Burghausen
"Aus der Opferrolle heraushelfen"

09.03.2019 | Stand 20.09.2023, 5:20 Uhr

"Wo die Schwelle des Aushaltbaren liegt, ist etwas sehr Individuelles", sagt Dr. Peer Arndt aus Burghausen. Das Interview ist der Auftakt zur neuen Serie "Am Scheidweg". −Foto: Stummer

Der mögliche Verlust des Kindes, die versuchte Vergewaltigung, der Überfall – all das sind Grenzerfahrungen, die das Leben der Betroffenen in ein Davor und ein Danach unterteilen. Der Anzeiger hat für die neue Serie "Am Scheideweg" mit Menschen gesprochen, die solche Ausnahmesituationen erlebt haben. Menschen, die davon erzählen können, wie sich ihr Leben verändert hat und wie sie es schaffen, dennoch oder gerade deswegen die Oberhand zu behalten.

Den Auftakt zur Serie aber macht ein Interview mit Dr. Peer Arndt aus Burghausen, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, der ganz grundsätzlich klärt, was Angst mit einem Menschen macht und wie ein Trauma verarbeitet werden kann.

Was passiert mit einem Menschen, der Angst um sein Leben oder das seiner Lieben hat?
"Grundsätzlich ist Angst etwas Lebensnotwendiges. Es ist ein Warnsignal, das uns die Natur mitgegeben hat, um in Gefahrensituationen adäquat zu reagieren. Flucht oder Kampf ist dabei die erste Entscheidung, die wir treffen. Der Körper schüttet Stresshormone aus und setzt sich in Alarmbereitschaft. Bei traumatisierenden Erfahrungen ist das Individuum mit der Situation überfordert. Ein inneres Abschalten ist eine Reaktion darauf, ein einfrieren, erstarren und über sich ergehen lassen drücken den Verlust der Handlungsfähigkeit aus. Manchmal reißt in solchen Situationen der Bewusstseinsfaden. Emotionen und Erlebtes werden getrennt voneinander abgespeichert."

Wovon hängt es ab, ob solch ein Erlebnis lebensbestimmend wird und was ist wichtig, um das Erlebte zu verarbeiten?

"Wo die Schwelle des Aushaltbaren liegt, ist etwas sehr Individuelles. Grundsätzlich aber lässt sich sagen, dass das Alter eine Rolle spielt, sexualisierte Gewalt oft zu Traumata führt und dass das Ausmaß der empfundenen Hilfslosigkeit, sprich des Ausgeliefertseins, entscheidend ist. Außerdem gilt: Je größer der Verrat durch die Gewalttat, umso schwerwiegender ist es für den Betroffenen und umso größer ist die Gefahr eines Traumas. Ein Beispiel hierfür sind jene Übergriffe im häuslichen Umfeld und in der Familie, die für die Betroffenen besonders schwer sind. Bei der Verarbeitung ist immer wichtig, welche persönlichen Fähigkeiten zur Problemlösung der einzelne mit sich bringt. " In den Gesprächen mit den Patienten geht es ja vor allem darum, ihnen aus der Opferrolle herauszuhelfen."

Mehr dazu lesen Sie am 9. März im Alt-Neuöttinger/Burghauser Anzeiger.