Miserables Zeugnis
Erschreckende Zahlen: Fußball-Profi – für deutsche NLZ-Talente ist der Weg fast unmöglich

22.04.2024 | Stand 22.04.2024, 12:15 Uhr

Die Talente des FC Bayern – vielen der U19-Spieler wird der dauerhafte Weg in den Profifußball wohl verwehrt bleiben. − Foto: imago images

Der deutsche Fußball bringt zu wenig Profispieler hervor. Das ist das Ergebnis einer vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) finanzierten internationalen Langzeitstudie zum Jugendfußball.

Die Studie hat unter anderem ergeben, dass Deutschland im Vergleich der zwölf untersuchten Länder mit 0,95 auf eine Million Einwohner die wenigsten Profispieler hervorbringt. Spitzenreiter dieses Rankings ist Portugal mit 5,93 Spielern. Eine Zahl erschreckt besonders: Bei 56 deutschen Nachwuchsleistungszentren liege die Wahrscheinlichkeit für einen zwölfjährigen Jugendspieler, später Profifußballer zu werden, bei höchstens 0,1 Prozent, ließ der DFB verlauten. Der Profitraum für deutsche Talente – fast schon ein Ding der Unmöglichkeit.

„Sukzessive schlechter geworden“



„Wir sind in den letzten Jahren sukzessive schlechter geworden was die Anzahl der Spitzenspieler angeht“, sagte Professor Ralf Lanwehr in der sportstudio reportage „Keine Talente, keine Titel“. Landwehr arbeitet gemeinsam mit dem ehemaligen Bremer Bundestrainer Alexander Nouri an der Langzeitstudie. „Wir haben festgestellt, dass andere Länder deutlich mehr Karrierepfade anbieten, um den Spielern auf dem Level, auf dem sie gefördert werden müssen, mehr Spielzeit zu geben“, sagt Nouri. Andere europäische Länder schneiden in der Durchlässigkeit von Nachwuchsspielern um bis zu 400 Prozent besser ab – eine besorgniserregende Zahl.

Als eines der Probleme in Deutschland wurde die 3. Liga ausgemacht. Für Nouri ist es eine „Verdrängungsliga“. Viele Vereine dort würden ums Überleben kämpfen und dabei lieber auf erfahrene Spieler setzen, statt junge zu entwickeln. Von einer – wie einst angedachten – Ausbildungsliga sei nicht mehr viel Übrig. Deutsche U21-Profis spulen im Verhältnis zu England oder Frankreich viel weniger Einsatzminuten ab. „Mir wird angst und bange, wenn ich an die nächsten zehn Jahre denke. Wir müssen es wirtschaftlich lösen“, warnt Manfred Schwabl, Präsident der Spvgg Unterhaching. Und weiter: „Wenn man Milliarden umdreht im Fußball und nicht ein Prozent für den deutschen Nachwuchs da ist, brauchen wir uns nicht wundern, dass nichts vorwärtsgeht und wir der Musik europäisch hinterherlaufen.“

Umdenken beim DFB



Der DFB hatte zuletzt unter der Leitung von Hannes Wolf eine Kinderspielreform auf den Weg gebracht. Dadurch soll die individuelle Qualität entwickelt werden. „Wir versuchen alle zu involvieren, in dem wir auf mehreren Feldern in kleinen Gruppen spielen“, sagte DFB-Nachwuchsdirektor Wolf im ZDF. Er fordert auch eine Rückbesinnung auf alte Tugenden. Mehr Zeit für ballspezifisches Training, weniger taktische Detailarbeit. „Die 2014er-Weltmeister sind groß geworden ohne Videoanalyse in der Jugend“, sagt Wolf.

Hermann Gerland, viele Jahre in verschiedenen Funktionen beim FC Bayern tätig und einer der erfolgreichsten deutschen Talententwickler, betont in der ZDF-Doku: „Der Erfolg des Einzelnen ist wichtiger als der Erfolg der Mannschaft.“ Ähnlich sieht das Benfica Lissabon, das seit Jahren einen herausragenden Ruf in der Jugendförderung genießt und viele Profis ausbildet. „Technik ist König“, erklärt Campusleiter Pedro Mil-Homens gegenüber dem ZDF: „Die Mannschaft ist nur ein Instrument, um die Spieler zu entwickeln.“ Eine wichtige Rolle bei Benficas der Talentausbildung spielt auch der Einsatz von Psychologen, ein „multisportiver Ansatz“ für allgemeines Bewegungstalent und eine enorme Spielerbreite im Zwischenbereich zwischen Jugend- und Profisektion. Zudem spielt die Lissaboner B-Elf, in der junge Spieler maximal zwei Jahre zum Einsatz kommen, in der 2. Liga − und damit gegen gestandene Männer.

− sid/la