Auch das Paradies arbeitet an Nachhaltigkeit

28.09.2019 | Stand 20.09.2023, 22:59 Uhr

Der Klassiker: Am ersten Abend verewigen die Malediven-Neuankömmlinge den Sonnenuntergang am Strand, hier im Reethi Faru. Am zweiten Abend wissen die Urlauber bereits, dass diese Schönheit bedroht ist und jeder durch nachhaltiges Verhalten zu ihrem Schutz beitragen kann. −Fotos: de Silva

2019 entstehen auf den Malediven 29 neue Resorts. Neben dem Klimawandel setzt auch die Zunahme des Tourismus den fragilen Inseln zu. Viele Hotels schnüren daher ihr eigenes Klimapaket.

Im Paradies gehen die Uhren anders. Wen wundert’s? Dort, wo die Füße beim Barfußlauf im warmen Sand versinken, die Zehen mit jeder Welle vom Meerwasser umspült werden und das Ziel des Abendspaziergangs eine Schaukel unter Palmen ist, macht man sich seine eigene Zeit. Und weil es besser in den Tagesablauf auf der Malediven-Trauminsel Filaidhoo passt, wenn um 19 Uhr abends die Sonne untergeht statt schon um 18 Uhr, dreht das Reehti Faru Resort den Zeiger einfach eine Stunde weiter als in dieser Zeitzone üblich. Dann können die Gäste vor dem Abendessen noch Sonnenuntergangsfotos machen, niemand muss sich hetzen. "Alles ganz relaxed", sagt HPS Barsal, der Operations Manager des Hotel-Resorts, als er die ankommenden Urlauber über die "neue Zeit" informiert, die mit einem erfrischenden Drink beginnt – nicht aus einem Glas, sondern aus einer frisch gepflückten Kokosnuss.

Ganz weit weg erscheint sogleich der politische Streit um das milliardenschwere Klimaschutzpaket der Bundesregierung. Aber auch 7860 Kilometer entfernt von Deutschland, wo es weder CO2- Ausstoß durch Autoverkehr, Industrie, Landwirtschaft noch Heizungen gibt, lässt sich die Klimawandel-Realität nicht ausblenden. Die Malediven liegen nur einen Meter über dem Meeresspiegel und sind in ihrem Fortbestand durch immer extremeres Wetter und den steigenden Wasserspiegel bedroht, der stetig an den Rändern der 26 Atolle nagt.

Wegen 29 neuer Resorts, die laut der "Maledivian Times" in diesem Jahr entstehen und vieler weiterer in Planung, fliegen aber immer mehr Urlauber auf die 1190 Mini-Inselchen im Indischen Ozean, deren Gesamtfläche mit 298 Quadratkilometern nicht einmal die Größe Münchens (310 Quadratkilometer) hat.

Der Tourismussektor ist sich der fragilen Lage bewusst und versucht, die Natur – und zugleich die eigene Wirtschaftsgrundlage – durch ökologische Initiativen zu schützen. 70 Prozent der Einnahmen der Malediven werden durch den Tourismus erwirtschaftet. An einem Rückbau der Unterkünfte ist die Regierung, die die Inseln auf Jahrzehnte an Hotelbetreiber verpachtet, nicht interessiert. Was also tun? Nachhaltigkeit zum Konzept machen, die Urlauber – 2017 waren es 1,3 Millionen – dafür einnehmen und das Geld, dass sie auf die Inseln bringen, in grüne Projekte investieren.

Drei Resorts – drei Wege zu mehr Umweltbewusstsein Die Heimatzeitung hat drei Resorts besucht, die nachhaltig wirtschaften wollen. Das erst vor achtzehn Monaten konzipierte Reethi Faru Resort, das seit 20 Jahren bestehende Adaaran Select Meedhupparu und das drittälteste Hotel der Malediven, das in den 70er Jahren auf Furanafushi errichtete Sheraton Maledives Full Moon Resort. Luxuriös und modern sind alle, aber mit eigenem Flair.

Bereits im Anflug hat der Gast den Eindruck, auf den Malediven könnte der Garten Eden zu finden sein. Türkis und oft kreisrund leuchten den Urlaubern weiße Atolle aus dem tiefblauen Meer entgegen. Die Inseln, auf denen sich die Gästevillen unter grünen Palmen verstecken oder an einem Steg ins Meer gebaut sind, garantieren Einsamkeit und himmlische Ruhe. Bei Tauchern, Unterwasser-Fotografen und Hochzeitsreisenden stehen sie hoch im Kurs. Bei unserer Ankunft war ein italienischer Fußballstar mit Frau unter den Honey-Moon-Gästen. Da soll natürlich alles perfekt sein und jeder Wunsch erfüllt werden – Champagner, Erdbeeren, Rosenblätter auf dem Kopfkissen ...

Alles wird per Boot oder Wasserflieger transportiertDoch hier liegt das Grundproblem aller Malediven-Resorts: Bis auf Fisch und Meeresfrüchte, die heimische Fischer liefern, muss alles, was der Hotelbetrieb benötigt, importiert, per Boot oder Wasserflugzeug zur Insel gebracht und auch wieder entsorgt werden. Die Liste ist lang: Papier für den Drucker, Plastikflaschen mit Getränken, Holzkisten mit Obst und Gemüse, klein portionierte Kosmetikprodukte für die Gästezimmer oder Chipstüten und Spirituosen für die Bar. Denn auf Inseln mit wenigen hundert Metern Durchmesser will der Urlauber keine Müllhalde sehen. Zwar gibt es immer noch die Insel Thilafushi, auf der ein Großteil des Tourismus-Mülls der Malediven verbrannt wird. Die Rauchschwaden sind weithin sichtbar. Doch statt die Müllverbrennungsanlage zu erweitern, versuchen die Hotels Müll zu minimieren.

Als deutscher Gast, quasi Weltmeister in Mülltrennung, macht man gerne mit. Wenn es jedoch an Müllvermeidung geht, wird einem erst bewusst, was so alles im Urlaubsgepäck dabei ist. Die am Strand schnell ausgelesene Illustrierte, Reisetuben mit Sonnencreme, Mini-Haarspraydosen, der aufblasbare Flamingo, der leider bald ein Loch hat oder Stanniolpapier vom Kaugummi. Wohin damit? Wer in perfekter Natur entspannt, empfindet es als umso erschreckender, wenn er am weißen Sandstrand auf einen Zigarettenstummel tritt, im azurblauen Meer eine Plastikflasche vorbei schwimmt oder Taucher einen Beutel mit schmutzigen Windeln aus dem Riff schneiden müssen, den irgendjemand achtlos über Bord geworfen hat.

Schon von Berufs wegen Robin Hood des Riffs ist Patrick Spitz, der Mitinhaber der Tauchschule auf Rheethi Faru. "Unter Tauchern ist es üblich, dass wir Müll ins Jacket klemmen und mit nach oben nehmen", erzählt der Schweizer. Mit seinen Tauchschülern hat der gebürtige Appenzeller einen Wertstoffkreislauf geschaffen. So werden leere Batterien gesammelt und in Beuteln, die zum Beispiel Swiss Air an Malediven-Passagiere verteilt, zurück in die Schweiz gebracht. Auch privater Plastikmüll findet darin Platz.

Eine besondere Aktion gibt es seit 2016, als eine Korallenbleiche der Unterwasserwelt der Malediven schwer zugesetzt hat. Weil die Wassertemperatur, die normalerweise bei 27 bis 29 Grad liegt, aufgrund eines Zyklons mehrere Tage lang 34 Grad erreichte, kollabierten die Korallen, wurden weiß, die Kalkstruktur brach ab. Auch den Fischen wurde es zu heiß, sie hörten auf, die Korallen zu putzen und suchten das Weite.

Seit drei Jahren engagieren sich die Taucher am Raa-Atoll nun im Riffschutz, bemühen sich mit Meeresbiologen um die Aufzucht von Korallen, die am zu 60 Prozent geschädigten Riff wieder eingesetzt werden. "Ist das Riff intakt, kehren Jungfische zurück", berichtet Spitz von ersten Erfolgen. Auch die Zunahme der Hai-Population an seinen Tauchpunkten sei ein gutes Zeichen, bedeute dies doch, dass es dort genug Nahrung gebe. Dass gute Arbeit geleistet wurde, zeige auch die Zählung des Shark-Projects und bei den Rochen durch den Manta-Trust.

Stolz auf Biogasanlage und TrinkwasserabfüllungNaturschutz bedeutet aber auch, sich von lieb gewonnenen Gewohnheiten zu verabschieden, weiß Emilio Fortini, General Manager im Full Moon Resort. Bald soll eine Urlauberattraktion der Vergangenheit angehören: die tägliche Hai-Fütterung um 17.30 Uhr. Schon zehn Minuten vor Beginn tummeln sich am Kai helle Schwarzspitzenhaie, ein bis eineinhalb Meter lang, um nach den frischen Fleischhappen zu schnappen, die der Koch verteilt. Doch natürlich müssen Haie, die als Wasserschutzpolizisten der Meere gelten, ihr Futter selbst finden. Zu sehen gibt es aber immer noch die majestätischen Mantas, die allabendlich von den Unterwasserlichtern der Restaurantterrasse angelockt werden.

Im Reethi Faru zeigt Elektronik-Ingenieur Kasi Rao Gästen, wie die Solaranlage Strom für die Generatoren erzeugt. Konnten im Juni schon 60 Prozent des Strombedarfs durch Solarenergie gedeckt werden, waren es im September bereits 80 Prozent. "Damit sind wir Nummer Eins auf den Malediven", sagt Rao. Ein Bildschirm in der Lobby zeigt, wie viel Energie gewonnen wird. Seit der Installation wurden eine Million Kilowattstunden Sonnenenergie gesammelt, das entspricht 11078 Flügen von London nach Malé. Auch auf den Nachhaltigkeitskreislauf ist Rao stolz. 200 Kilo Essensreste täglich werden in der Biogasanlage vergoren. Mit dem gewonnenen Gas wird gekocht.

Das Sheraton rüstet seinen Hotelbetrieb schrittweise um. Angeschafft wurde ein Lebensmittel-Digester, der Abfälle reduziert und zu Kompost verarbeitet. "Aus 50 Kilogramm Speiseresten wird eine Handvoll hochkonzentrierter Dünger", sagt Hoteldirektor Fortini. Auch die Klimaanlagen laufen nicht mehr den ganzen Tag, um die Schlafzimmer von 29 auf 22 Grad herunterzukühlen. Ein elektronisches System erkennt, wenn die Terrassentür geöffnet wird, dann schaltet sich die Klimaanlage ab. Fortini verspricht sich davon 30 bis 50 Prozent Energieeinsparung.

Im Adaaran will man mit den anstehenden Renovierungen den CO2-Fußabdruck reduzieren. Es gibt wie in allen Resorts eine Meerwasserentsalzungsanlage zur Gewinnung von Brauchwasser, aber seit drei Monaten auch eine Trinkwasser-Fabrik. Hier wird jeden Tag frisches Wasser in Glasflaschen abgefüllt und an die Gästezimmer verteilt. "Mit der Kapazität können wir sogar unser Schwester-Resort beliefern", freut sich General Manager Chris Earnest. Die Stammgäste bemerken die kleinen Unterschiede. Sie haben ihren eigenen Speisesaal, kennen die Kellner seit Jahren und wissen zu schätzen, dass das Trinkwasser nicht mehr wie im Vorjahr in Plastik-, sondern in Glasflaschen serviert wird.
EIN PERFEKTER TAG AUF DEN MALEDIVEN

7 Uhr: Ein erhebender Start in den Tag ist ein Sonnenaufgangs-Frühstück mit Blick aufs Meer.

8 Uhr: Gute Laune macht eine Yoga-Stunde, für die viele Resorts zertifizierte Lehrer haben.

9 Uhr: Zeit für den ersten Schnorchel-Ausflug am Hausriff, wo man schon in bis zu drei Metern Tiefe farbenprächtige Fische sieht. Taucher fahren mit der Tauchschule zu speziellen Manta- oder Hai-Plätzen.

11 Uhr:
Relaxen am kleinen Privatpool der Water-Villa oder Wassersport-Gaudi mit Banana-Boot-Fahren und Flyjet.

13 Uhr: Zum Mittagessen unbedingt ein scharfes Fisch-Curry probieren. Das Adaaran bietet spezielle Malediven-Kochkurse.

14 Uhr: Mittagsschlaf auf der uneinsehbaren Terrasse, eine Massage im Spa-Bereich oder im Adaaran ein Besuch des chinesischen Therapiezentrums.

16 Uhr:
Von den Gärtnern des Full Moon Resorts lernt man, auf Kokosnusspalmen zu klettern.

18 Uhr: Gruseln beim Flughunde-Schauen: Wenn es dämmert, fliegen die katzengroßen harmlosen Fledermäuse herum.

19 Uhr: Vor der Cocktail-Time mit Live-Musik am Strand noch schnell ein Sonnenuntergangs-Foto auf gebogener Palme.

20 Uhr: Romantisches Abendessen auf einem Steg am Meer.

22 Uhr: Schlummertrunk in einer kleinen Inselbar. Hier erzählen Resort-Mitarbeiter gerne Käptn-Blaubär-Geschichten.
INORMATIONEN

Malediven bedeutet Inselkette. Wie Perlen an einer Schnur reihen sich die 1190 Eilande des Inselstaats auf 871 Kilometern Länge von Nord nach Süd im Indischen Ozean auf. 144 Inseln dienen touristischen Zwecken, auf 220 leben Einheimische, der überwiegende Teil ist unbewohnt. 400000 Einwohner zählen die Malediven, wovon ein Drittel in der Hauptstadt Malé lebt. Die einzige Stadt des Staates ist die am dichtesten besiedelte City der Welt: 134000 Menschen auf 5,7 Quadratkilometern.

ANREISEN

Qatar und Emirates fliegen von Frankfurt über Doha oder Dubai in 12 Stunden nach Malé. Vom Flughafen der Inselhauptstadt geht es per hoteleigenem Speedboot oder Wasserflugzeugen der Trans Maledivian Airways zu den Insel-Resorts.

ÜBERNACHTEN
•Sheraton Maldives Full Moon Resort, Infos unter www.sheraton.com/maldives

•Adaaran Select Meedhupparu Maldives, Infos unter www.adaaran.com.

•Reethi Faru Resort, Infos unter www.reethifaru.com.

www.visitmaldives.com
PNP-Redakteurin Christine de Silva reiste auf Einladung des Tourismusministeriums der Malediven.