Québec: Weites Land von ungeahnter Vielfalt

19.10.2019 | Stand 19.10.2019, 7:00 Uhr

Abendstimmung am Baskatong-Reservoir, einem Stausee mit einer Fläche von 320 Quadratkilometern Ausdehnung. Einst legten ihn Holzfäller an, um Stämme aus den Urwäldern abzutransportieren. Die Silhouette des Waldes und ihr Spiegelbild im See, nicht weit von der Rabaska-Lodge, ähneln einem Sonogramm, das von einem starken Impuls langsam in Ruhe übergeht. Das Nationalpark-Management verfolgt zwei Ziele: Die Natur zu bewahren, aber auch, Menschen an die Natur heranzuführen. −Fotos: Deubelli

Die kanadische Region rund um Québec überrascht mit ihren vielen Gesichtern – hier harmonieren Natur und Haute Cuisine.



Québec – schon der erste Eindruck verblüfft. Ein "französisches Skandinavien" gibt es eigentlich nicht. Und doch ist es mit etwas Fantasie die treffende Umschreibung der französisch geprägten und größten Provinz Kanadas.

Wer seiner Fantasie folgt, erlebt hier in der schier unendlichen Weite der Landschaft eine Reise voller ungeahnter Eindrücke. Im Nordwesten Québecs, in Abitibi-Temiscamingue, einer vom deutschen Tourismus noch weitgehend unentdeckten Region, besinnt man sich außerdem zunehmend wieder auf die Tradition der "First Nations", der Ureinwohner, und lässt Besucher an deren Wissen und Kultur teilhaben.

Die erste Überraschung gibt es unmittelbar nach der Landung in Montreal. Das Französisch, das die Menschen hier sprechen, klingt doch merklich anders, als man es aus dem Unterricht oder aus dem Frankreich-Urlaub in Erinnerung hat. Aber was auf den ersten Blick als Barriere erscheinen könnte, erweist sich schnell von doppeltem Charme: Erstens spricht man in Québec so gut wie überall Englisch als Zweitsprache und damit für einen deutschen Gast viel verständlicher als in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten. Zweitens gibt es in Québec viele Auswanderer aus Frankreich, die sich freuen, wenn sie einen Gast aus Deutschland treffen, der sich doch bemüht, in ihrer Muttersprache und nicht in Englisch zu parlieren.Und hier beginnt die zweite Überraschung. Ein Blick auf die Straßen lässt vermuten, man befinde sich im Herzen der USA. In Québec liebt man auf dem Land wie in den benachbarten Staaten große Trucks, Pick-ups und Wohnwägen in den Abmessungen eines mittleren Schwertransporters. Auch ein erster Blick auf die Speisen im Restaurant erweckt den Eindruck, man könnte sich in den Staaten befinden: Die "Bauern-Platte" bei Nathalie Labonté schaut irgendwie so aus wie liebevoll dekorierte "Burger".

Aber nein. Der Duft. Die Vielfalt. Der erste Bissen ... Jetzt sind alle Zweifel beseitigt. Hier sind die Franzosen gelandet und nicht Puritaner aus England oder Holland, und haben die Standards in der Küche gesetzt. Sehr sehr hohe Standards. Gekocht wird in Québec mit den Früchten des Landes, das im Süden der Normandie ähnelt – mit Apfelplantagen und Weingärten, Getreide und Viehzucht. Nach Norden hin erstrecken sich bis zur Hudson Bay die Wälder mit abertausenden Seen und Flüssen, die wiederum die Seen verbinden und die Wälder durchziehen. Für Europäer ein Hauch von Skandinavien.

Lachs und Forelle über Apfelholz geräuchert oder Braten mit Cidre und Apfelscheiben verfeinert sind lokale Genüsse. Wenn es stimmt, dass Liebe durch den Magen geht, dürfte man Québec, vor allem die Region der Laurentides, nie mehr verlassen. Doch dann würde man die unendlichen Weiten der Natur versäumen.

Den Weg nach Norden säumen Nationalparks und unberührte Wälder bis zum Bergwerkszentrum Val d’Or, in dem heute noch Gold gefördert wird. Hier wächst auch ein junges kulturelles Zentrum für die Tradition der Ureinwohner, ihr Wissen und ihre Sprachen. In Kinawit können Besucher nicht nur in Tipis wohnen, sondern auch die Bräuche und Riten der Ureinwohner, der "First Nations" im modernen Sprachgebrauch, erleben.

Sie haben den Norden Amerikas seit der Eiszeit besiedelt, kennen das Land und seine Natur wie niemand anders. Sie waren es auch, die vor Jahrtausenden damit begonnen haben, Schlittenhunde zu züchten und die Kunst des Kanu-Bauens ohne Metall zu verfeinern. Mit großen Booten aus Holz und Birkenrinde begann vor Jahrhunderten auch die Erschließung des Landes durch Europäer. Französische und englische Fallensteller und Händler nutzten die Kanus und die Wasserwege, um in wochenlangen und abenteuerlichen Fahrten Handelsnetze mit den Ureinwohnern aufzubauen. Wie so eine Handelsstation gegen Ende des 18., zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgesehen hat, das zeigt das teilweise rekonstruierte Fort Obadjiwan in der Region Abitibi-Temiscamingue. In der Sprache der Ureinwohner heißt das "wo die tiefen Wasser sich treffen".

Die Verkehrsmittel von einst, Kanus auf den Wasserwegen und Hundeschlitten in verschneiten Winterlandschaften, sind heute beliebte Freizeitbeschäftigungen für Einheimische und Touristen. Beide greifen auf lange Traditionen der Ureinwohner zurück. Für die Schlittenhunde-Zucht wählten die ersten Bewohner Kanadas stets kräftige und robuste, aber auch umgängliche und zutrauliche Tiere aus. Heute kommen die Tiere gut mit den Menschen klar und schützen sie vor Wölfen, Koyoten und Schwarzbären.
INFORMATIONEN
Die kanadische Provinz Québec (gängig auch ohne Akzent) hat seinen Namen aus der Sprache der Ureinwohner vom Volk der Algonkin. Kebec heißt in deren Sprache, "wo der Fluss enger wird". Québec ist die flächenmäßig größte Provinz Kanadas. Mit einer Fläche von über 1,5 Millionen Quadratkilometern ist sie mehr als dreimal so groß wie das Land Frankreich (67 Millionen Einwohner) und jene mit dem größten frankophonen Bevölkerungsanteil. Rund 8,5 Millionen Menschen leben in der Provinz. Der erste europäische Entdecker, der ins Innere Québecs gelangte, war der Franzose Jacques Cartier. Er erreichte 1534 Gaspé und befuhr den St.-Lorenz-Strom.

ANREISEN
Air Canada und Lufthansa zum Beispiel bedienen Montreal ab Frankfurt, München und Wien.

ÜBERNACHTEN
•Die kanadische Wildnis lässt sich in der Rabaska Lodge am Baskatong Reservoir genießen. Infos: www.rabaskalodge.com.
•Eine Stunde entfernt von Montreal liegt idyllisch die L’Auberge du Lac Morency de Saint-Hippolyte. Infos: www.lacmorency.com.

SEHENSWERT
•Im Kulturzentrum von Kinawit können Besucher den Traditionen der Urweinwohner nachspüren. Infos unter www.kinawit.ca.
•Wasserflugzeuge sind in Kanada gängige Verkehrsmittel. Damit lassen sich auch Ausflüge zu den großen fischreichen Seen im Norden der Provinz unternehmen. Infos: www.airmontlaurier.com.
•Im Tierasyl "Refuge Pageau" in Amos trifft man auf allerhand kuriose Bewohner. Infos unter https://fr.refugepageau.ca.
•Auf der Labonté-Apfel-Farm in Oka gibt es kulinarisch jede Menge zu entdecken. Infos: http://labontedelapomme.ca.

CRAFT-BIER
Als Paradies für entdeckerfreudige Bier-Fans erweist sich die junge Craft-Bier-Szene in Québec. Es gibt dort schon über 350 Kleinbrauereien, sogenannte micro breweries, mit insgesamt gut 4000 unterschiedlichen Craft-Bieren. Infos: www.bieresetplaisirs.com.

www.quebecoriginal.com
www.laurentians.com
www.tourisme-abitibi-temiscamingue.org
www.sepaq.com
Redakteur Ernst Deubelli recherchierte in Kanada auf Einladung der Tourismusallianz von Québec.