der Dinge, dass sich daheim irgendwann die Bücher stapeln. Wer ein richtiger Büchernarr ist, versteht vielleicht, dass man sich nur schwer von den papierenen Weggefährten trennen kann. "Ich hab ja auch einige mehrmals gelesen", sagt Ingrid Huber, "aber irgendwann stehst halt da und sagst: Es reicht, es werden zu viele, es muss was passieren."

Büchertauschstelle in Straubing fasziniert die Ruhstorferin

Das ist leichter gesagt als getan, aber der Gedanke hatte sich hartnäckig in ihrem Kopf festgesetzt. Die Initialzündung für ihren öffentlich zugänglichen Bücherschrank kam ihr dann bei einem Spaziergang in Straubing, als sie ihre Tochter Martina besuchte. Sie entdeckte einen winzig kleinen Laden direkt gegenüber dem Rathaus, kaum größer als eine Telefonzelle, randvoll mit Büchern bestückt – sonst nichts. "Die haben eine öffentliche Büchertauschstelle – wer ein Buch entnimmt, muss dafür ein anderes hineinstellen." Das war’s! Das macht sie auch in ihrer Wasserfeldstraße daheim! Über Facebook teilt sie ihre Idee mit Freunden, die sie darin bestätigen, die Idee in die Tat umzusetzen.

Nun musste ein geeignetes "Regal" her. Ihr erster Gedanke ist, die Bücher in einer alten Telefonzelle unterzubringen. Ein guter Bekannter und ehemaliger Postler, Helmut Madlindl, erklärt ihr aber, dass die Teile rar und zudem teuer sind. Ihre Rettung ist schließlich Jessica Plinganser. "Sie hatte einen urigen alten Bauernschrank, den sie mir überlassen hat."

Ihr Mann macht den Bauernschrank sogar "unwetterfest"

Ingrid Hubers Mann Josef, gelernter Schreiner, hat sich des Bauernschranks angenommen, die Inneneinrichtung des Schranks den neuen Bedürfnissen angepasst, ein Dach als Wetterschutz angebracht und ihn lackiert. Ihr Gatte ließ es sich auch nicht nehmen, für den Schrank extra ein Pflaster- und Steinfundament zu schaffen, eingerahmt zwischen zwei hohen Thujen.

Nun steht der Bauernschrank, randvoll mit Büchern "quer durchs Gemüsebeet" in ihrer Einfahrt, immer offen für alle, die Bücher lieben und sich stets mit neuem Lesestoff versorgen wollen.

Coronakonform steht auch Desinfektionsmittel bereit. "Neue Bücher, die kommen, desinfiziere ich, bevor ich sie rein stelle", sagt Ingrid Huber. Sie werden von den Lesern zunächst in eine Plastikbox gelegt.

"Wie funktioniert denn das?" – das Interesse ist groß

Seit März steht ihr öffentliches Bücherregal jetzt – und ist vielen Ruhstorfern bereits ein Begriff. "Ich werde überall drauf angesprochen, wie das jetzt funktioniert", erzählt Ingrid Hubers Tochter Stefanie Ammer, "im Kindergarten, beim Einkaufen, beim Bäcker". Sie und ihre Tochter schätzen den frischen Nachschub an Lesestoff direkt vor der Haustür übrigens auch sehr. "Teresa liest wahnsinnig schnell", erzählt die Mama, "sie braucht für ein Buch manchmal nur zwei Tage".

Übrigens: Den Starkregen der letzten Wochen haben sowohl der gut lackierte Bauernschrank als auch die Bücher gut überstanden. "Da ist gar nichts passiert", freut es Ingrid Huber, die ihre Schätze dort gut aufbewahrt weiß. "Mich freut es narrisch, dass es so gut angenommen wird", sagt sie. "Auch die Nachbarn kommen regelmäßig." "Stimmt! Mindestens einmal pro Woche", ruft vom Balkon gegenüber eine Frau herab, die das Gespräch um den öffentlichen Bücherschrank mitbekommen hat. Mal sehen, wie er in Pocking angenommen wird.

− mok