Video: Das größte Glück in der Pferderegion in Frankreich

04.10.2019 | Stand 25.10.2023, 12:25 Uhr

Das ist wahres Reiterglück: Auf dem Rücken eines Percheron-Hengstes, der für die Normandie typischen Kaltblutrasse, geht es auf das Schloss des Nationalgestüts Haras du Pin zu.

Die Normandie gilt als die Pferderegion in Frankreich. Hier erlebt man den beliebten Reitsport in vielen Facetten. Sattel drauf und los geht’s! Entlang der Weiden, auf denen die Pferde der Écurie du Bec in Genêts im Département Manche ihre Ruhe genießen. Einmal kurz über die Straße, und schon passieren wir die ersten Dünen. Nach 20 Minuten erwartet uns hinter einem kleinen Hügel eine weitläufige Sandlandschaft. In ihrer Mitte thront ein Wahrzeichen der Normandie – der Mont Saint-Michel.

Mit den Pferden können wir nicht zu nah an den berühmten Klosterberg reiten, erklärt Guide Caroline Loury. Um die felsige Insel liege Treibsand. Das könne für die Pferde sehr schnell sehr gefährlich werden. Doch auch aus sicherer Entfernung ist der Anblick beeindruckend. Kaum vorstellbar, dass sich der Mont Saint-Michel durch die stärksten Gezeiten Europas mehrmals im Jahr zur Insel entwickelt.

Lächelnd blickt Caroline auf die Landschaft. "Es wird nie langweilig", sagt sie. Obwohl sie schon seit Jahren hier lebt, fasziniert sie die sich ständig ändernde Landschaft immer wieder aufs Neue. Das sei auch der Grund, warum Touristen immer wieder gerne zurückkämen. Mit ihren Pferden macht sie geführte Touren zur Bucht des Mont Saint-Michel. Man muss dafür keine Reiterfahrung haben – auch Anfänger können mit.

Im Norden die Reiter, im Süden die Züchter Die Normandie gilt in Frankreich als Pferderegion Nummer 1, ob im Sport oder im Freizeitreiten. Während der nördliche Teil eher dafür bekannt ist, herausragende Reiter hervorzubringen, hat sich der Süden der Region mit der Pferdezucht einen Namen gemacht, erklärt Sophie Bonnemason, Direktorin der Reitkommission der Normandie. Fast 700 Reitclubs und rund 40000 Reiter sind im Regionalkomitee vereint.

Video: Wo das größte Glück der Erde zu finden ist



Jährliches Pflichtprogramm für alle Reiter in der Normandie und weit darüber hinaus ist die Normandie Horse Show in Saint-Lô. Anfang August verwandelt sich das Nationalgestüt dort für eine Woche lang in eine Pferdesport-Hochburg. Die Wettbewerbe erstrecken sich von internationalen Spring-Prüfungen über Derby, Cross bis hin zu Pony-Wettbewerben. Hier treffen bis zu 25000 Pferdeliebhaber aus 15 Nationen aufeinander – was für die Hausherren natürlich viel Arbeit bedeutet. Yann Adam, Direktor des Nationalgestüts, atmet immer erst einmal durch, wenn die Horse Show unfallfrei und erfolgreich gelaufen ist. Dann geht er durch das Gestüt und genießt die Ruhe.

"Gegen Ende der Woche haben wir die besten Springreiter und ihre Pferde auf dem Gelände. Die Ställe werden dafür natürlich geschlossen und müssen bewacht werden. Das ist eine große Herausforderung", sagt er beim Weg durch die mobilen Boxen. Und die Ruhe währt nicht lange: Nach der Horse Show ist vor der Horse Show – die Vorbereitungen für das kommende Jahr gehen los.

Auf unserer Reise zu den verschiedenen Facetten des Pferdesports in der Normandie darf eine Station nicht fehlen: das Hippodrome de Cabourg. An Renntagen kommen bis zu 25000 Besucher an die Rennbahn, um dem Spektakel beizuwohnen. Es herrscht ein buntes Gedränge. Dann erscheinen die blauen Lichter – nur drei Minuten bis zum Start. Alle blicken gespannt auf die Rennbahn, viele mit Wettscheinen in der Hand. Die ersten Pferde biegen auf die Zielgerade. Der eine oder andere Besucher ist sich seines Sieges schon sicher, andere schmeißen leise fluchend den Zettel weg. Emotionen pur und ein Erlebnis auch für jene, die nicht am Rennsport interessiert sind.

An einem Rennen nehmen in der Regel zehn bis 18 Pferde teil. Es gibt unterschiedliche Durchläufe, entweder mit Jockey oder mit einem Fahrer im Sulky – alle im Trab. Direkt nach dem Rennen geht es für die Pferde zum Vet Check. Die Vierbeiner werden pro Jahr nur zehn bis 15 Mal auf die Bahn geschickt – nur, wenn sie hundertprozentig fit sind, laufen sie auch. Die Karriere eines Trabers startet etwa mit drei Jahren. Mit zehn Jahren werden sie meist in "Rente geschickt", was heißt, dass sie ab jetzt zur Zucht zur Verfügung stehen und neue Talente hervorbringen.

Moderne Forschung in historischen GemäuernDiese für den Rennsport aufzuziehen ist die Leidenschaft von Jean Luc Bara. Pferde prägen Baras Heimat. Etwa 900 Pferde kommen dort auf etwa 200 Bewohner. Jean Luc Bara hat in seinem Gestüt Haras d’Ecajeul in Le Mesnil-Mauger rund 25 Pferde und weiß genau, worauf es in der Zucht und im Rennsport ankommt: "Du musst die Psychologie deines Pferdes kennen. Wenn du in der falschen Disziplin startest, wirst du nie gewinnen." Für die Ausbildung seiner Jungpferde gilt: Ab ins Round Pen, die Zeit läuft. Bara garantiert: "Wenn ich zu trainieren beginne, brauche ich 15 Minuten, und ich kann das Pferd reiten." Das Pferd müsse begreifen, dass er der Chef ist. Wenn es ihm folgt, habe er schon gewonnen. Wie schafft man das? "Man braucht einen offenen Geist. Wenn du selbst verschlossen bist, kann dir diese Methode nicht gelingen." Vom Land geht es zurück an die Küste nach Deauville, einer Hochburg des Polo-Sports. Hier kommen jedes Jahr die besten Spieler und Pferde aus der ganzen Welt zusammen, um beim Gold Cup gegeneinander anzutreten. Pascal Renauldon, früher Springreiter und selbst begeisterter Polo-Spieler, ist Zaungast beim 5. Ladies Polo Cup. Polo gilt als älteste Mannschaftssportart der Welt. "Wenn Sie den Ball einmal geschlagen haben, können Sie nicht mehr aufhören", sagt Pascal Renauldon lächelnd, das Spielfeld fest im Blick. Polo ist durchaus eine gefährliche Sportart. Der Ball könne Geschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde erreichen. Polo-Pferde gelten unter Ärzten und Hufschmieden als die ausgeglichensten, erklärt Züchter Jean Luc Bara. Sie seien einfach gestrickt und wüssten genau, was von ihnen verlangt werde.

Zu den prächtigsten Stationen auf dem Ritt durch die Normandie zählt das Nationalgestüt Haras du Pin. Unter Sonnenkönig Ludwig XIV. sollten dort ursprünglich Kriegspferde gezüchtet werden. Mit dem Bau der Stallungen wurde 1715 begonnen, dem Sterbejahr Ludwigs XIV. 1730 wurde das Schloss als letztes Gebäude gebaut. Zeugnisse aus vergangenen Zeiten sind in der Sattelkammer ausgestellt – alte Schellengeschirre, ein marokkanischer Phantasie-Sattel oder das Skelett eines englischen Vollbluts, das Anfang 1900 verstorben ist. Heute dient ein Großteil des Gestütsgeländes der Forschung. Hier wird an der künstlichen Befruchtung, unter anderem durch die Transplantation von gefrorenen Eizellen, geforscht. Ein erstes Ergebnis aus dieser Forschung steht im Stall Nummer sechs und heißt "E-Freeze". Das Welsh-Pony kam 2014 als eines der ersten Tiere durch künstliche Befruchtung zur Welt.

INFO
Die Normandie ist eine Region im Norden Frankreichs. Auf einer Fläche von knapp 30000 Quadratkilometern leben fast 3,5 Millionen Menschen. Die Region unterteilt sich in fünf Départements: Calvados, Eure, Manche, Orne und Seine-Maritime. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Normandie zum beliebten Touristenziel. Auch die Zahl der einheimischen Urlauber wächst stetig an. Die Normandie bietet Strände, Erholung und Entdeckungen in weniger als zwei Stunden Entfernung von Paris. Die Tourismusorganisation der Normandie stellt auf ihrer Webseite auch eine Karte zur Verfügung, auf der man Routen für Reittouren findet und Stationen, an denen man Pferde ausleihen kann.

ANREISEN
Von München aus fliegt man etwa in zwei Stunden nach Paris. Von dort aus kann man mit dem Zug oder Mietwagen in die Normandie reisen. Alle größeren Städte der Region sind gut mit dem Zug erreichbar. Ebenso besteht eine Vielzahl an Busverbindungen zwischen Paris und der Normandie. Wer gerne mit dem Auto reisen möchte: Von der Südhälfte Deutschlands aus ist die Normandie am besten über die A6 Richtung Metz zu erreichen.

ÜBERNACHTEN
Die Normandie hat eine Vielzahl an Hotels, Ferienwohnungen und Pensionen. Auch außergewöhnliche Übernachtungsorte wie ein Hausboot, Baumhaus oder im Schloss sind buchbar. Wer Land und Leute kennenlernen möchte, bucht sich eine einfache Unterkunft wie die "Chambres d’Hôtes". Weitere Infos auch unter www.gites-de-france.com.

www.normandie-tourisme.frVideojournalistin Veronika Weidlich bereiste die Region auf Einladung des Tourismusverbands der Normandie und hatte im Nationalgestüt auch die Gelegenheit, einen fünfjährigen Percheron-Hengst zu reiten.