Christian Werner neuer Sportchef
E-Mail-Ärger, veränderte Pressemitteilungen, neue Eskalation: 1860 München startet mit Turbulenzen ins neue Jahr

08.01.2024 | Stand 08.01.2024, 9:04 Uhr

Tritt mit großer Hypothek seinen schwierigen Job an: Christian Werner (hier mit Aufsichtsratschef Saki Stimoniaris und dem Investoren-Abgesandten Anthony Power, von links) war über Monate der Zankapfel im Machtkampf der beiden zerstrittenen Gesellschafterseiten bei den Löwen. − Foto: Imago Images

Mehr als ein halbes Jahr nach dem Abschied von Günther Gorenzel haben die Münchner Löwen seit Freitagabend endlich wieder einen neuen Sport-Geschäftsführer.

Das wäre bei normalen Fußballklubs eine positive Meldung. Beim TSV 1860 allerdings führt das zu E-Mail-Ärger, veränderten Pressemitteilungen und neuer Eskalation. Dabei hat der Gorenzel-Nachfolger Christian Werner auf der Suche nach einem Cheftrainer und einem treffsicheren Stürmer für den Tabellen-15. der 3. Liga eigentlich genug zu tun.

Das Gegenteil von gut ist eben manchmal gut gemeint. Frei nach dem Dichter Gottfried Benn dürfte sich auch 1860-Vizepräsident Heinz Schmidt in den vergangenen Tagen gefühlt haben, als seine – für eben normale Fußballklubs – unverfängliche Pressemitteilung neuen Ärger auslöste. „Beide Gesellschafter des Klubs, sowohl der Verein wie auch die Vertreter von HAM International aus Dubai, sprechen der neuen sportlichen Leitung ihr persönliches Vertrauen aus“, hatte Schmidt zur Vorstellung von Sport-Geschäftsführer Werner formuliert. Laut einer E-Mail des Vizepräsidenten, aus der die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert, mit folgender Absicht: „Die Möglichkeit, einen Hauch von Gemeinsamkeit zumindest nach außen zu zeigen, wollte ich offenhalten.“ Dabei musste Schmidt laut „SZ“ ernüchtert feststellen: „Ich weiß jetzt wieder mal, dass das nicht gewollt ist, werde aber an meiner blauäugigen Illusion festhalten.“ Eine Dreiviertelstunde nach Erstveröffentlichung war in einer neuerlichen Aussendung die Passage über die angebliche Zustimmung von Hasan Ismaik entfernt worden. Gemeinsamkeit bleibt bei den Löwen eine Illusion.

Personalie Werner als Spielball um die Machtverhältnisse

Anders, als in der ursprünglichen Presseaussendung beschrieben, ist die Seite von Geldgeber Ismaik nämlich mit Werners Benennung zum starken Löwen-Sportchef mittels der 50+1-Regel ganz und gar nicht einverstanden, was ein bisschen kurios anmutet, da der 42-Jährige ja eigentlich schon länger als Wunschkandidat der Investoren galt. Im Dauerzwist zwischen den Gesellschaftern hatte dagegen der e.V. den Kandidaten Werner mehrmals für abgelehnt, in einer geleakten E-Mail hatte Präsident Robert Reisinger den neuen Sportchef sogar einst als untauglich bezeichnet. Wie Reisinger später erklärte, habe dieser Äußerung eine Falschinformation zugrunde gelegen, in persönlichen Gesprächen sei klar geworden, dass Werner doch geeignet sei. Bloß: Ismaiks Leute wollten den früheren Chefscout von Waldhof Mannheim nur als untergeordneten Sportdirektor unter Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer einsetzen, die e.V.-Seite als gleichberechtigten Geschäftsführer. Die Personalie Werner wurde somit auch wieder zum Spielball um die Machtverhältnisse der Gesellschafter.

So ließ die Antwort von Ismaiks HAM-Gruppe, ebenfalls per Pressemitteilung (vom späten Samstagabend), auch nicht lange auf sich warten. „Der noch laufende Abstimmungsprozess im satzungsgemäß hierfür ausschließlich zuständigen Beirat der TSV München von 1860 Geschäftsführungs-GmbH wurde ausgehebelt“, so der Vorwurf darin. Anders als in der Presse kolportiert, sei der Beirat nämlich handlungsfähig gewesen. „Stattdessen hat der e.V. am 5. Januar 2024 ohne weitere Ankündigung die Entscheidung an sich gezogen“, heißt es weiter. Eine nachvollziehbare Begründung hierfür gebe es laut HAM ebenso wenig wie für die nicht abgestimmte Presseerklärung. „Dies alles ist sehr bedauerlich, macht aber deutlich, dass der e.V. nun allein die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg dieser Personalentscheidung tragen muss“, schreibt die HAM-Seite, die Werner, dessen sportliche Expertise schon länger ihr Vertrauen genieße, trotzdem alles Gute wünschte.

Viel Arbeit für den Neuen

Für Sport-Geschäftsführer Werner könnte der Start in diesem Spannungsfeld nun kaum belastender sein. Dabei gibt es doch schon genug zu tun, bevor in weniger als zwei Wochen mit einem Heimspiel gegen den MSV Duisburg (20. Januar) der Abstiegskampf beginnt. Noch immer gibt es seit der Entlassung von Maurizio Jacobacci keinen neuen Cheftrainer an der Grünwalder Straße. Und während sich die Drittliga-Konkurrenz mit höherklassig erfahrenen Torjägern verstärkt – Terrence Boyd von Kaiserslautern nach Mannheim, Daniel Ginczek wohl von Düsseldorf nach Duisburg – passiert bei den seit 11. November torlosen und mit fünf Pflichtspielniederlagen in Serie geschüttelten Löwen (noch) nichts. „Egal, wer Trainer wird, wir müssen was tun“, sagte Interimstrainer Frank Schmöller vor kurzem. Dass mit Christian Werner ein Zuständiger geholt wurde, wäre doch eigentlich eine positive Meldung.

− mgb