2 Jahre und 4 Monate Haft
50-Jähriger schleust 51 Menschen ein, davon 30 über die Grenze bei Bayerisch Eisenstein

07.05.2024 | Stand 07.05.2024, 21:45 Uhr

Vor dem Deggendorfer Amtsgericht ist der 50-jährige Slowake zu zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. − Foto: Graßl

Insgesamt 51 Menschen soll Igor T. illegal in einem Kastenwagen über die Grenze nach Deutschland gebracht haben, 30 davon bei Bayerisch Eisenstein (Lkr. Regen). Sieben und zehn Stunden sollen die Fahrten von Bratislava (Slowakei) aus gedauert haben, die Umstände für die Geschleusten gar lebensgefährdend gewesen sein. Am Dienstagvormittag ist Igor T. am Amtsgericht in Deggendorf verurteilt worden.



Der 50-jährige Slowake ist seit Oktober in der JVA in Landshut in Untersuchungshaft, vor Gericht wird er mit Hand- und Fußketten vorgeführt. Neben der Schleusung wird T. lebensgefährdende Behandlung vorgeworfen. Die einmal 21 und einmal 30 Menschen hat der Angeklagte in einem weißen Kastenwagen ohne Sitzmöglichkeit und Fenster an beziehungsweise über die Grenze gefahren.

Mehrere Kinder bei zweiter Fahrt im Wagen



Bei der ersten Fahrt am 17. September vergangenen Jahres sei der 50-Jährige gut sieben Stunden gefahren, habe zwei Pausen gemacht und die Menschen unbekannter Staatsangehörigkeit von Polen in der Nähe von Berlin an die Grenze gebracht. Nachdem er sie an einem Waldstück aussteigen hatte lassen, sei er zurück in die Slowakei gefahren.

Bei der zweiten Fahrt am 11. Oktober waren insgesamt 30 syrische Staatsbürger – darunter mehrere Kinder – von Bratislava über Tschechien nach Deutschland gebracht worden. Eine Pause sei ihm bei dieser zehnstündigen Fahrt nicht erlaubt gewesen. Ihre Notdurft mussten die Passagiere deshalb in Plastikfaschen erledigen. Bei dieser zweiten Fahrt wurde Igor T. dann von der Polizei geschnappt.

Angeklagter gesteht bereits in U-Haft umfangreich



Bereits in der Untersuchungshaft hat der Angeklagte umfangreiche Angaben zu beiden Fahrten gemacht und seine Schuld vollumfänglich eingeräumt. Sein Kontaktmann trage den Namen „Messi“, genaueres dazu sei ihm nicht bekannt. Kennengelernt habe er diesen in einem Club in Bratislava, wo er ihm das Jobangebot unterbreitet habe. 2000 Euro habe Messi für jede Fahrt geboten. Aktuell ist der 50-Jährige arbeitslos, damals hat der gelernte Maschinenbautechniker als Taxifahrer gearbeitet.

Am Dienstagvormittag hat sich der 50-Jährige geständig allen Fragen von Richterin Schindler gestellt. Gerade die zweite Fahrt ohne erlaubte Pausen sei für ihn sehr schlimm gewesen. „Es tut mir sehr leid“, sagte er vor Gericht durch eine Dolmetscherin. Er habe auch anhalten und eine Pause machen wollen. Ein Anruf von Messi, der wohl in einem Begleitfahrzeug die Fahrt beobachtete, habe ihn zum Weiterfahren gezwungen.

Zeuge meldet die Schleusung der Zwieseler Polizei



Aufgeflogen ist die Fahrt im Oktober letztlich durch einen Zeugenanruf bei der Zwieseler Polizei, wobei ein weißer Kastenwagen bei Bayerisch Eisenstein gemeldet wurde, aus dem einige Personen ausgestiegen seien. Eine Streife entdeckte dann den Kastenwagen neben der B11, in dem der Angeklagte gerade die Ladefläche gereinigt hatte. Die 30 syrischen Staatsbürger hat die Polizei ebenfalls im Gemeindegebiet Bayerisch Eisenstein aufgegriffen, vier davon wurden im Nachgang vernommen.

In der anschließenden polizeilichen Vernehmung sei der 50-Jährige von Beginn an laut einem 27-jährigen Polizeibeamten aus Passau, der den Fall als Sachbearbeiter betreut, äußerst kooperativ gewesen. Er habe umfangreiche Angaben zu dem Hintermann Messi, dessen Telefonnummer und den Hintergründen der beiden Schleuserfahrten gemacht.

Ankunftsvideos gefunden, die die Fahrten beweisen



Bei der Durchsicht des Telefons des Angeklagten, dessen Code er ebenfalls preisgab, haben die Ermittler dann so genannte „Ankunfts- oder Willkommensvideos“ gefunden. Zu beiden Schleuserfahrten habe er als Beweis zunächst sich selbst und dann jeden Einzelnen der Geschleusten gefilmt – um zu beweisen, dass er den Auftrag erfüllt hat. Da er beim zweiten Mal von der Polizei gefasst wurde, habe er für diese Fahrt kein Geld erhalten.

Laut dem Polizeibeamten haben die Einlassungen des Angeklagten die Ermittlungen erheblich erleichtert und beschleunigt. Von fünf Monaten Zeitersparnis spricht der 27-Jährige.

Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre und sechs Monate Haft



Staatsanwalt Lukas Binner sieht den Sachverhalt im Sinne der Anklagte im Wesentlichen bestätigt, was primär auf dem umfangreichen Geständnis des Angeklagten beruht. Lediglich die Bandenzugehörigkeit sieht er als nicht nachweisbar an. Für den 50-Jährigen spreche neben der Geständigkeit die Verkürzung des Verfahrens und: „Der Angeklagte zeigt hier Reue, die Schicksale der Geschleusten waren ihm nicht egal. Er hat auch angehalten, um ihnen Wasser zu kaufen.“ Gegen ihn spreche jedoch die immense Zahl an Geschleusten. Auch eine Gewerbsmäßigkeit durch die Bezahlung und lebensgefährdende Umstände sieht der Staatsanwalt gegeben. Er plädiert für eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Verteidiger Reinhard Perlet pflichtet Staatsanwalt Binner in vielen Punkten bei. „In diesem Fall muss jedoch das umfangreiche Geständnis viel stärker gewichtet werden“, meint er. Weder die lebensgefährdenden Umstände noch eine Gewerbsmäßigkeit sieht er als zweifellos gegeben. Zudem ist sein Mandant in Deutschland nicht vorbestraft. Er plädiert daher auf zwei Jahre auf Bewährung.

Schlusswort des Angeklagten: „Alles tut mir sehr leid“



In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung verzichtet Igor T. auf seine Dolmetscherin: „Alles tut mir sehr leid.“ Das Schöffengericht mit Vorsitzender Richterin Schindler verurteilt den 50-Jährigen nach fünfzehnminütiger Beratung zu zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe. Ein Wertersatz in Höhe von 2000 Euro für die erste Fahrt sowie das Handy und der Führerschein des Angeklagten werden eingezogen. Zudem muss er die Kosten des Verfahrens tragen und der bereits bestehende Haftbefehl bleibt aufrechterhalten. Das Urteil nimmt Igor T. nickend und in sich zusammengesunken auf. Es ist noch nicht rechtskräftig.