Doch Richter statt Hiller
Er ringt um seine Glaubwürdigkeit: Torwart-Ärger bei 1860 – Coach Jacobacci bringt sich selbst in die Bredouille

03.12.2023 | Stand 04.12.2023, 9:30 Uhr

Im Sommer war noch alles gut: Doch nach seiner Verletzungspause lässt 1860-Coach Maurizio Jacobacci die Identifikationsfigur Marco Hiller auf der Bank, obwohl er dem Stammkeeper die Rückkehr in die Rolle als Nummer eins quasi versprochen hatte. − Foto: Imago Images

Zu den Unstimmigkeiten, die der TSV 1860 München in seinem Umfeld mit sich herumschleppt, kommen aktuell noch ganz konkrete sportliche Probleme hinzu. Trainer Maurizio Jacobacci kämpft vor dem späten Auswärtsspiel zum Abschluss des Drittliga-Spieltags am Sonntag bei Borussia Dortmund II (19.30 Uhr/Magenta Sport) um Argumente: nicht nur, was die Ergebnisse, sondern auch eine tragende Personalentscheidung betrifft.

Man kann die Krisen, die die Löwen auf ihrer Führungsebene plagen, freilich nicht eins zu eins auf Unruhen in der Mannschaft übertragen. Doch ein bisschen verdeutlicht auch die Frage, wer denn nun bei den Sechzigern im Tor stehen wird, wie schnell sich ganz normale Entscheidungen beim Traditionsverein derzeit zu handfesten Konflikten entwickeln können. Dass Marco Hiller vorerst als Nummer eins von David Richter abgelöst wurde, droht zum Politikum zu werden. Sein Trainer ringt deshalb auch um seine Glaubwürdigkeit.

„Ich werde nicht jeden Sonntag switchen, Richter spielt“, bestätigte Jacobacci vor dem Dortmund-Spiel. Eine Entscheidung, die rein sportlich sogar nachvollziehbar wäre – denn der im Sommer gekommene Richter hatte zuletzt als Ersatz des verletzten Stammkeepers überzeugt, während Hiller bei seinem Comeback ausgerechnet bei der Pokalblamage in Pipinsried patzte. Nur hatte Jacobacci vor drei Wochen ein intensives Plädoyer für Hiller gehalten und ihm die Rückkehr als Nummer eins quasi fest nach dem Saarbrücken-Spiel versprochen. Denn es gehe, so hatte der Trainer betont, bei dieser Frage nicht nur ums reine Leistungsprinzip, sondern auch um andere Werte – von denen er nun selbst offenbar abgekommen ist.

Alles halb so wild, hätte Hiller nicht jetzt in einem „Bild“-Interview aufbegehrt und sich zu deutlichen Äußerungen hinreißen lassen: „Mir wurde vor zehn Tagen noch klar kommuniziert, dass ich nach meiner Verletzungspause weiterhin die Nummer eins bin. Daher kam die Entscheidung am vergangenen Spieltag mehr als überraschend und aus dem Nichts für mich“, ärgerte sich der wegen seiner Fannähe und Vereinstreue zur Identifikationsfigur aufgestiegene Vizekapitän, der mit diesen Sätzen aufhorchen ließ: „Ich bin nun seit 15 Jahren bei den Löwen und ich liebe es, für diesen Verein zu spielen. Aber natürlich ist es für mich und meine Zukunft auch entscheidend, was in den nächsten Wochen passiert.“ So klingen ausformulierte Abwanderungsgedanken.

Am Freitag entgegnete Trainer Jacobacci: „Ich wünsche mir natürlich, dass Marco sich professionell verhält. Ich glaube auch, dass er das tun wird, weil ihm 1860 am Herzen liegt.“

Das gilt auch für die knapp 1000 Fans, die die Löwen (ohne den verletzten Stürmer Joel Zwarts und den gesperrten Michael Glück) wohl am Sonntag nach Dortmund begleiten werden. Sie hoffen gegen den BVB II (vor dem Wochenende in der Tabelle mit einem Punkt um einen Platz besser die Sechziger) auf ein Ende der kleinen Löwen-Krise, die sich nach dem Pokal-Aus in Pipinsried und der S-Bahn-Derby-Niederlage gegen Unterhaching (jeweils 0:1) abzeichnet. „Es ist im Moment sicherlich nicht erfreulich, weil die Ergebnisse nicht stimmen“, sagte Jacobacci. Trotzdem teile er die Meinung nicht, „dass die Mannschaft in der Meisterschaft schlechte Spiele geliefert hat“. Er sagt: „Ich glaube, sie hätte viel mehr Punkte verdient gehabt für die Leistungen, die sie erbracht hat.“ Wenn diese Zähler allerdings nicht bald gesammelt werden, gehen dem Trainer immer mehr die sportlichen Argumente aus. Zumal er sich immer mehr Probleme selbst schafft.

− mgb