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Bauernpräsident: „EU-Pläne gefährden Ernährungssicherheit“

Rukwied kritisiert Pflanzenschutz-Richtlinie und Naturschutz-Gesetz – Erster Ernteausblick

20.06.2023 | Stand 14.09.2023, 22:59 Uhr

Bauernpräsident Joachim Rukwied kritisiert Pläne Berlins und Brüssels. −Foto: Nietfeld/dpa

Vor dem Deutschen Bauerntag in der kommenden Woche kritisiert Bauernpräsident Joachim Rukwied die Europäische Union. Ein Vorschlag aus Brüssel käme „letztlich einem Eingriff in Eigentumsrechte sehr nahe“, sagte er im Interview mit der Mediengruppe Bayern.



Was brennt den deutschen Landwirten aktuell unter den Nägeln?
Joachim Rukwied: Das sind vor allem zwei Vorschläge aus Brüssel. Da geht es einmal um das Thema Pflanzenschutzmittel-Reduktion. Kommt die EU damit durch, würden die landwirtschaftlichen Erzeugungsmengen deutlich zurückgehen und die Abhängigkeit vom Ausland zunehmen. Ganze Flächen müssten aus der Bewirtschaftung genommen werden beziehungsweise auf diesen könnten Pflanzenschutzmittel nicht mehr eingesetzt werden. Das Zweite ist eine Naturschutz-Gesetzgebung, mit der zehn Prozent unserer Flächen für den Naturschutz reserviert werden müssten. Damit würden die Landwirte weitere Erzeugung verlieren. Zudem käme dieser Vorschlag letztlich einem Eingriff in Eigentumsrechte sehr nahe.

Werfen Sie Brüssel und womöglich auch Berlin vor, um des Naturschutzes willen die Ernährungssicherheit aus dem Blick zu verlieren?
Rukwied: Ich würde das so sagen: Naturschutz, Artenschutz, Umweltschutz, auch Klimaschutz, all das ist für uns Bauern von herausragender Bedeutung. Da tun wir schon einiges und das wollen wir noch verstärken. Insofern teilen wir die Zielrichtung des „Green Deals“ in der EU und die entsprechenden Ansätze in Berlin. Da sind wir dabei. Aber die Vorschläge und Maßnahmen, die dazu aus Brüssel kommen und zum Teil die Berliner Handschrift tragen, sind falsch und führen nicht zum Ziel. Damit würde am Ende die Ernährungssicherheit gefährdet: Da braucht es andere Lösungen.

Wie sieht es mit den Ernteaussichten in diesem Jahr aus, angesichts der Gefahr eines neuerlichen Dürresommers?
Rukwied: Das muss man differenziert sehen. Pflanzenbaulich gesehen hatten wir ein ordentliches Frühjahr mit Regen in weiten Teilen, so dass wir im April noch ganz zuversichtlich waren. Inzwischen aber hatten wir im Nordosten des Landes und in anderen Regionen zuletzt kaum mehr Regen. In manchen Gegenden sind die Wasservorräte in den Böden schon länger weg, in anderen gehen sie zur Neige. Wenn es demnächst nicht noch flächendeckend intensiv regnet, gehen wir von geringeren Erträgen bei Getreide, Raps und Mähdresch-Kulturen aus. In manchen Regionen sind die Schäden schon irreparabel.

Die Lebensmittelpreise sind zuletzt massiv gestiegen. Zählen dabei auch die Landwirte als Erzeuger zu den Gewinnern?
Rukwied: Wir Landwirte haben mit enormen Preissteigerungen für Betriebsmittel zu kämpfen. Zeitweise hat beispielsweise Dünger das Vierfache dessen gekostet, was wir früher bezahlt haben. Das hat sich zwar etwas abgemildert, doch vieles kostet uns immer noch deutlich mehr als vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. Auch Energie und Treibstoff verteuerten sich für uns zeitweise massiv. Andererseits sind in der Tat die Preise für unsere Produkte vorübergehend ebenfalls kräftig nach oben gegangen – etwa beim Weizen, bei Raps, bei der Milch. Inzwischen hat sich das aber schon wieder in vielen Bereichen deutlich gedreht. Was wir erlebt haben, waren kurzfristige Preishochs, von denen wir mittlerweile aber kräftig abgesackt sind. Die Einschätzung, dass Lebensmittel die Inflationstreiber Nummer eins sind, ist daher nach meiner Auffassung inzwischen überholt.